# taz.de -- Bauer aus Peru verklagt RWE: Señor Luciano kämpft um sein Haus | |
> Ist ein einzelner Konzern für ein kollektives Problem haftbar? Ein | |
> peruanischer Kleinbauer klagt mit Hilfe von Germanwatch gegen die | |
> deutsche RWE. | |
Bild: Klage gegen RWE: Saúl Luciano möchte nicht überflutet werden | |
ESSEN taz | Ist der deutsche Kraftwerksbetreiber RWE rechtlich | |
mitverantwortlich für das Gletscherschmelzen in Peru? Mit dieser diffizilen | |
Frage hat sich an diesem Donnerstag das Landgericht Essen beschäftigt. Eine | |
erste Entscheidung wird am 15. Dezember verkündet. | |
Saúl Luciano ist Bergführer und Kleinbauer in der Nähe der peruanischen | |
Stadt Huaraz. Das Schmelzen der Gletscher in den nahe gelegenen Bergen | |
führt er auf den Klimawandel zurück. Luciano fürchtet, dass gewaltige | |
Gletscherteile abbrechen und in den oberhalb der Stadt liegenden | |
Palcacocha-See fallen. Der See könnte die Staumauer überfluten oder | |
durchbrechen; die Sturzflut könnte in dem Tal, in dem auch Lucianos Haus | |
steht, tausende Opfer fordern. | |
Mithilfe der Entwicklungsorganisation Germanwatch hat Luciano den | |
Energieversorger RWE verklagt, weil er der größte europäische CO2-Emittent | |
ist. Weltweit ist RWE für rund 0,5 Prozent des CO2-Ausstoßes | |
verantwortlich, so Lucianos Anwältin Roda Verheyen. RWE solle sich | |
entsprechend seinem Anteil an der Finanzierung von Schutzmaßnahmen in Peru | |
beteiligen. Mindestens 17.000 Euro solle RWE an die örtlichen Kommunen | |
zahlen. Anwältin Verheyen stützt sich auf das deutsche Bürgerliche | |
Gesetzbuch – Luciano könne verlangen, dass RWE die Störung seines Eigentums | |
unterlasse. | |
RWE-Anwalt Herbert Posser bestritt, dass die Emissionen der Kohlekraftwerke | |
für das „behauptete Gletscherschmelzen“ kausal seien. „Wenn man die | |
RWE-Emissionen wegdenkt, wäre die behauptete Gefahr immer noch da“, sagte | |
er. Neben RWE seien nicht nur viele andere Unternehmen am Klimawandel | |
beteiligt, sondern auch die Landwirtschaft, die Abholzung der Regenwälder | |
trage ebenso dazu bei. Dass es keine Verantwortung einzelner Unternehmen | |
für das Waldsterben gebe, habe der Bundesgerichtshof schon 1987 | |
entschieden. | |
## Schutzlos weggespült | |
Verheyen hält die Kausalitätsfrage für ungeklärt. In der Rechtswissenschaft | |
werde ein Modell der „kumulativen Kausalität“ vertreten, wenn viele | |
unwesentliche Beiträge zusammen doch eine wesentliche Wirkung erzeugen. Das | |
alte BGH-Urteil hält sie für irrelevant, das Waldsterben sei mit dem | |
Klimawandel nicht vergleichbar. Unter Berufung auf den Klimaforscher Mojib | |
Latif sagte sie: „Die Temperaturerhöhung kann durchaus auf einzelne | |
Großemittenten zurückgeführt werden.“ Faktisch seien die RWE-Emissionen | |
daher auch kausal für das Gletscherschmelzen in Peru. Die Konsequenz der | |
RWE-Position sei, dass Luciano schutzlos warten müsse, dass er weggespült | |
werde. | |
Das wollte der RWE-Anwalt aber nicht auf sich sitzen lassen. „RWE ist das | |
Schicksal des Klägers nicht egal“, sagte er. Das Zivilrecht sei aber nicht | |
der richtige Weg zur Lösung des Problems. „Sonst könnte jeder jeden | |
verklagen, weil wir alle zum Klimawandel beitragen und alle betroffen | |
sind“, so der Anwalt. Hier müsse der Gesetzgeber tätig werden, etwa in Form | |
internationaler Abkommen. Auch der peruanische Staat habe eine | |
Schutzpflicht für seine Bürger. | |
Saúl Luciano war selbst nach Essen gekommen, ergriff aber nicht das Wort. | |
Seine Klage hat grundsätzliche Bedeutung. Noch nie hat eine Einzelperson | |
gegen einen Verantwortlichen des Klimawandels geklagt. | |
„Wir sind noch ganz offen“, sagte der vorsitzende Richter Klaus Werner | |
Krüger zu Beginn der Verhandlung. Am 15. Dezember verkündet er, ob die | |
Klage bereits aus rechtlichen Gründen abgewiesen wird. Wenn das Gericht RWE | |
jedoch als möglichen Störer einstuft, würde es die Beweiserhebung eröffnen. | |
Das wäre ein großer Erfolg für Saúl Luciano und Roda Verheyen. | |
24 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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