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# taz.de -- Kommentar Sicherheit nach Anschlägen: In der Dauerschleife
> Nach dem Terroranschlag von Berlin ist die Sicherheitsdebatte erneut
> entbrannt. Doch: Am Kern des Problems geht die Diskussion vorbei.
Bild: Alles immer sichererererer
Es war im August, als Thomas de Maizière Härte demonstrierte. In Würzburg
hatte gerade ein junger Islamist in einem Regionalzug Reisende mit einer
Axt attackiert, in Ansbach ein zweiter eine Rucksackbombe gezündet. Nun
stellte der CDU-Bundesinnenminister seinen Maßnahmenkatalog vor.
Mehr Sicherheitspersonal versprach de Maizière, mehr Videoüberwachung, neue
Technik zur Gesichtserkennung und für ausländische Gefährder Abschiebehaft
und Schnellverfahren. Niemand könne absolute Sicherheit garantieren, sagte
der Innenminister. „Aber das uns Mögliche müssen wir tun.“
Nun hat auch das nicht gereicht. In Berlin tötete der Islamist Anis Amri
mit einem Lkw 12 Menschen, verletzte 55, teils schwer. Bereits kurz nach
der Tat setzte auch die politische Debatte ein – und man wähnt sich
gefangen in einer Dauerschleife. Wieder werden die Forderungen gestellt,
die schon im Sommer im Raum standen. Diesmal indes gepaart mit dem
CSU-Klassiker einer Obergrenze oder dem Vorschlag, Bundesländer, die zu
wenig abschieben, finanzielle Strafen aufzulegen.
Es ist Reflexpolitik. Auf den ersten Blick verständliche. Das Problem nur:
Mit der Tat von Berlin haben viele der Forderungen längst nichts mehr zu
tun. Denn der Fall Anis Amri zeigt auch: Die Behörden hatten die nötigen
Instrumente – und machten anfangs vieles richtig. Sie erkannten, dass der
Tunesier mit falschen Papieren unterwegs war. Polizei und Verfassungsschutz
machten ihn als Gefährder aus, nahmen ihn unter Beobachtung. Und dennoch
verloren sie Amri aus dem Blick.
Hier müsste die Debatte ansetzen: Wie konnte ausgerechnet so jemand
verschwinden? Was kann getan werden, um Gefährder wie Amri im Visier zu
behalten? Warum erfuhren die Deutschen erst so spät, dass Amri bereits in
Italien und in Tunesien in Haft saß oder offene Haftbefehle hatte? Und
grundsätzlich: Wie können Leute wie der 24-Jährige von den Verlockungen der
Terroristen abgehalten werden?
## Die Organisation verbessern
Mit Obergrenzen oder Videoüberwachung sind auf diese Fragen keine Antworten
zu gewinnen. Wohl aber muss diskutiert werden, woran der Austausch der
Sicherheitsbehörden in Deutschland und Europa scheiterte. Hierzulande
existiert das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum, 40 Behörden sind dort
versammelt. Amri wurde dort mehrmals als gefährlich eingestuft – und
tauchte dennoch unter.
Braucht es tatsächlich mehr Personal? Oder muss nicht viel eher die
Organisation zwischen all den Diensten verbessert werden, wenn es mobile
Kriminelle wie Amri schaffen, dieses Geflecht zu unterlaufen? 7.500 neue
Stellen soll allein die Bundespolizei in den kommenden Jahren erhalten,
1.300 Stellen werden es beim BKA. Zahlen, mit denen es möglich sein sollte,
die rund 550 Gefährder in Deutschland im Blick zu behalten.
Und noch größer wird die Baustelle in Europa, wo selbst aus Sicht des
Innenministeriums zu viele Datensysteme nebeneinanderstehen, die ihre Daten
nicht vernetzen. Für Terrorwillige ist das ein willkommenes Schlupfloch –
das es schon länger zu schließen gilt.
Auffällig ruhig ist es dieser Tage auch in einem Feld: der Prävention. Rar
sind die Vorschläge, wie Radikalisierung schon im Keim bekämpft werden
kann. Wo wird auf Moscheen und Islamverbände zugegangen, um gemeinsam
Strategien zu erarbeiten? Wo sind die Ideen, wie die Gesellschaft ihren
Zusammenhalt stärken kann, um junge Männer gegen die IS-Propaganda zu
immunisieren?
All dies sind sperrige Fragen, aber sie sind wichtig. In der jetzigen
Debatte geht es den Vorpreschenden jedoch um anderes: um schnelle,
erneuerte Symbole der Härte. Gezielt wird damit vor allem auf die kommende
Bundestagswahl. Die Frage, wie Terrortaten künftig tatsächlich verhindert
werden können, gerät da schnell unter die Räder.
30 Dec 2016
## AUTOREN
Konrad Litschko
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Anschläge
Sicherheit
Polizei
Thomas de Maizière
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
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Extremismus
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