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# taz.de -- Flucht in den Wahlkampf: Innenministerium unter Verdacht
> Hat Niedersachsen Leistungsmissbrauch durch Asylbewerber gedeckt? CDU und
> FDP glauben, einem Skandal auf der Spur zu sein.
Bild: Flüchtlinge vor der Landesaufnahmebehörde: Bis zu drei Promille könnte…
Vorwürfe, nach denen die Leitung der Landesaufnahmebehörde (LAB) für
Zuwanderer in Braunschweig gezielt Hinweise auf Leistungsmissbrauch durch
Asylbewerber unterdrückt haben soll, versetzen die niedersächsische
Landtagsopposition in Hannover in Alarm. „Einiges“ deute darauf hin, „dass
wir es mit einem handfesten Skandal zu tun haben, der das Vertrauen der
Bürger in den Rechtsstaat massiv erschüttert“, meint die stellvertretende
Vorsitzende der CDU-Fraktion, Editha Lorberg.
Schnellstmöglich geklärt werden müsse, wann SPD-Innenminister Boris
Pistorius, dessen Staatssekretär Stephan Manke und deren Mitarbeiter von
den Vorwürfen gewusst hätten, fordert auch FDP-Fraktionsvize Jörg Bode –
und ob es gar eine „Anweisung von oben“ gab, den Missbrauch zu
verschleiern. Die Aufnahmebehörde ist dem Innenministerium unterstellt.
Im NDR hatte eine ehemalige LAB-Mitarbeiterin zuvor schwere Vorwürfe gegen
die Braunschweiger Behördenleitung erhoben: Zusammen mit einer Kollegin,
die über ein „fotografisches Gedächtnis“ verfüge, sei ihr 2016 aufgefall…
dass manche Asylsuchende Leistungen wie Taschengeld unter verschiedenen
Identitäten beantragt hätten.
Mögliche Missbrauchsfälle habe sie in „sieben oder acht“ Aktenordnern
festgehalten. Ihre Vorgesetzten hätten daran aber kein Interesse gezeigt.
Stattdessen sei sie angewiesen worden, die Akten „in den Keller“ zu
bringen. „Man würde sie nicht vernichten, aber man würde auch nichts damit
tun“, zitiert der Sender die Frau.
Die Mitarbeiterin, deren befristeter Vertrag nicht verlängert wurde, wandte
sich an die Braunschweiger Polizei. Deren „Sonderkommission Zentrale
Ermittlungen“ geht von bis zu 300 Asylbewerbern aus, die sich im Schnitt
drei bis vier Identitäten zugelegt haben sollen – und schätzt den Schaden
auf drei bis fünf Millionen Euro.
Möglich wurde dies offenbar durch Überlastung der Behörde: 2015 erreichten
mehr als 100.000 Asylsuchende Niedersachsen. Ihre Identität wurde nicht wie
heute per Fingerabdruck zweifelsfrei festgehalten – stattdessen wurden sie
mit kleinen Digitalkameras fotografiert.
Ein Sprecher des Innenministers Pistorius versicherte, die Aufklärung von
Mehrfachidentitäten und von möglichem Betrug sei ein zentrales Anliegen für
das Ministerium. Die Vorwürfe der ehemaligen Mitarbeiterin der
Aufnahmebehörde seien seit Dezember im Wesentlichen bekannt und würden „mit
höchster Priorität und rückhaltlos aufgeklärt“.
Der Opposition reicht das nicht. „Der Dimension der Vorwürfe unangemessen“
sei die Reaktion des Pistorius-Sprechers, erklärte CDU-Fraktionsvize
Lorberg – der Minister müsse den Fall zur Chefsache machen. Spätestens bei
der am Freitag anstehenden Sitzung des Innenausschusses müsse aufgeklärt
werden, was Pistorius' Ministerium unternommen habe, welche
disziplinarischen Konsequenzen gezogen worden seien.
Berichte, nach denen die Christdemokraten die Einsetzung eines
Parlamentarischen Untersuchungsausschusses erwägten, wies eine
CDU-Sprecherin zurück: Die Legislaturperiode laufe ja nur noch elf Monate.
Abgeordnete der Regierungsfraktionen SPD und Grünen wollten sich dagegen
zunächst nicht zu dem Fall äußern. „Die Arbeit liegt jetzt bei den
Ermittlungsbehörden und dem Ministerium“, sagte ein Grünen-Sprecher und
beteuerte: „Wir wollen Aufklärung und Transparenz.“
Der niedersächsische Bund der Steuerzahler stellte Strafanzeige gegen die
Leitung der LAB. Er wirft ihr versuchte Untreue und Strafvereitelung vor.
Kai Weber, Sprecher des Flüchtlingsrats Niedersachsen, sagte, „natürlich“
müssten die Betrugsfälle verfolgt werden. Allerdings stelle sich die Frage,
warum sie eine derartige öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zögen: „Was
bedeuten 300 Ermittlungsfälle bei 102.000 Einreisen nach Niedersachsen
allein 2015?“ Die Zahl der Asylbewerber, die Leistungen missbrauchen, liege
„im Promillebereich“.
25 Jan 2017
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Rechter Populismus
Sozialbetrug
Flüchtlinge
Schwerpunkt Rechter Terror
CDU Niedersachsen
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Geflüchtete
Steuerhinterziehung
Maghreb
Arbeitslosigkeit
CDU Niedersachsen
Niedersachsen
Niedersachsen
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