# taz.de -- 15 Jahre Einsatz in Afghanistan: Ein Ende ist nicht abzusehen | |
> Derzeit sind noch bis zu 980 deutsche Soldaten in Afghanistan | |
> stationiert. Wonach bemisst sich der Erfolg des Einsatzes? | |
Bild: Deutsche Panzer während eines Manövers in der Nähe von Kabul, 2006 | |
Immerhin: Der Bundeskanzler war ehrlich. Am Morgen des 16. Novembers 2001 | |
trat Gerhard Schröder vor den Bundestag, die Abgeordneten sollten die | |
Bundeswehrbeteiligung an Antiterroreinsätzen in Afghanistan und anderswo | |
genehmigen. Drei Tage zuvor waren US-Truppen kampflos in Kabul | |
einmarschiert, der Sieg gegen die Taliban war nah, trotzdem dämpfte | |
Schröder die Erwartungen. „Der Kampf gegen den Terror wird noch lange | |
dauern und wird uns einen langen Atem abverlangen. Schnelle Erfolge sind | |
keineswegs garantiert“, sagte er. | |
Unmittelbar nach der Plenardebatte stimmte der Bundestag für das gewünschte | |
Mandat. Der Afghanistaneinsatz konnte beginnen. Beendet ist er bis heute | |
nicht. Wann die Bundeswehr endgültig aus Afghanistan abziehen wird, ist | |
nicht abzusehen. | |
Das derzeit gültige Bundeswehrmandat erlaubt den Einsatz von bis zu 980 | |
Soldaten. Sie sind im Rahmen der Nato-Mission „Resolute Support“ tätig und | |
hauptsächlich damit beauftragt, afghanische Sicherheitskräfte auszubilden | |
und zu beraten. Der Ausbildungseinsatz folgte auf die | |
Stabilisierungsmission Isaf, die die Nato Ende 2014 nach 13 Jahren | |
eingestellt hatte. | |
Für die Bundeswehr war Isaf ein Wendepunkt: In Afghanistan gerieten zum | |
ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg deutsche Truppen in schwere Gefechte. | |
Bis zum Ende der Isaf-Mission starben am Hindukusch 54 Bundeswehrsoldaten. | |
## Und wofür? | |
Zahlen zu getöteten gegnerischen Kämpfern und Zivilisten gibt es nicht. Die | |
Kosten des Einsatzes beliefen sich laut offiziellen Angaben auf insgesamt | |
8,8 Milliarden Euro. Die tatsächlichen Kosten könnten noch höher liegen, | |
Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sprachen | |
schon vor fünf Jahren von 17 Milliarden Euro. | |
Und wofür? Der letzte „Fortschrittsbericht Afghanistan“ der Bundesregierung | |
stammt aus dem November 2014. „Wir haben viel richtig gemacht, aber manches | |
hätte noch besser sein können“, hieß es darin. Das war noch optimistisch | |
ausgedrückt. Der genaue Blick in das Dokument zeigt, dass selbst die Bilanz | |
der Bundesregierung recht trostlos ausfällt. Danach befand sich Afghanistan | |
Ende 2014 zwar „in weit besserer Verfassung“ als 2001, also zu Beginn der | |
westlichen Militärintervention. Dennoch sah die Regierung gravierende | |
Probleme. | |
So nahm die Kapitalflucht zum Zeitpunkt des Berichts „ein bis dato nicht | |
gekanntes Ausmaß“ an, die Staatseinnahmen waren „stark eingebrochen“, | |
Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung wurden auf bis zu 50 Prozent der | |
Erwerbsbevölkerung geschätzt: „Generell gehört das Land weiterhin zu den | |
ärmsten der Welt.“ | |
Auch die Menschenrechtslage blieb prekär. „Weiterhin werden die | |
Menschenrechte in Afghanistan nur mangelhaft gewährleistet“, hieß es. Das | |
gelte in besonderem Maße für Frauen und Mädchen. Dazu trügen auch | |
„Unzulänglichkeiten“ bei Teilen der afghanischen Sicherheitskräfte bei, d… | |
„sich in Form von Übergriffen gegenüber der Bevölkerung und Verletzungen | |
wesentlicher Menschenrechtsgarantien“ niederschlügen. | |
## Verbessert hat sich die Situation nicht | |
Verheerend sah schließlich die Sicherheitslage aus. Die | |
„regierungsfeindlichen Kräfte“, sprich: die Taliban, stellten „landesweit | |
eine erhebliche Bedrohung“ für die afghanische Bevölkerung dar. Verbessert | |
hat sich die Situation seitdem nicht – eher im Gegenteil. Die nördliche | |
Provinzhauptstadt Kundus war jahrelang einer der Schwerpunkte der deutschen | |
Mission. Vor einem Jahr kehrten die Taliban zurück und nahmen die Stadt für | |
mehrere Tage ein. Exakt zwölf Monate später, in der Nacht zum Montag, | |
starteten sie einen neuen Angriff. | |
Warum aber ist die Lage nach 15 Jahren Afghanistaneinsatz so instabil? | |
Welche Fehler haben die Bundeswehr und ihre Verbündeten gemacht? Was haben | |
sie für die Zukunft daraus gelernt? Im September veröffentlichte ein | |
sicherheitspolitisches Expertentrio ein gemeinsames Papier zu den Lehren | |
aus Afghanistan. Hans-Peter Bartels (Wehrbeauftragter des Bundestags), | |
Klaus Wittmann (ehemaliger Bundeswehrgeneral) und André Wüstner | |
(Vorsitzender des Bundeswehrverbands) beklagen darin, dass der Einsatz nie | |
richtig ausgewertet worden sei. „Zu Isaf liegt bis heute kein umfassender | |
Evaluationsbericht der Nato oder eines einzelnen großen Bündnispartners | |
vor, auch aus Deutschland nicht“, schreiben sie. Das Trio selbst betont die | |
Bedeutung von „klaren Zielen und Kriterien für Fortschritt und Erfolg“ | |
einer Mission. | |
Dieser Hinweis erinnert an einen Einwand aus der Bundestagsdebatte vom 16. | |
November 2001. Der damalige PDS-Fraktionschef Roland Claus stellte Kanzler | |
Schröder sechs Fragen, zumindest die letzte davon ist noch immer aktuell: | |
„Wohin sollen deutsche Soldaten gehen? Wie lange soll der Einsatz dauern? | |
Was sind die konkreten Aufgaben? Was sind die Ziele des Kampfes? Wann sind | |
sie erreicht? Wann ist der Einsatz abgeschlossen?“ | |
6 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
Pascal Beucker | |
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