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# taz.de -- Arbeiten im Rentenalter: Bewachen, verkaufen, beraten
> Mit der Flexirente könnte das Modell „Rente plus Teilzeitjob“ populärer
> werden. Doch es kann nicht über Rentenkürzungen hinwegtäuschen.
Bild: Wieder jobben? Zuhörer bei Flexirentendebatte im Bundestag
Berlin taz | Von heute auf morgen in die Rente – das soll für viele Ältere
bald nicht mehr gelten. Am Freitag beschloss der Bundesrat das Gesetz zur
sogenannten Flexirente. Wer künftig vor Erreichen der Regelaltersgrenze in
den Ruhestand gehen will, kann leichter als bisher mit einem Teilzeitjob
sein Einkommen aufbessern. Außerdem soll das Arbeiten jenseits des
Rentenalters attraktiver werden.
Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
Peter Weiß (CDU), lobte die „Gestaltungsfreiheit“, die das Gesetz
ermögliche. Die Neuregelung ist aber auch eine Anpassung an die hohen und
steigenden Rentenabschläge, die Arbeitnehmer heute und in Zukunft in Kauf
nehmen müssen, wenn sie vorzeitig in Rente gehen. Auch deswegen soll die
Kombination „Rente plus Hinzuverdienst“ attraktiver werden.
Wer im Alter von 63 Jahren vorzeitig in die Rente wechselt, darf bisher nur
einen Minijob bis zur Höhe eines Jahreseinkommens von 6.300 Euro ausüben,
ohne dass der Zuverdienst auf die Rente angerechnet wird. Was darüber
hinausgeht, führt zu empfindlichen abgestuften Rentenkürzungen.
Mit dem neuen Gesetz soll die Grenze bei 6.300 Euro bleiben. Ein höherer
Zuverdienst wird aber ab Juli 2017 nur noch zu 40 Prozent mit der Rente
verrechnet. Unterm Strich bleibt damit den meisten arbeitenden vorzeitigen
Rentnern mehr in der Kasse.
Die Frage ist, ob viele RentnerInnen von der neuen Flexirente Gebrauch
machen werden. Denn sie erfordert, dass man mindestens bis zum 63.
Lebensjahr gearbeitet haben muss und außerdem einen Teilzeitjob findet, den
man noch ausüben kann. Die Regelungen zur Flexirente werden „an der
Lebenswirklichkeit der Beschäftigten kaum etwas ändern“, meint der
rentenpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth.
Die Regelung sei „zuwenig, um die Phase zwischen durchschnittlichem
Erwerbsaustritt und Regelaltersgrenze entscheidend zu verkleinern“, so
Kurth. Die Koalition hätte sich eher auf die Menschen konzentrieren müssen,
die „aus gesundheitlichen Gründen die größten Probleme haben, die
Regelaltersgrenze zu erreichen“.
## Ungleiche Chancen auf Arbeit im Alter
Das neue Anrechnungsverfahren gilt nur bis zum Erreichen der
Regelaltersgrenze von 65, 66 oder künftig 67 Jahren. Mit Erreichen dieser
Grenze darf man wie bisher schon neben der Rente soviel hinzuverdienen, wie
man will. Wer jenseits dieser Altersgrenze einen Job hat, kann künftig
allerdings freiwillig Rentenbeiträge einzahlen, um damit das Ruhegeld zu
erhöhen.
Länger Arbeiten soll gegen Sozialkürzungen helfen – die Chancen auf eine
Erwerbstätigkeit im Alter sind allerdings ungleich verteilt, wie frühere
Forschungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ergaben.
Akademiker oder Leute mit Meisterprüfung sind häufiger jenseits des
65.Lebensjahres erwerbstätig als Menschen ohne berufliche Qualifikation.
Selbständige arbeiten überdurchschnittlich oft jenseits der Altersgrenze,
vor allem als Wirtschaftsprüfer, Ärzte, Händler oder Makler.
ArbeitnehmerInnen hingegen jobben in späteren Jahren meist als
Reinigungskräfte, Wachleute, Verkäufer, Bürokräfte oder Taxifahrer, viele
davon als Minijobber.
Die Konstruktion, neben einer kleineren Abschlagsrente einen Minijob
auszuüben, um das monatliche Einkommen aufzubessern, führt allerdings
leicht zur Augenwischerei. Wird der Minijob nämlich nach ein paar Jahren
aufgegeben, bleibt fast nur noch die Abschlagsrente als Einkommen erhalten
– und zwar ein Leben lang. Matthias Birkwald von der Linkspartei rügte am
Freitag, die Flexirente sei kein Mittel gegen die Altersarmut.
21 Oct 2016
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Rente
Arbeit
Flexirente
Rente
Rente
Altersarmut
Bulgarien
Andrea Nahles
Rente
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