# taz.de -- Kommentar Union und Sicherheit: Das 27-Punkte-Placebo | |
> In der Sicherheitsfrage tut die Union, was sie tun muss. Man mag das | |
> ablehnen. Aber will man die Bauchgefühle wirklich der AfD überlassen? | |
Bild: Ein Burka-Verbot wird Terror nicht verhindern – das weiß auch die CDU | |
Rechtsstaat. Respekt. Aufklärung. Wer kann dazu schon Nein sagen? Der in | |
dieser Woche an die Medien durchgesteckte Entwurf des mit „Berliner | |
Erklärung“ überschriebenen Forderungskatalogs der Unions-Innenminister | |
enthält eine Menge bedenkenswerter Punkte. Im Prolog. Auch wenn die Absicht | |
hinter dem Papier – der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel mal | |
nachdrücklich zu verklickern, wohin die Reise in Wahlkampfzeiten gefälligst | |
zu gehen habe –, auch wenn also diese Absicht komplett durchsichtig ist: Zu | |
verstehen ist sie sehr wohl. | |
Man mag aus gut geölten linken Reflexen heraus den Angriff auf Bürgerrechte | |
anprangern. Burkaverbot, Doppelpass abschaffen, Videoüberwachung – keine | |
dieser Maßnahmen könnte den Terror verhindern. Jeder weiß das. Die CDU- und | |
CSU-Politiker wissen es auch. | |
Aber die Union tut nur, was sie tun muss. Sie unternimmt den Versuch, die | |
Leute bei ihren Ängsten abzuholen. Ihre Partei also innenpolitisch von | |
links der Mitte nach rechts der Mitte zu verfrachten. Dorthin also, wo sich | |
die rechten Populisten – und neuerdings auch Linke – tummeln. Es ist der | |
Wille zur Wählerpflege. Und eine Kampfansage an Angela Merkel. | |
Die Idee dahinter ist ganz einfach: Warum nicht die AfD mit ihren eigenen | |
Argumenten erdrücken? Warum den Petrys und Gaulands das Feld überlassen? | |
Könnte man nicht deren ständiges Nein durch konkrete Handlungsvorschläge | |
ersetzen? Immerhin führt doch die Union die Regierung in diesem Land, sie | |
ist politisch voll handlungsfähig. Warum also soll man nicht versuchen, den | |
Wähler mit einem Maßnahmenkatalog davon zu überzeugen, dass er auch bei der | |
nächsten Wahl sein Kreuzchen bei der Union macht? | |
## Eine Mixtur aus Ressentiment und Strafe | |
Nicht von ungefähr hat die AfD gleich nach Bekanntwerden des Papiers | |
erklärt, viele der Vorschläge in dem Papier läsen sich wie aus ihrem | |
Programm abgeschrieben. Noch vor Kurzem hätten Unionspolitiker mit dem | |
Finger auf die AfD gezeigt und ihr Populismus unterstellt. „Dieses | |
durchsichtige Manöver ist jedoch der eigentliche Populismus.“ | |
Diese Reaktion zeigt deutlich, wie richtig die Unions-Innenminister mit | |
ihrem Vorstoß liegen: Sie holen die Leute bei ihren Ängsten ab. Als Medizin | |
halten sie eine übel riechende Mixtur bereit, gemischt aus Ressentiment, | |
Misstrauen, Kontrollwahn und Strafe. | |
Liest man sich das 27-Punkte-Placebo einmal durch, wimmelt es nur so vor | |
teuren, vermeintlich sinnvollen Forderungen. Wer den Verfassungsschutz auf | |
14-jährige Kinder ansetzen will, wer Hassprediger ausschließlich unter | |
„Nicht-Deutschen“ vermutet, wer einen EU-Kommissar für „irreguläre | |
Migration, Schleusungskriminalität, Rückführung“ fordert, der glaubt | |
offenbar tatsächlich an einen Staat, der Katastrophen einfach rundheraus | |
verbieten könnte. Es ist eine Haltung, die so ähnlich auch in der obersten | |
Führungsriege der verblichenen DDR zu finden war. | |
Was fehlt in diesem Unions-Papier, sind Vorschläge, wie diese Gesellschaft | |
langfristig mit all der Gewalt, dem Hass und dem religiösen Fanatismus | |
umgehen könnte. Denn natürlich wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger, | |
dass dieser Staat sie schützt. Die Sehnsucht ist groß nach einer Figur, | |
einer Macht, einer einfachen Lösung – nach etwas, das den Eindruck | |
vermittelte, komplexe Angelegenheiten regeln zu können, ohne dass das | |
eigene Leben irgendwie beeinträchtigt würde. | |
## Die Union hat keine Zeit mehr | |
Dass es so eine Lösung oder Antwort nicht gibt, wollen viele nicht glauben. | |
Eine Ursache dafür ist die debattenfreie Geräuschlosigkeit, mit der in | |
diesem Land noch bis vor einem Jahr regiert wurde. Eine andere, dass | |
eigentlich jeder weiß, was tatsächlich helfen könnte: Kommunikation und | |
Integration, Geld und Zeit. Aber Zeit hat die Union nicht mehr, seit ihre | |
Parteigänger lieber Protest statt Realpolitik wählen. | |
Mit der „Berliner Erklärung“ zeigen ihre Vertreter, wohin es sie treibt. | |
Nach rechts. | |
12 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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