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# taz.de -- Kolumne Behelfsetikett: Rot-Rot-Grün im Dschungelcamp
> Klaus Lederer hat den Senat mit der Sendung „Ich bin ein Star – Holt mich
> hier raus“ verglichen. Okay, dann spielen wir das mal durch.
Bild: Diese Truppe zusammen im Dschungel? Eine schräge Vorstellung
Ich weiß ja auch nicht, was sich Kultursenator Klaus Lederer an Serien und
Fernsehsendungen so alles reinzieht, aber die TV-Show „Ich bin ein Star –
Holt mich hier raus“ – besser bekannt als „Dschungelshow“ – kann er d…
letzten Jahre nicht gesehen haben. Sonst hätte er in einem Interview mit
unserer Berlin-Redaktion nicht diesen Vergleich gewählt: Anfang Februar
hatte Klaus Lederer „eine Koalition mit diesen TV-Shows verglichen, in
denen Leute in Containern oder im Dschungel sitzen und gemeinsam Aufgaben
lösen müssen, damit jeder von ihnen am Ende erfolgreich sein kann“.
Na ja, der Vergleich hinkt. Die Analogie passt schlicht weg nicht. Gleich
in zweifacher Hinsicht.
Erstens geht es in der „Dschungelshow“ überhaupt nicht darum, dass am Ende
jeder der Mitspielenden erfolgreich ist. Ganz im Gegenteil. Dort soll und
kann nur eine/r gewinnen – das ist die Person, die von den ZuschauerInnen
die meisten Stimmen bekommen hat und dadurch Dschungelkönig respektive
Dschungelkönigin wird.
Zweitens sitzen in der Dschungelshow eher bemitleidenswerte und hoch
verschuldete, weil in Vergessenheit geratene ehemalige Prominente unterer
Kategorien. Ein sogenannter A-Promi würde nie in den Dschungel gehen. Ein
C-Prominenter vielleicht schon, aus Geld- oder Aufmerksamkeitsmangel. Aber
in der TV-Show aus dem australischen Dschungel sind eher XYZ-Promis zu
bestaunen – das alles möchte man auf die Damen und Herren Senatoren lieber
nicht übertragen.
Aber Moment. Wenn die Idee schon mal im Raum steht, warum nicht?! Spielen
wir die Dschungelshow mit dem Personal aus dem Senat einmal durch. Könnte
lustig werden.
Es geht schon mit der Einheitskleidung los. Alle müssen im Dschungel –
sagen wir, die Inszenierung wird aus Kostengründen nicht in Australien,
sondern im Tropical Island im Spreewald gedreht –, das Gleiche tragen.
Distinktionsmerkmale gibt’s so keine, das passt zu einer linken Regierung
ja wunderbar. Das Ganze wird von RBB-Rampensau Ulli Zelle moderiert, Jörg
Thadeusz und Bettina Rust hatten abgewinkt.
Es kommt schon am Tag eins zu Lagerbildung (nach Tag zehn zum Lagerkoller).
Die GenossInnen von der SPD bleiben unter sich, die Linke macht es genauso,
die Grünen sowieso. Jede Gruppierung weiß es besser als die andere, auch
wenn es nur darum geht, Reis und Bohnen zu kochen. Etwas anderes gibt es
nicht (schon gar nicht einen Konsens). Es sei denn, jemand besteht die
täglichen Dschungelprüfungen, bei denen Essen erspielt werden kann. Ramona
Pop zum Beispiel muss lebendige Würmer und Raupen futtern und patzt.
Andreas Geisel versaut eine sportliche Aufgabe. Und Katrin Lompscher kriegt
den Bau einer Laubhütte nicht hin. Die Dschungelshow ruckelt ganz schön.
Die Mägen bleiben also leer. Das sorgt für Unmut, es gibt Streit und setzt
Beleidigungen. Denn immer sind die anderen Schuld, man selbst hat immer
alles richtig gemacht. Der Senat, ups, das Dschungelcamp, liegt sich in den
Haaren. Das zumindest wäre gut für die Einschaltquote. Ein bisschen nackte
Haut auch, aber so weit reicht meine Vorstellungskraft nicht.
Nur nachts kommt man sich am Lagerfeuer näher. Der Sender bestimmt, wer das
Feuer zusammen hüten muss, meist zwei, die sich nicht grün sind. Und siehe
da: Es wird getratscht und getuschelt, gelacht und gestritten, wir hören
lauter belanglose, manchmal unglaubliche, selten spannende Geschichten, es
menschelt eben. Einmal knistert es auch, aber es sind nicht die Flammen …
Stopp! Wir wollen uns mal nicht vorstellen, wer da mit wem anbändeln
könnte. Und mit all dem vergleicht Klaus Lederer also die rot-rot-grüne
Koalition? Das spricht für sich.
Vielleicht hätte er einen anderen Vergleich wählen sollen. Einen, der
besser auf die Unwägbarkeiten einer Schicksalsgemeinschaft, wie es eine
Koalition aus drei Parteien darstellt, passt. Wie wäre es mit
Showklassikern aus den Achtzigern, gerade neu aufgelegt bei RTL, wie „Ruck
Zuck“ (hier man muss Worte wie „Radgesetz“ erklären), oder „Familiendu…
(man sucht die gängigsten Antworten auf einfache Fragen). Oder doch lieber
„Glücksrad“, bei dem man Buchstaben kaufen kann? Okay, bis ein Gesetz
zusammen wäre, würde es ewig dauern – aber das würde immerhin lange
Diskussionen ersparen.
26 Feb 2017
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Berlin
Behelfsetikett
Dschungelcamp
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Fernsehen
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