| # taz.de -- Kommentar zum RWE-Urteil: Arbeitsverweigerung in Essen | |
| > Ein peruanischer Bauer verklagt RWE wegen des Klimawandels – und | |
| > scheitert. Das Gericht verpasst es, zur globalen Gerechtigkeit | |
| > beizutragen. | |
| Bild: Gletscherteile vor Argentinien: Der Klimawandel trifft bislang vor allem … | |
| Rechtsgeschichte wollte das Landgericht Essen offenbar nicht schreiben – | |
| und wies die international beachtete [1][Zivilklage des peruanischen | |
| Bergbauern Saúl Luciano Lliuya gegen den RWE-Konzern] kurzerhand als | |
| unzulässig ab. In dem Präzedenzverfahren verlangte der 36-jährige Lliuya | |
| von dem Essener Braunkohlegiganten, sich an den Sanierungskosten für einen | |
| Damm an der Lagune Palcacocha zu beteiligen. Diese nimmt in 4.500 Metern | |
| Höhe das Schmelzwasser eines abfließenden Andengletschers auf. | |
| Durch die Erderwärmung schmilzt das vermeintlich ewige Eis auf den Bergen | |
| rasant, und der Wasserpegel in der Lagune steigt immer weiter an. Ohne | |
| Sanierung wird der Damm eines Tages brechen und eine riesige Flutwelle auf | |
| das genau unterhalb gelegene Huaraz, die Heimatstadt des Klägers, | |
| niederstürzen. | |
| Unter dieser ständigen Bedrohung müssen in Huaraz mit Lliuya und seiner | |
| Familie noch 120.000 andere Menschen leben. Mit der Abweisung aus | |
| Rechtsgründen hat das Essener Landgericht eine wichtige Gelegenheit | |
| verspielt, auf dem langen Weg zu globaler Klima- und | |
| Ressourcengerechtigkeit ein paar Hindernisse beiseite zu räumen. Dabei ist | |
| es gerade der Zweck von Gerichtsverfahren, unterschiedliche, mitunter | |
| gegenläufige Interessen in einem fairen Prozess auszugleichen. | |
| In einer lebendigen Welt steht die Rechtsprechung täglich vor dieser | |
| Aufgabe und muss dafür altbewährte Grundsätze auf neue Konfliktsituationen | |
| übertragen. Es obliegt der Justiz, so auf diese ihre Weise zu sozialem | |
| Frieden beizutragen. | |
| Dies muss heute auch international gelten, denn der Klimawandel schert sich | |
| nicht um die Geltungsbereiche von Rechtsordnungen. Er ist ein, im | |
| tragischen Wortsinn, weltumspannendes Problem. Seine Auswirkungen zeigen | |
| sich bislang vor allem im globalen Süden, doch verursacht hat ihn der | |
| Norden. Allein RWE stößt mit seinen 30 fossilen Kraftwerksblöcken in | |
| Deutschland jährlich knapp 250.000.000 Tonnen CO2 aus, fünfmal mehr als | |
| ganz Peru mit Verkehr, Elektrizitäts- und Wärmeproduktion zusammen. Im Jahr | |
| 2014 emittierte Deutschland pro Einwohner 9 Tonnen CO2, in Peru waren es | |
| 1,5 Tonnen. | |
| So bleibt eine grundsätzliche Frage unserer Zeit weiterhin unbeantwortet: | |
| Mit welchem Recht genehmigen Regierungen in Deutschland Kraftwerke und | |
| Industrieanlagen, deren Emissionen das Leben und das Eigentum von Menschen | |
| auch in anderen Ländern beeinträchtigen? Ein deutscher Gesellschaftsvertrag | |
| reicht ganz sicher nicht bis Huaraz. | |
| Das Essener Landgericht hätte sich der schwierigen Fragen annehmen, | |
| Argumente und Tatsachen hören und bewerten, erste Lösungsansätze entwickeln | |
| müssen. Doch dem war die Kammer offenbar nicht gewachsen und verweigerte | |
| die Befassung. Hoffentlich entscheidet die nächste Instanz anders. Die Zeit | |
| drängt. | |
| 15 Dec 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Philipp Schulte | |
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