# taz.de -- Legalisierung von Cannabis: „Ein Verbot vergrößert Risiken“ | |
> Der Kriminologe Henning Schmidt-Semisch erklärt, warum die | |
> Drogen-Prohibition gescheitert ist und warum Verbote die Gefahr von | |
> Rauschmitteln erhöhen. | |
Bild: „In der Illegalität kann man die Qualität nicht kontrollieren“, sag… | |
taz: Herr Schmidt-Semisch, Psychiatrie-Professor Matthias Holm-Hadulla | |
sagte bei der Bremer Cannabis-Anhörung, dass regelmäßiger Hasch-Konsum zu | |
„substanziellen Schäden“ führt. Sind Sie sich einig? | |
Henning Schmidt-Semisch: Klar. Cannabis-Konsum kann Schäden verursachen. | |
So einfach? | |
Ja. Gleichzeitig würde ich sagen, dass vergleichbare Schäden auch beim | |
Alkohol auftreten können. Nur gehen wir damit unterschiedlich um. Beim | |
Alkohol wird das Risiko kulturell und sozial reguliert. Wir haben im Rahmen | |
unserer Alkoholkultur dafür ein Regelwerk entwickelt. Das Cannabis-Verbot | |
kann zu einer sozialen Sicherheit nichts beitragen, sondern vergrößert die | |
Risiken. | |
Wie meinen Sie das? | |
In der Illegalität kann man zum Beispiel die Qualität nicht kontrollieren, | |
auch eine offene Kommunikation wird verhindert. Das Verbot wirkt erheblich | |
in das Leben von jungen Menschen ein, wenn sie etwa einen Ausbildungsplatz | |
nicht bekommen, weil sie mit Cannabis erwischt wurden, oder gar ins | |
Gefängnis müssen. Das Verbot erzeugt mehr Leid als das Cannabis selbst. | |
Herr Holm-Hadulla spricht von einer „verharmlosenden öffentlichen Debatte“ | |
... | |
Ich finde im Gegenteil, dass Cannabis dramatisiert wird. Schätzungsweise | |
konsumieren zwischen vier und fünf Millionen Deutsche mehr oder minder | |
regelmäßig Cannabis. Die Leute mit Problemen sind dabei deutlich in der | |
Minderheit, aber die sitzen dann bei Herrn Holm-Hadulla auf dem Stuhl. So | |
wie Alkoholiker in die Klinik müssen. | |
Woher kommt der gesellschaftliche Unterschied zwischen Cannabis und | |
Alkohol? | |
Historisch gehen die Drogenverbote auf das 19. Jahrhundert zurück. In den | |
USA sollte den Chinesen, die dort die Eisenbahnen gebaut hatten, das | |
Rauch-Opium verboten werden. Das fällt zusammen mit einer Reihe an | |
Drangsalierungen, unter anderem untersagte man ihnen auch ihre Zöpfe. Zudem | |
hatten die Amerikaner starke wirtschaftliche Interessen und machten das | |
Opium-Verbot auf internationalen Konferenzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts | |
zum Thema. Die Engländer opponierten – sie lieferten ja Unmengen Opium nach | |
China. Einlenken wollten sie nur, wenn auch Heroin und Kokain verboten | |
würden, womit sie die Deutschen in die Bredouille brachten, die seinerzeit | |
die größten Heroin- und Kokain-Produzenten waren. In den 30er-Jahren kam | |
dann Cannabis zu den Verboten hinzu – mit rassistischem Einschlag. | |
Inwiefern? | |
Cannabis wurde in den USA der 1920er- und 30er-Jahre als „Killer-Weed“ für | |
alle erdenklichen Verbrechen verantwortlich gemacht. Man behauptete, | |
insbesondere die schwarzen Männer würden sich mit Marihuana über weiße | |
Frauen hermachen. | |
Sie würden sagen, dass die Drogen-Verbote ursprünglich vor allem auf die | |
Konsumenten abzielten? | |
Genau. Und sie hatten eher ökonomische und national-ökonomische Ursachen | |
als dass man auf die Gesundheit rekurriert hätte. | |
