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# taz.de -- Burkaverbot im europäischen Vergleich: Wahlkampfschlager der Popul…
> Viele Länder haben in den vergangenen Jahren das Tragen des
> Ganzkörperschleiers verboten. Damit folgen sie den Rufen von rechts
> außen.
Bild: Wer Burka sagt, meint zumeist den Niqab
Berlin taz | Der Ruf nach einem „Burka-Verbot“ gehört zu den
Wahlkampfschlagern europäischer rechter Parteien, ob sie nun Front
National, Schweizer Volkspartei, Ukip, AfD oder Vlaams Belang heißen. Nicht
umsonst bilden diese auf ihren Plakaten gern vollverschleierte Frauen ab,
die sie zum Symbol für die angebliche „Islamisierung“ Europas stilisieren.
Mit ihrer Angstmache haben sie Erfolg: Viele Länder haben in den
vergangenen Jahren das Tragen des Ganzkörperschleiers verboten. Das
„Burka-Verbot“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie es Rechtspopulisten mit
konstantem Druck gelingt, andere Parteien und ganze Regierungen auf ihre
Linie zu bringen.
Frankreich und Belgien waren die ersten europäischen Länder, in denen
bereits vor über fünf Jahren solche Verbote erlassen wurden – in beiden
Fällen mit breiter parlamentarischer Mehrheit. Dem Vlaams-Belang-Chef Filip
Dewinter reichte das dennoch nicht: Er lobte 250 Euro Belohnung für jeden
aus, der eine Burka-Trägerin bei der Polizei anzeige.
Die Niederlande zogen nach mehreren Anläufen 2015 nach. Dort sind
Ganzkörperschleier seither in Schulen, öffentlichen Verkehrsmitteln,
Krankenhäusern und Behörden untersagt. Bei Verstößen drohen Geldbußen von
bis zu 405 Euro. Auch die Polizei darf zum Zwecke der
Identitätsfeststellung verlangen, dass der Schleier abgelegt wird. Wie in
Belgien tragen in den Niederlanden höchstens 400 Frauen einen Niqab, das
Verbot hat also eher symbolischen Charakter.
## Tragen den Schleier freiwillig
Tatsächlich zielen all diese Verbote auf Ganzkörperschleier wie den Niqab,
der nur einen Sehschlitz freilässt – und nicht auf die Burka, die das ganze
Gesicht verhüllt, eine afghanische Spezialität ist und im Straßenbild
Europas nicht anzutreffen ist. Aus Studien der Open Society Foundation zu
Niqab-Trägerinnen in Frankreich und Großbritannien geht hervor, dass alle
untersuchten Frauen den Ganzkörperschleier aus freien Stücken trugen. Doch
erst das Wort Burka erzeugt den nötigen Grusel, weil es an die
Frauenunterdrückung der Taliban erinnert.
In Italien gibt es bereits ein Gesetz, das jede Vermummung im öffentlichen
Raum untersagt: ein eigenes „Burka-Verbot“, wie von der Lega Nord
gefordert, erübrigte sich deswegen bisher. Dänemark dagegen, das einige der
striktesten Ausländer- und Asylgesetze des Kontinents besitzt, kennt
bislang kein „Burka-Verbot“. Nach einer von der Dänischen Volkspartei
angefeuerten Debatte hatte die Regierung 2010 eine Untersuchung in Auftrag
gegeben, die ergab, dass nur 200 Frauen im ganzen Land eine solche
Totalverhüllung tragen, ein Drittel davon waren Konvertitinnen. Die
Regierung gab daraufhin ihre Verbotspläne auf. Wer einen Schleier trägt,
soll aber nicht zu Prüfungen oder bestimmten Jobs zugelassen werden.
Als vorerst letztes europäisches Land hat Lettland im Januar 2016
beschlossen, das Tragen von Ganzkörperschleiern per Gesetz zu verbieten, in
Umfragen sprachen sich zwei Drittel der Bevölkerung dafür aus. Im gesamten
Baltikum war im Zuge der Flüchtlingskrise eine Burka-Debatte entbrannt.
Bevor die ersten Flüchtlinge ankämen, sollte die Frage der Verschleierung
geregelt werden, hieß es in Estland, Lettland und Litauen.
## 100 Franken Strafe zahlen
Als nächstes Land wird vermutlich die Schweiz den Ganzkörperschleier
verbieten. Als erster Schweizer Kanton hat das italienischsprachige Tessin
nach einem entsprechenden Volksentscheid ein „Burka-Verbot“ erlassen, das
am 1. Juli 2016 in Kraft trat. Eine Touristin aus Kuwait musste als erste
deshalb 100 Franken Strafe zahlen. Tessin war der Testballon für ein
Referendum über ein landesweites Verbot, für das SVP-nahe Kreise derzeit
Unterschriften sammeln. 30.000 sollen sie bereits zusammenhaben.
Mit den Burka-Debatten hat die Zahl der verbalen und sogar physischen
Angriffe auf verschleierte Frauen zugenommen – auch das geht aus den
Studien der Open Society hervor. Viele der betroffenen Frauen ziehen es
deshalb vor, zu Hause zu bleiben, soweit es geht.
Die Zahl der Frauen, die sich in Frankreich verschleiern, hat trotz Verbot
nicht abgenommen, es sollen rund 2.000 sein. Und der französische
Geschäftsmann Rachid Nekkaz hat sich einen Sport daraus gemacht, von einem
Bußgeld betroffenen Frauen die Strafe zu begleichen. Er soll bereits in
rund 1.000 Fällen eingesprungen sein.
17 Aug 2016
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Daniel Bax
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