# taz.de -- Flüchtlingshelfer an der Côte d'Azur: Cédric Herrou ist der Mann… | |
> Seine Courage ist erstaunlich. Herrou hilft Geflüchteten ohne | |
> Gegenleistung. Dennoch will ihn die Staatsanwaltschaft hinter Gitter | |
> bringen. | |
Bild: Cédric Herrou vor dem Gericht in Nizza | |
PARIS taz | Viertausend Leser und Leserinnen der südfranzösischen Zeitung | |
Nice-Matin haben Cédric Herrou zum Mann des Jahres an der Côte d'Azur | |
gewählt. Seine Zivilcourage und seine einfache Menschlichkeit haben | |
beeindruckt. Diese Anerkennung aus der Bevölkerung mag dem 37-jährigen | |
Landwirt, der im Roya-Tal im bergigen Hinterland an der französisch Grenze | |
zu Ventimiglia in Italien von seinen Oliven und dem Verkauf von Eiern lebt, | |
ein Trost und eine Ermutigung sein. Denn er ist wegen seines Engagements | |
für Flüchtlinge aus Eritrea, Sudan und anderen Ländern [1][vor Gericht | |
gestellt] worden wie ein krimineller Schlepper. | |
Der Staatsanwalt hatte kein Gehör für seine Erklärungen oder die | |
Solidaritätskundgebungen vor dem Gerichtsgebäude in Nizza, er hat für den | |
Angeklagten wegen illegaler Hilfe für Migranten eine exemplarische Strafe | |
von acht Monate Haft auf Bewährung gefordert. Das Urteil soll am 10. | |
Februar ergehen. Herrous Anwälte sind zuversichtlich. | |
Zu Jahresbeginn ist an der Côte d'Azur der Hochschuldozent Pierre-Alain | |
Mannoni, der ebenfalls illegal eingereiste Flüchtlinge mit seinem Auto | |
unentgeltlich transportiert hatte, freigesprochen worden. Herrou hat in den | |
letzten Monaten rund 200 Menschen geholfen, heimlich die Grenze zu | |
Frankreich zu überschreiten. Oft hat er sie in seinem klapperigen | |
Lieferwagen transportiert, mit dem er sonst seine Eier zum Markt bringt. | |
## Eigentlich müsste der Staat handeln | |
Im letzten August wurde er von der Polizei gestoppt, als er acht solche | |
illegale Einreisende in seinem Fahrzeug hatte. Zunächst wurde er deswegen | |
nur ermahnt, doch dann kam die gerichtliche Vorladung. Denn Herrou hatte | |
auch viele der Durchreisenden bei sich beherbergt, und weil es schnell zu | |
viele waren, hatte er ein unbenutztes Gebäude der Bahngesellschaft SNCF in | |
ein Durchgangslager umgewandelt. Hat er sich deswegen einer organisierten | |
Begünstigung der illegalen Einreise schuldig gemacht? | |
Wie er den Richtern erklärte, sind viele seiner Gäste minderjährig. | |
Eigentlich müsste der französische Staat für sie eine Unterkunft finden. | |
Doch die Behörden haben eine andere Priorität: Nach Möglichkeit die | |
illegalen Grenzüberschreitungen aus Ventimiglia und die Bildung neuer | |
Flüchtlingscamps zu vermeiden. | |
„Der Staat ist in der Illegalität, nicht ich“, plädierte Herrou darum vor | |
Gericht. Zu seinen Motiven sagt er, er habe spontan aus Humanität | |
gehandelt. „Ich bin kein Held, kein Politiker und auch kein Aktivist“, sagt | |
er von sich. | |
## An der Grenze häufen sich die Festnahmen | |
Am Anfang hatte er Flüchtlingen, die sich in sein Tal verirrt hatten, bloß | |
zu essen gegeben oder ihnen den Weg gewiesen. Er ist überzeugt, dass es | |
Unrecht wäre, diesen Menschen in Not die Hilfe zu verweigern. Darum | |
verspricht er auch, er bereue nichts und werde mit ähnlich gesinnten | |
Nachbarn weitermachen, solange das notwendig sei. Damit provoziert er die | |
Justiz und vor allem die konservativen Behörden der Region, denen diese | |
Bürger, die den Flüchtlingen aus mitmenschlicher Solidarität helfen, ein | |
Dorn im Auge sind. | |
Der fremdenfeindliche Druck ist in dieser Grenzregion mit der | |
Flüchtlingskrise noch gewachsen. An der Grenze zu Italien häufen sich darum | |
seit 2014 Festnahmen und Prozesse gegen einfache Bürger und Bürgerinnen, | |
die aus Mitgefühl eingereiste Flüchtlinge beherbergen oder ihnen beim | |
Grenzübertritt helfen. | |