Sie gelten als allgemeiner Gegner der Prohibitionspolitik. Spätestens wenn | |
man Heroin legalisieren will, kann man allerdings nicht mehr behaupten, es | |
habe die gleiche Wirkung wie Alkohol. | |
Das stimmt. Aber unabhängig davon, wie gefährlich die Substanzen sind, | |
erhöht das Verbot die Gefährlichkeit. Bei Heroin und Kokain ist das noch | |
dramatischer, wenn man nicht weiß, wie viel reiner Stoff in dem ist, was | |
man gekauft hat. Aus gesundheitswissenschaftlicher Perspektive wäre es | |
richtiger, die Drogen kontrolliert zur Verfügung zu stellen. Eine solche | |
legale Regulation wäre Verbraucherschutz. Ohnehin ist auch der Heroinerwerb | |
und -besitz eine opferlose Straftat. | |
Wie meinen Sie das? | |
Wenn jemand Heroin kauft, geschieht das in Einvernehmen zwischen Käufer und | |
Verkäufer. Es kommt niemand zu schaden. Das zu bestrafen, geht in einem | |
liberalen Rechtsstaat eigentlich nicht. | |
Der Heroin-Konsument kommt zu Schaden. | |
Möglicherweise, aber man darf auch Risiko-Sportarten machen und niemand | |
würde auf die Idee kommen, sie zu verbieten. | |
Viele Menschen kennen jemanden, der an einer Überdosis starb ...! | |
... oder jemanden, der an Alkohol zugrunde gegangen ist. Die Debatte ist | |
bei Drogen unglaublich aufgeladen und moralisch belastet. Da geht es um so | |
viel, etwa die Angst vor dem Kontrollverlust. Aktuell sehen wir, wie ein | |
Typ wie Volker Beck an 0,6 Gramm irgendeiner Substanz scheitert. Man kann | |
mit einem Drogenvorwurf Leute plattmachen. | |
Ist der Kauf noch einvernehmlich, wenn der Drogen-Konsument süchtig ist? | |
Es gibt viele Leute, die täglich wegen ihrer Sucht Zigaretten kaufen. Aber | |
wir kämen wohl kaum auf die Idee, dass der Zigarettenkauf am Kiosk keine | |
einvernehmliche Kaufhandlung ist. | |
Ist das nun nicht doch eine Verharmlosung? | |
Menschen, die Drogen nehmen, gehören nicht ins Gefängnis. Stattdessen | |
braucht man einen Ansatz, der auf ihre Gesundheit ausgerichtet ist. Es sind | |
enorme Kapazitäten, die Drogen-Verbote bei Polizei, Justiz und Strafvollzug | |
binden. Eine legale Regulation wäre eine riesige Entlastung und die | |
Einsparungen könnte man in die Gesundheitsförderung investieren. | |
Kann es überhaupt funktionieren, wenn ein kleines Bundesland wie Bremen bei | |
der Cannabis-Legalisierung einen Alleingang versuchen würde? | |
Wir sehen es in Amerika, in Colorado, Washington und Oregon. Man kann eine | |
Insellösung machen, muss aber auch wissen, dass eine Art Tourismus | |
entsteht. Die Hamburger kämen dann vielleicht zu uns. Die Frage ist, ob man | |
es so hinbekommt. Über eine Ausnahmegenehmigung hat die Cannabis-Freigabe | |
in Berlin-Friedrichshain nicht funktioniert. Eine andere Idee, die bei der | |
Anhörung in der Bürgerschaft diskutiert wurde, wäre eine | |
Experimentierklausel im Betäubungsmittel-Gesetz, die wissenschaftlich | |
begleitete Versuchsprojekte erlauben würde. | |
Eine Änderung des Bundesrechts ... | |
Bremen müsste eine Bundesratsinitiative starten. Aber langfristig müssen | |
wir den Umgang mit Cannabis an den mit Alkohol annähern. Der Staat würde so | |
Kontrolle über die Substanz und die Händler gewinnen und den Konsumenten | |
gäbe eine Cannabis-Kultur mehr Sicherheit. | |
4 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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