Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Widerstand gegen die Taliban: Die mit Geld, die mit Bomben
> Die Taliban sind in den afghanischen Provinzen auf dem Vormarsch. Ein
> Grund dafür ist das rücksichtlose Vorgehen ihrer Gegner.
Bild: Sterbende Zivilisten heizen die Stimmung an und erleichtern es den Taliba…
Kabul taz | 15 Jahre nach dem Beginn des westlichen Militäreinsatzes in
Afghanistan sind die Taliban so stark wie nie. In den letzten Wochen und
Monaten haben sie zahlreiche weitere Distrikte erobert. Aktuell gibt es vor
allem im nördlichen Kundus sowie in den südlichen Provinzen Helmand und
Urusgan heftige Kämpfe. Die Frage, woher der Erfolg der Aufständischen
stammt, stellt kaum jemand.
„Die Taliban sind stark, weil die Zentralregierung schwach ist“, sagt
Mohammad Schafik, ein Kommandant der afghanischen Grenzpolizei. „Viele
Menschen interessieren sich nicht für ihre Ideologie, allerdings für ihr
Geld. Sie zahlen einfach besser“, meint der Kommandant. Dies, so betont
Schafik, sei auch einer der Hauptgründe, warum viele Soldaten und
Polizisten in den Provinzen zu den Taliban überlaufen würden.
Es gibt allerdings auch andere Gründe, warum viele Menschen in den
afghanischen Provinzen Sympathien für die Extremisten entwickeln. Einer
davon sind etwa die Repressalien lokaler Milizen, die oft im Sinne von
regierungstreuen Kriegsfürsten agieren. „Die Brutalität verschiedener
Milizgruppierungen gegenüber der lokalen Bevölkerung hat in den letzten
Jahren massiv zugenommen. Für die Taliban ist das Wasser auf den Mühlen.
Sie können sich erfolgreich als Befreier propagieren“, meint Waheed
Mozhdah, ein politischer Analyst aus Kabul.
Auch die Rolle korrupter und gewalttätiger Polizei- und Armeekommandanten
ist nicht zu unterschätzen, gibt selbst Polizeikommandant Schafik zu.
„Leider gibt es auch in unseren Rängen Männer, die schlimme Dinge tun. Es
ist offensichtlich, dass das von Taliban leicht instrumentalisiert werden
kann.“
In Kabul spürt man die Taliban-Präsenz vor allem durch Anschläge. Im
September gab es mehrere Bombenattentate, unter anderem auf das
Verteidigungsministerium. Für viele Kabuler ist das Grund genug, um zu
fliehen. „Immer wenn ich das Haus verlasse, bin ich mir nicht sicher, ob
ich zurückkehren werde. Stets plagt mich der Gedanke, von der nächsten
Bombe mitgerissen zu werden und meine Mutter nie wieder zu sehen“, sagt der
27-jährige Adschmal. Wie viele andere junge Afghanen will er mit seiner
Familie weg. Ihr Ziel ist die Türkei, dort warten bereits Verwandte.
## Die Bevölkerung sieht kein Ende des Konflikts
Dass die Taliban zahlreiche Unterstützer haben, ist für Adschmal und viele
andere Menschen in Kabul allerdings nachvollziehbar. „Unsere Regierung ist
schuld. Sie ist einfach von Grund auf korrupt und hat keine Kontrolle.
Hinzu kommt die Rolle Pakistans“, meint Adschmal. Dem Nachbarland wird
vorgeworfen, die afghanischen Taliban zu unterstützen.
„Vor 15 Jahren meinten die Amerikaner, die Taliban verjagen zu wollen.
Stattdessen sind sie immer stärker geworden. Es ist nur eine Frage der
Zeit, bis sie wieder vor Kabul stehen“, meint Hadschi Mohammad, der
getrocknete Früchte verkauft. „Mir wäre das fast schon lieber als der
gegenwärtige Zustand. Wir sind alle müde vom Krieg. Hauptsache, er ist
vorbei. Egal, welche Seite gewinnt“, sagt er bedrückt.
Dass es so weit kommen wird, ist unwahrscheinlich. Zwar stehen viele
Distrikte unter Taliban-Kontrolle, nicht aber die Provinzhauptstädte. Ihre
Eroberung würde nicht nur die afghanische Regierung in Bedrängnis bringen,
sondern auch den Westen. Deshalb werden alle Mittel genutzt, um diese
Städte zu halten – auch Luftbombardements. Dabei werden immer wieder auch
Zivilisten getötet, wie etwa der Angriff auf ein Krankenhaus von Ärzte ohne
Grenzen im vergangenen Jahr deutlich machte.
„Natürlich würde auch ich mich den Taliban oder der nächstbesten
Gruppierung anschließen, wenn amerikanische Bomben meine Familie töten
würden. Jeder Afghane würde das machen – und genau deshalb sind die Taliban
immer stärker und stärker geworden in den letzten Jahren“, meint auch
Hadschi Mohammad.
Ähnlich sieht das Nazar Mohammad Motmaeen, ein politischer Analyst und
Publizist: „Derartige Angriffe treiben die Menschen in die Hände der
Taliban – und sie finden leider weiterhin statt.“
8 Oct 2016
## AUTOREN
Emran Feroz
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Taliban
Zivilisten
Milizen
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
USA
Lesestück Meinung und Analyse
Afghanistaneinsatz
Schwerpunkt Afghanistan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Anschlag auf deutsches Generalkonsulat: Mindestens sechs Tote
Die Taliban haben sich zu dem Anschlag in Masar-i-Scharif bekannt. Es
sollte eine Vergeltungstat für einen US-Luftangriff in Nordafghanistan
sein.
Kämpfe in Afghanistan: IS tötet entführte Zivilisten
Kämpfer des „Islamischen Staates“ haben in Afghanistan mehr als 30
Zivilisten getötet, die sie am Vortag entführt hatten.
15 Jahre Einsatz in Afghanistan: Die Mär von der Frauenbefreiung
Lange nach dem Sturz der Taliban wird die Burka weiter viel verkauft.
Frauen tragen sie auch aus Scham, weil sie arm oder Prostituierte sind.
Afghanischer Flüchtling in Berlin: Ein Praktikum in Bürokratie
Seit einem Jahr versucht Ahmadullah Sediqi, in Berlin anzukommen. Er hat
Freunde und eine Wohnung. Doch er überlegt, alles hinzuschmeißen.
15 Jahre Afghanistan-Einsatz: Ein zutiefst uneiniges Land
15 Jahre nach Beginn der „Operation Enduring Freedom“ spüren die Afghanen
wenig vom Frieden. Die Taliban erstarken. Warum? Eine Analyse.
15 Jahre Einsatz in Afghanistan: Ein Ende ist nicht abzusehen
Derzeit sind noch bis zu 980 deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert.
Wonach bemisst sich der Erfolg des Einsatzes?
Afghanistan-Urteil des Bundesgerichtshofs: Rückschlag für die Opfer von Kundus
2009 hatten Taliban zwei Tanklaster entführt, die ließ ein deutscher Oberst
bombardieren. Die Opfer haben keinen Anspruch auf Schadenersatz.
Afghanistan-Geberkonferenz: 15,2 Milliarden Dollar bis 2020
Die Weltgemeinschaft will das Land nicht alleinlassen. Die EU beteiligt
sich großzügig an neuen Hilfsgeldern – ist aber nicht uneigennützig. Es
geht auch um Flüchtlinge.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.