Es gibt indes auch Leute, die aus der Not der Flüchtlinge Profit schlagen | |
und deshalb zu Recht belangt werden. Schockierend sind dagegen die | |
Versuche, die Solidarität in Form uneigennütziger Hilfe für Flüchtlinge zu | |
kriminalisieren. So wurde in Calais „Mummy Brigitte“ getadelt, weil sie | |
jeweils Dutzenden von Migranten aus dem (jetzt geräumten) „Dschungel“ mit | |
ihrer Steckdose die Handy-Batterien aufgeladen hatte. | |
10 Jan 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Fluechtlingsaktivisten-in-Suedfrankreich/!5357380 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
## TAGS | |
Flüchtlinge | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Humanitäre Hilfe | |
Migranten | |
Afrikanische Flüchtende | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Wandern | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Zivilgesellschaft | |
Schwerpunkt Rassemblement National | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Christine Lagarde | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Schwerpunkt Frankreich | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Urteil zur Flüchtlingshilfe in Frankreich: Solidarität ist keine Straftat | |
In Frankreich dürfen sich Helfer uneigennützig für Migranten ohne | |
Aufenthaltserlaubnis engagieren, so das Verfassungsgericht. | |
Wanderung bis zum Mittelmeer: Wir fühlen uns schlecht | |
Erst sind es nur Irritationen am Wegesrand, dann ist es Gewissheit: | |
unterwegs auf früheren Wanderrouten afrikanischer Flüchtlinge. | |
Prozess um Flüchtlingshilfe: Mildes Urteil für französischen Bauern | |
An der Grenze zwischen Italien und Frankreich fängt die französische | |
Polizei Migranten ab. Anwohner helfen den Flüchtendenden – und bekommen | |
deshalb selbst Ärger. | |
Debatte Links gegen Rechts: Was kann uns noch retten? | |
Viele Menschen hoffen auf die demokratische Zivilgesellschaft. Doch die | |
gibt es erst dann, wenn wir sie schaffen. | |
Front National in Frankreich: Kredit vom Herrn Papa | |
Marine Le Pen vom Front National braucht Geld für den | |
Präsidentschaftswahlkampf. Wie gut, wenn man einen Vater mit Geldreserven | |
hat. | |
Der Anschlag im französischen Nizza: Ein Laster als Waffe | |
Am Nationalfeiertag tötete ein Attentäter über 80 Menschen mit einem Lkw. | |
Die Tat war eine Wende in der Konfrontation mit dem IS-Terror. | |
Urteil gegen Christine Lagarde: Die willige Marionette | |
Sie wurde zwar schuldiggesprochen, aber eine Strafe muss sie nicht zahlen. | |
Und Christine Lagarde bleibt wohl auch weiterhin IWF-Chefin. | |
Kommentar Notstand in Frankreich: Überwachung jetzt aufgerüstet | |
Die Datenbank TES widerspricht allen französischen Traditionen. Und was der | |
einjährige Ausnahmezustand tatsächlich gebracht hat, ist unklar. | |
Flüchtlinge in Frankreich: Zeltlager in Paris wird geräumt | |
Nach der Räumung des Flüchtlingslagers von Calais ist die Lage in Paris in | |
den Fokus gerückt: Auch dort halten sich Tausende Menschen in einem | |
Elendslager auf. | |
Kommentar Asylpolitik in Frankreich: Billiges Abschreckungsmanöver | |
Um abzuschrecken, hat Frankreich Flüchtlingen bisher eine humane Aufnahme | |
verweigert. Die unmoralische Strategie hat ihre Wirkung verpasst. | |
Flüchtlinge in Frankreich: Vor der Eroberung von Stalingrad | |
Jeden Tag kommen neue Flüchtlinge ins Zeltlager an der Metrostation | |
Stalingrad in Paris. Die Behörden wollen noch diese Woche räumen. | |
Kommentar Flüchtlingscamp in Calais: Der „Dschungel“ muss weg | |
Lager in Calais wurden schon öfter geräumt. Gebracht hat das nie was. | |
Stattdessen sollte Frankreich die Flüchtenden über den Ärmelkanal lassen. | |
Proteste in Frankreich: Es lebe die „wahre“ Familie | |
Tausende ultrakonservative Unterstützer der Bewegung „Manif pour tous“ | |
demonstrieren in Paris wieder einmal gegen die Homo-Ehe. |