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# taz.de -- Konferenz zur Drogenpolitik in Hamburg: „Drogen sind sowieso da“
> Suchttherapeut Urs Köthner fordert die Legalisierung aller Drogen.
> Polizeieinsätze gegen Kleindealer seien reine Steuerverschwendung.
Bild: Polizei kontrolliert mutmaßliche Dealer: Urs Köthner hält das für Gel…
taz: Herr Köthner, wann haben Sie Ihren letzten Joint geraucht?
Urs Köthner: Vor drei Wochen.
Und wo hatten Sie das Gras her?
Das kann man unter den jetzigen Bedingungen leider nicht benennen.
Warum nicht?
Die Gefahr ist tagtäglich da, dass man damit aufgegriffen und ein Verfahren
eröffnet wird. Konsumenten werden kriminalisiert. Aber ich bin nicht der
einzige, der mal einen Joint raucht, und als Suchttherapeut weiß ich, was
ich tue.
Warum setzen Sie sich bei der Drogenkonferenz für die Legalisierung ein?
Die einen trinken gern ein Bier, andere rauchen einen Joint, wieder andere
ziehen sich gerne eine Nase. Das kann man alles gleichwertig sehen. Es geht
um kontrollierten Konsum. Und die Drogen sind sowieso da, ob wir das wollen
oder nicht. Es gibt keine drogenfreie Gesellschaft. Die hat es nie gegeben.
Das Drogenverbot stürzt unzählige Drogengebraucher und deren Angehörige in
elende Zustände.
Es geht Ihnen nicht nur um die Legalisierung von Cannabis, sondern um alle
Drogen, oder?
Ja, ganz klar. Jetzt haben wir gar keine Kontrolle über Handel, Vertrieb
und Konsum. Trotz des massiven Drogenverbots sind Drogen überall
erhältlich. Wer Heroin haben will, wird es in einer Stunde bekommen. Aber
es gibt keine Kontrolle über die Qualität und Reinheit der Drogen – und
keinen Jugendschutz.
Und wo sollten die Drogen verkauft werden?
Ich bin nicht für Drogen im Supermarkt, sondern für Drogenfachgeschäfte –
ab 18 Jahren, mit fachkundigem Personal. Dann sind auch Mengenangaben,
Inhaltsangaben und der Wirkstoffgehalt angegeben. Heutzutage wissen die
Konsumenten gar nicht, was sie auf dem Schwarzmarkt kaufen.
Wenn jeder Heroin, Koks oder Amphetamine in einem Laden kaufen kann:
Probieren dann nicht mehr Menschen harte Drogen aus als bisher?
Die Erfahrungen sind anders. Nur die Verfügbarkeit macht es nicht. Nur weil
wir Schnaps kaufen können, trinken nicht alle Menschen Schnaps. In den
Ländern, die liberalisiert haben, ist der Konsum harter Drogen
zurückgegangen – und auch die HIV-Rate.
Wie wollen Sie Konsumenten ohne Verbot vor Schrottdrogen wie Crystal Meth
schützen?
Für jede einzelne Droge muss man genau gucken, wie der Zugang ist. Wir
würden das aufteilen unter Genussmittel- und Arzneimittelrecht. Heroin ist
auch jetzt schon wieder über den Arzt erhältlich im Zuge einer Behandlung.
Also sollte man Ihrer Meinung nach doch nicht jede Droge frei kaufen
können?
Doch letztlich schon. Aber natürlich gibt es Grenzen, wie das Alter. Und es
gibt Vorschläge, hochpotente Drogen wie Heroin eher über das
Arzneimittelsystem freizugeben, also mit einem Rezept vom Arzt. Aber warum
sollte man nicht rauchbares Opium verkaufen? Der Großteil der Menschen ist
fähig, kontrolliert mit Drogen umzugehen. Und die, die das nicht können,
die krank sind, gehören nicht ins Gefängnis, sondern brauchen adäquate
Angebote.
Trotz vager Ideen über Pilotprojekte zur legalen Abgabe von Cannabis, sieht
die Realität in Hamburg anders aus. Hier macht die Polizei gerade Jagd auf
afrikanische Kleindealer in der Hafenstraße. Das, was da in St. Pauli
passiert, dass da 250 Beamte ein paar Dealer jagen, macht keinen Sinn. Bei
solchen Einsätzen wird unheimlich viel Geld verschwendet, das bei
Hilfsangeboten fehlt. Über die Frage, was man jenseits der Vertreibung
dieser Dealer tun kann, sprechen wir auch bei der Konferenz.
[1][Bundeskonferenz „Schluss mit Kriminalisierung], Drogenmärkte
regulieren“: 21. und 22. Oktober, Ganztagsgrundschule Sternschanze
20 Oct 2016
## LINKS
[1] http://www.ag-dropo-hamburg.de
## AUTOREN
Andrea Scharpen
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