# taz.de -- Pläne zur Rentenreform: Basteln an der Zukunft | |
> Das Rentenniveau wird in Deutschland weiter sinken. Von einem Konzept | |
> dagegen ist die Große Koalition nach wie vor weit entfernt. | |
Bild: Na, reichts? Andrea Nahles will Kleinrenten aufstocken | |
Berlin taz | Wunder seien nicht zu erwarten bei ihrem Rentenkonzept, hat | |
Andrea Nahles (SPD) angekündigt. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die | |
Sozialministerin allenfalls an kleinen Stellschräubchen drehen wird. Zu | |
heikel sind die Gerechtigkeitsfragen. Und zu teuer. | |
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat eine der Gerechtigkeitsfragen so ausgedrückt: | |
„Ich will kein Deutschland, in dem jemand 40 oder 45 Jahre arbeiten geht | |
und am Ende seines Lebens nicht mal mehr Rente hat als jemand, der noch nie | |
gearbeitet hat.“ Der Abstand von Kleinrenten zur staatlich finanzierten | |
Grundsicherung, also „Hartz-IV“, wird in den kommenden Jahren immer | |
geringer werden. Denn das Verhältnis von Rente zu Löhnen wird laut dem | |
neuen Rentenversicherungsbericht bis 2030 um rund 7 Prozent fallen. | |
Deshalb hat Nahles angekündigt, einen Vorschlag zur automatischen | |
Aufstockung von Kleinrenten zu machen, um den Abstand zwischen den | |
bescheidenen Renten etwa von VerkäuferInnen und PflegehelferInnen zu | |
Hartz-IV-Empfängern wieder deutlich werden zu lassen. Die Aufstockung | |
könnten Zuschläge aus Steuermitteln sein, die man aber erst bekommt, wenn | |
man einige Jahrzehnte in die Rentenkasse eingezahlt hat. | |
Es gibt Vorläufer. Bis zum Jahre 1992 etwa gab es eine Rente nach | |
Mindestentgeltpunkten für Beschäftigte, meist Frauen, die mindestens 35 | |
Jahre in die Kasse eingezahlt hatten. Zuletzt hatte die damalige | |
Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgeschlagen, eine | |
Zuschussrente einzuführen. | |
Doch eine solche Aufstockung könnte neue gefühlte Ungerechtigkeiten | |
produzieren, etwa wenn TeilzeitarbeiterInnen mit der Aufstockung das | |
gleiche Altersgeld bekämen wie VollzeitarbeiterInnen. Auch Ehefrauen, die | |
wenig gearbeitet haben, könnten von der Ergänzung profitieren, selbst wenn | |
das Paareinkommen im Alter hoch ist. Die steuerliche Aufstockung von | |
Kleinrenten „hat hohes Verhetzungspotenzial“, seufzt ein | |
SPD-Sozialpolitiker. | |
Einen kleinen Schritt zur Verbesserung von Minirenten hat Nahles bereits | |
gemacht: Wer eine Betriebs- oder Riesterrente abschließt, soll einen | |
bestimmten Teil davon im Alter behalten dürfen – auch wenn er oder sie | |
ergänzende Grundsicherung beantragen muss. Nur: GeringverdienerInnen im | |
Verkauf, in der Pflege oder in der Zeitarbeit haben zu wenig Geld, um etwas | |
zurückzulegen, und schließen keine Riester-Renten ab. | |
Zudem geht es in der Rentendebatte um Erwerbsgeminderte. „Das muss absolute | |
Prioriät haben“, so der Vorsitzende der Christlich Demokratischen | |
Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann. „Wer krank ist und nicht mehr | |
arbeiten kann, darf nicht in die Armut rutschen.“ Die CDA fordert, das | |
fiktive Renteneintrittsalter für Erwerbsgeminderte von 62 auf 65 zu | |
erhöhen, also die Rentenanwartschaften zu steigern. Das wünschen sich auch | |
SPD-PolitikerInnen. Jeder fünfte Neurentner geht mit der | |
Erwerbsminderungsrente und hohen Abschlägen in den vorzeitigen Ruhestand, | |
manche Dauerkranke rutschen so in die Grundsicherung. | |
Nahles prüft die Kosten, denn die Erhöhungen der Erwerbsminderungsrenten | |
stehen in Konkurrenz zur weiteren Erhöhung der Mütterrenten, wie sie die | |
CSU fordert, und zur Angleichung der Ost-West-Renten. Die Angleichung der | |
DDR-Renten an die der BRD ist kompliziert: Bislang fahren viele | |
Beschäftigte und Ruheständler im Osten mit dem aktuellen System gar nicht | |
so schlecht, weil die Beitragszeiten höher gewertet werden als im Westen. | |
Dies müsste wegfallen, wenn der Rentenwert, ein Faktor in der Rentenformel, | |
an den Westen angeglichen wird. | |
Die wichtigste Gerechtigkeitsfrage aber liegt in weiter Zukunft: Die Schere | |
zwischen Einzahlung und zu erwartendem Rentenniveau wird in 30 Jahren immer | |
weiter aufgehen. Das Rentenniveau könnte dann von derzeit rund 48 Prozent | |
auf 41,6 Prozent im Jahre 2045 absinken – bei steigenden Beiträgen. Die | |
Rente wird damit zu einem schlechten Deal für die Jüngeren: Wer später dran | |
ist, hat das Nachsehen. | |
Nahles wollte für die fernere Zukunft eine „doppelte Haltelinie“ für das | |
Rentenniveau einerseits und die Beiträge andererseits festlegen. Doch wie | |
soll das finanziert werden? Jeder Prozentpunkt, um den man das Rentenniveau | |
stabilisieren will, kostet rund 6 Milliarden Euro. Und das | |
Renteneintrittsalter anheben entsprechend der Lebenserwartung, auch eine | |
Sparmöglichkeit – so etwas will Nahles auf keinen Fall. Zuletzt hieß es, | |
eine Kommission soll die Haltelinie ermitteln, die könne sich aber etwas | |
Zeit lassen. Bis zum Jahre 2018. Dann ist der Wahlkampf erst mal vorbei. | |
Bis zur nächsten Rentendebatte. | |
23 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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