# taz.de -- Prozess um unglaublich viel Koks: Geständnis hilft nicht | |
> Im Prozess gegen vier Kokainschmuggler fordert die Staatsanwaltschaft | |
> Bremen hohe Haftstrafen. Die Verteidigung hatte sich von Absprachen mehr | |
> erhofft | |
Bild: Einst half Kokain bei Zahnweh, heute sorgt's für Bauchschmerzen | |
BREMEN taz | „Un-glaub-lich.“ Die Staatsanwältin betont jede der drei | |
Silben des Adjektivs einzeln. „Das ist unglaublich viel Kokain“, stellt sie | |
zu Beginn ihres Plädoyers klar. | |
Anfang des Jahres hatten vier Männer insgesamt 430 Kilogramm Kokain nach | |
Bremerhaven geschleust, geschätzter Schwarzmarktwert: Bis zu 70 Millionen. | |
Die Menge entspricht fast 14 Prozent der laut Drogenbericht der | |
Bundesregierung 2015 sichergestellten 3.114,4 Kilogramm Kokain. | |
Am Montag war der voraussichtlich letzte Verhandlungstag im Strafprozess | |
gegen die vier. Begonnen hatte er mit noch einmal zwei Stunden | |
Beweisaufnahme. Als die Angeklagten mit 20 Minuten Verspätung den | |
Gerichtssaal betreten, blicken drei von ihnen ausdruckslos auf den Boden. | |
Nur einer zwinkert grinsend ins Publikum. Dort sitzt seine Ehefrau zusammen | |
mit den Angehörigen seiner Komplizen. | |
Beim Schlussvortrag ist jedes Grinsen aus den Gesichtern der Angeklagten | |
jedoch verschwunden: Die Staatsanwältin nutzt das vorher vereinbarte | |
Strafmaß vollends aus. Sie fordert neun Jahre und vier Monate Haft für den | |
mutmaßlichen Kopf der Bande. Seine beiden Mittäter sollen für sieben Jahre | |
ins Gefängnis. Und selbst für den vierten Mann, der nur wegen Beihilfe | |
angeklagt ist, fordert sie ein Jahr auf Bewährung. „Sie sind zwar nicht die | |
Besteller oder gar Finanziers, sondern Dienstleister“, so die | |
Staatsanwältin, „aber ohne die würde das Geschäft nicht funktionieren.“ | |
Die Angeklagten machen persönliche Umstände geltend. Einer sei von der | |
geschmuggelten Ware schwer abhängig. Ein anderer sei seit Anfang des Jahres | |
Vater eines Sohns. Für eine Strafmilderung reicht das nicht: „Auch nach der | |
Geburt waren Sie noch an den Taten beteiligt“, so die Staatsanwältin. Von | |
einer besonderen „familiären Bindung“ sei daher nicht zu sprechen. | |
Für das Maß der Strafe sei ebenfalls wichtig, dass der Drogenschmuggel | |
„aufwendig geplant“ war und keinesfalls kurzfristig geschah. Die | |
Staatsanwältin legt den Angeklagten ebenfalls zur Last, dass sie die | |
eigentlichen Hintermänner nicht verraten wollten. Sie sagt: „Natürlich | |
bekommt man Angst, wenn man andere hineinzieht.“ Aber damit distanziere man | |
sich von der Tat. „Ich habe nicht das Gefühl, dass Sie sich von den Taten | |
abkehren.“ | |
Nach dem Motto „Aller guten Dinge sind drei“ hatten die Angeklagten jeweils | |
150 Kilo aus Brasilien, 218 Kilo aus Ecuador und 64,2 Kilo Kokain aus Peru | |
nach Bremerhaven gebracht. Versteckt waren die Drogen in Kühlcontainern | |
zwischen Tiefkühlfleisch und Bananen. | |
Der jüngste Angeklagte hatte vergangene Woche sein Geständnis kurzfristig | |
widerrufen, war danach aber vom Widerruf zurückgetreten. Das | |
„prozesstragende Geständnis“ wäre trotzdem zulässig gewesen, sagte der | |
Richter. „Ich hätte es begrüßt, wenn sie das Geständnis zurückgenommen | |
hätten“, zeigte die Staatsanwältin sarkastisches Bedauern – denn dann wä… | |
ein höheres Strafmaß möglich gewesen. | |
Der Anwalt des mutmaßlichen Kopfs der Angeklagten spielt die Bedeutung | |
seines Mandanten für die Taten herunter: „Er ist nur ein – zugegeben | |
wichtiges – Rad in diesem System.“ Entsprechend hielte er – auch wegen des | |
Geständnisses – eine Strafe von sieben Jahren und zehn Monaten für | |
angemessen. „Wenn der Angeklagte seinen Teil der Absprache einhält, dann | |
muss dabei auch etwas herauskommen.“ | |
Ein anderer Anwalt betont, sich mehr von der Verständigung mit der | |
Anklagebehörde erhofft zu haben. An dem Drogenschmuggel seien nicht alle | |
vier gleichermaßen beteiligt gewesen. „Die Handlungen meines Mandanten sind | |
typisch für einen Teilnehmer“, sagt er. Deswegen sei sein Mandant kein | |
Mittäter, sondern lediglich ein Beihelfer. Weiterhin kritisiert er, dass | |
sich die Staatsanwaltschaft von der Menge der geschmuggelten Drogen | |
beeinflussen lässt. „Lassen Sie sich bitte nicht von der hohen Menge | |
leiten“, bittet er mehrfach. Das Urteil soll morgen, Mittwoch, gesprochen | |
werden. | |
20 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Lukas Thöle | |
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