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# taz.de -- Kolumne Behelfsetikett: Lassie, superscharf
> Unser Autor muss handeln: Sein digitales Antennenfernsehen wird bald auf
> HD umgestellt. Zum Glück kennt er sich mit Umstellungen aus.
Bild: Nicht der Autor (l.), aber einer seiner Kindheitshelden (r.)
Da, jetzt wieder, mitten in der RBB-„Abendschau“, es passiert aber auch
während der „Dschungel“-Show auf RTL: Ins Fernsehbild drängt sich ein
signalgrünes Laufband: „Sie nutzen DVB-T“, heißt es da. Und dass ich nun
„schnell handeln“ müsse.
DVB-T ist die Abkürzung für Digital Video Broadcasting – Terrestrial (auf
Deutsch in etwa: Digitale Videoübertragung – Antennenfernsehen) und ist der
Standard fürs Empfangen von digitalen Fernsehbildern mit kleiner
Zimmerantenne. Das Ganze wird ab Ende März in Ballungsräumen – also auch in
Berlin – abgeschaltet. Weil etwas Neues kommt. Und um das nutzen zu können,
bedarf es eines kleinen Zusatzgeräts. Nun, das kommt mir bekannt vor.
Es muss irgendwann Anfang der 1970er gewesen sein, als Lassie in mein noch
junges Leben trat. Meine Familie hatte sich damals dazu entschlossen,
endlich das zweite Programm auf den Bildschirm zu holen. Dafür gab es
sogenannte Konverter zu kaufen, die das neumodische UHF-Signal umwandelten.
Eine zweite Antenne auf dem Dachboden aufhängen, und fertig.
Na ja, so einfach war es nicht. Das stundenlange Ausrichten der Antenne und
das ständige Gebrülle von der Wohnstube zum Dach hinauf zerrte an den
Nerven: „Jetzt schlechter“, „wieder besser“, „nur noch Schnee“– d…
plötzlich klarte das Bild auf, und Lassie sprang – ganz analog und in
Schwarz-Weiß – über einen Baumstamm. Die Szene werde ich nie vergessen.
Ich dachte an den Serienhund, als ich mir jetzt wieder ein Gerät zulegen
musste, das nun wie damals der Konverter neben dem TV-Apparat steht und mit
ihm verbunden ist. Das kleine Ding – man nennt es Set-Top-Box – erweitert
die technischen Möglichkeiten meines Fernsehgeräts, damit ich auch die
nächste Generation des digitalen Antennenfernsehens empfangen kann. Der
neue Sendestandard DVB-T2 beschert über eine kleine digitale Zimmerantenne
Fernsehen in HD-Qualität. Man stelle sich vor: Lassie in ultrascharfen
Bildern!
Die digitale Zimmerantenne hatte ich mir vor Jahren angeschafft, weil ich
in einer Straße im Friedrichshainer Nordkiez wohne, die mit ihrer Ostlage
das Nutzen einer Satellitenschüssel unmöglich macht – kein Empfang.
Kabelfernsehen war auch keine Option. Die leistungsstarken Kabel für
digitales HD-Fernsehen liegen bis zum Verteilerkasten im Keller an, die
Kabel in meiner Wohnung aber müssen noch aus DDR-Zeiten stammen, so alt
sehen sie aus. Jedenfalls war mit ihnen der Empfang zwei Jahre lang
miserabel und störanfällig. Man stelle sich Lassie vor: ruckelnd, unscharf,
pixelig – puh! Also lieber digitale Zimmerantenne. Eine gute Investition.
## Meiner Zeit voraus
Apropos investieren: Ich habe überlegt, ob es sich überhaupt lohnt,
technisch aufzurüsten und eine Set-Top-Box zu besorgen, denn ich nutze das
TV-Gerät schon lange nicht mehr im klassischen Sinne. Ich mach lieber mein
eigenes Ding.
Mein eigenes Programm kreieren – das hab ich schon als Zehnjähriger getan.
Erst nur Radio, dann auch Fernsehen. Mit mehreren Programmen. Alles in
Personalunion. Die Sender hießen nach meinem Heimatdorf Gallin im
Westmecklenburgischen und wurden einfach durchnummeriert, das fand ich
damals cool. Es war ein Spiel – und doch hab ich das ernst genommen und hab
lange Listen für meine imaginäre Fernsehzeitung geschrieben. Ich bin noch
heute gut im Planen.
Und ich war meiner Zeit voraus: Ich hab schon als Kind nicht einsehen
wollen, warum man auf die nächste Folge „Bonanza“ eine ganze Woche lang
warten musste. In meinem Sender liefen gleich drei Folgen hintereinander,
jeden Tag und am Wochenende alle noch mal als Wiederholung. Das machte ich
mit „Flipper“ und „Mondbasis Alpha 1“ genauso.
Sein eigener Programmdirektor sein, Serien schauen, wie und wann es
gefällt, und wenn es eine Staffel am Stück ist: Glück für mich, Pech fürs
lineare Fernsehen, das für mich längst gestorben ist. So gesehen bedeutet
Netflix, wo ich meine Serienware streame, die Erfüllung meines
Kindheitstraums.
22 Jan 2017
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Fernsehen
DDR
Netflix
Flughafeneröffnung
Fête de la musique
Privatfernsehen
Fernsehen
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
BND
Friedrichshain
Schwerpunkt Landtagswahlen
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