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# taz.de -- Niqab in der Schule: Verboten, aber geduldet
> Eine 16-Jährige kommt vollverschleiert zum Unterricht. Das verstößt zwar
> gegen das Gesetz, wird aber geduldet, damit die Schülerin ihren Abschluss
> machen kann
Bild: Reicht dieser Ausschnitt zur Kommunikation? Nein, findet das niedersächs…
Hamburg taz | Eine 16-Jährige Schülerin im Niedersächsischen Belm darf
verschleiert in den Unterricht kommen, obwohl sie damit gegen das
niedersächsische Schulgesetz verstößt. Das hat am Freitag der
Kultusausschuss des Landtags entschieden. „Es handelt sich um einen
besonders gelagerten Einzelfall“, sagte der Sprecher des Kultusministeriums
Sebastian Schumacher.
Von Seiten der Schule sei mehrfach versucht worden, die Schülerin zu
überreden, den Niqab abzulegen – allerdings ohne Erfolg. So habe die Schule
die Entscheidung toleriert, um der Zehntklässlerin den Schulabschluss zu
ermöglichen, den sie voraussichtlich diesen Sommer machen wird. Schließlich
sei es durch ihre Verschleierung zu keiner Störung des Schulfriedens
gekommen.
In der siebten Klasse war das Mädchen, das nach Angaben der Hannoverschen
Allgemeinen Zeitung der sunnitischen Rechtsschule der Hanafiten anhängt,
plötzlich mit Kopftuch zum Unterricht erschienen. Noch im gleichen
Schuljahr ging sie zur Ganzkörperverschleierung über.
Die aber ist nicht mit dem niedersächsischen Schulgesetz vereinbar und
verstößt nach Auffassung der Kultusministeriums auch gegen die
niedersächsische Landesverfassung und das Grundgesetz. „Die Schule ist
durch die Vollverschleierung nicht mehr in der Lage, den staatlichen
Bildungsauftrag zu erfüllen“, sagt Schumacher.
SchülerInnen seien durch die allgemeine Schulpflicht eben nicht nur zur
physischen Anwesenheit gezwungen, sondern auch gehalten, sich aktiv am
Unterricht und am Schulleben zu beteiligen. Eine vollverschleierte
Schülerin entziehe sich aber der Teilnahme am Unterrichtsgespräch. Die
Kommunikation in der Klasse werde gestört, weil diese niemals
ausschließlich verbal, sondern auch immer körpersprachlich erfolge.
Lehrerinnen und Lehrer könnten ihrem Bildungsauftrag nur nachkommen, wenn
sie die Mimik und Gestik der Schüler erkennen – andernfalls könnten sie
nicht wissen, ob die SchülerInnen folgen könnten, Fragen hätten oder
abweichender Meinung seien.
Außerdem sind die SchülerInnen verpflichtet, alles zu unterlassen, was den
Schulbetrieb oder den Unterricht stören könnte. „Der Gesichtsschleier
stellt ein objektives Unterrichtshindernis dar, sodass die Schule ihrem
Bildungsauftrag nicht entsprechen kann“, meint Schumacher. Seiner
Auffassung nach ließe sich daher auch ein Vollverschleierungsverbot an
Schulen begründen. Bisher taucht im Schulgesetz keine Passage über
irgendeine Kleiderordnung auf: Jede kann tragen, was sie oder er will.
Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete, hatte auch die
Staatssekretärin Erika Huxhold im Kultusausschuss eingeräumt, dass die
Vollverschleierung sich nicht mit der Schulpflicht vertrage. Allerdings
gebe es auch kaum Sanktionsmöglichkeiten, solange der Schulfrieden durch
das Tragen des Niqabs nicht gestört sei.
Sanktionsmöglichkeiten gebe es schon, sagte Schumacher und nannte
beispielsweise den Ausschluss vom Unterricht, die Überweisung in eine
Parallelklasse bis hin zur Verweisung von der Schule oder sogar von allen
Schulen. Aber das Ministeriums kam zu der Auffassung: „All dies sind
Maßnahmen, die den Integrationsprozess nicht unterstützen und daher für
diesen Fall nicht als zielführend erachtet werden.“
CDU-Fraktionschef Björn Thümler kritisierte die Entscheidung des
Ausschusses. „Das Bild, das die Landesregierung mit dieser Entscheidung
abgibt, ist das eines schwachen Staates“, sagt Thümler. Er wirft der
rot-grünen Landesregierung vor, schulterzuckend hinzunehmen, dass hier seit
drei Jahren gegen geltendes Recht verstoßen werde.
Ganz so einfach ist es aber nicht: Wie die Sprecherin der
Landesschulbehörden Bianca Schöneich erklärte, kollidieren in diesem Fall
zwei Grundrechte: Bildungsauftrag versus Religionsfreiheit. Man sei in
engem Kontakt mit der Schülerin und versuche weiterhin, in Gesprächen auf
sie einzuwirken.
7 Nov 2016
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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