| # taz.de -- Solidarität statt Sparzwang: Die Kultur soll selbst kürzen | |
| > Große Bremer Kultureinrichtungen sollen künftig die freie Szene durch | |
| > freiwillige Abgaben mitfinanzieren. Eine versteckte Sparmaßnahme, sagt | |
| > die Linke | |
| Bild: Das OutNow!-Festival stemmen Theater Bremen und Schwankhalle gemeinsam | |
| BREMEN taz | Nicht nur in der Politik wird der Finanzierungsplan für die | |
| freie Bremer Kulturszene skeptisch aufgenommen: „Bisher erscheint mir das | |
| wie eine merkwürdige Zwischenlösung“, sagt Peter Schmidt, Professor für | |
| Kulturmanagement an der Hochschule Bremen: „Ein vergleichbarer Fall ist mir | |
| nicht bekannt.“ | |
| Ende August hatte Bremens Bürgermeister und Kultursenator Carsten Sieling | |
| (SPD) den „Solidarpakt Kultur“ vorgestellt. Dieser sieht vor, dass große | |
| kulturelle Institutionen wie die Kunsthalle, das Theater Bremen oder die | |
| Stadtbibliothek freie Kulturschaffende finanziell unterstützen. Wenn sie | |
| nach eigener Prüfung Geld übrig haben, können sie freiwillig in gemeinsame | |
| Projekte investieren. | |
| In einem ersten Schritt kamen so bereits 300.000 Euro zusammen. Die | |
| Kulturdeputation legt nun die Vergaberegeln fest und wird weitere | |
| Ergebnisse auf ihrer nächsten Sitzung am 25. Oktober präsentieren. Bis | |
| dahin bleibt unklar, wer wie viel Geld bekommt. | |
| ## Freie Szene bleibt skeptisch | |
| Tobias Pflug ist im Vorstand des Landesverbands Freie Darstellende Künste | |
| Bremen und künstlerischer Leiter des Theaters am Schlachthof. Er zieht eine | |
| ernüchternde Bilanz: „Die finanzielle Situation der freien darstellenden | |
| Künste ist hundsmiserabel.“ Im Landesverband gehe es immer wieder um | |
| Existenzkämpfe. | |
| „Das geht massiv auf Kosten der Qualität“, so Pflug. In Hamburg gehe fast | |
| eine Million Euro allein an die freien darstellenden Künste, in | |
| Niedersachsen sogar noch mehr, sagt er. Und in Bremen? „Da haben wir dieses | |
| Jahr eine Nullrunde hingelegt.“ | |
| Dabei seien die darstellenden KünstlerInnen in Bremen sehr produktiv: „Wir | |
| haben knapp 300 Veranstaltungen im Jahr, mit denen wir etwa 100.000 | |
| Menschen erreichen“, so Pflug. 300.000 Euro mehr für alle freien | |
| Kulturschaffenden seien zwar natürlich begrüßenswert, würden den Bedarf | |
| jedoch längst nicht decken. | |
| ## Kunst zieht um | |
| Einige KünstlerInnen hätten bereits in andere Bundesländer auswandern | |
| müssen, weil ihre Existenz in Bremen gefährdet sei. „Wegzug ist immer ein | |
| Thema“, sagt Pflug. | |
| Die Idee der Solidarität findet er grundsätzlich richtig. Es sei gut, wenn | |
| sich in der Sache etwas bewegt: „Das Problem des Stillstands ist zwar noch | |
| nicht überwunden, aber zumindest wird es angegangen.“ Es müsse für ihn | |
| allerdings mehr passieren, als von den Großen zu nehmen und den Kleinen zu | |
| geben. „Wenn es nur einseitig läuft, reicht das nicht“, sagt Pflug. | |
| Auch Miriam Strunge, kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, | |
| betrachtet den Solidarpakt kritisch. Die Solidarität zwischen großen | |
| kulturellen Einrichtungen und freien KünstlerInnen sei Strunge zufolge zwar | |
| sehr positiv. Allerdings kritisiert sie, dass der Senat so die | |
| Verantwortung abwälze und selbst vom Sparzwang Betroffene in die Pflicht | |
| nähme. „Die sind finanziell auf Kante genäht und haben nichts zu | |
| verschenken“, so Strunge. | |
| ## Eine versteckte Kürzung | |
| Die Finanzierung durch die großen Einrichtungen sei im Grunde eine | |
| versteckte Kürzung ihrer eigenen Mittel – auch wenn das alles auf | |
| freiwilliger Basis geschehen sollte. Laut Strunge soll der Senat | |
| stattdessen dringend ein solides Finanzierungskonzept für die freie Szene | |
| vorlegen: „Der Etat der Projektmittelförderung ist schlicht zu gering.“ | |
| Und können die großen Geldgeber überhaupt etwas abgeben? „Geld übrig haben | |
| ist so eine Sache“, sagt Michael Helmbold, kaufmännischer Geschäftsführer | |
| am Theater Bremen. „Grundsätzlich haben wir kein Geld über, weil wir | |
| Altschulden haben.“ | |
| Er erklärt, dass das Theater seit ein paar Jahren Überschüsse erziele, mit | |
| denen jedoch die Schulden getilgt werden würden. „Wir sind ein | |
| Vier-Sparten-Haus. Vergleicht man Bremen da mit ähnlichen Städten, sind wir | |
| relativ schlecht finanziert.“ | |
| ## Details noch offen | |
| Eine verdeckte Sparmaßnahme sieht er im Solidarpakt jedoch nicht: „Wir | |
| wurden gefragt, ob wir uns ein Mitwirken vorstellen können. Details gibt es | |
| im Oktober. Wer welchen Beitrag leistet, wird sich zeigen.“ Konkrete Summen | |
| will Helmbold darum vorab noch nicht nennen. | |
| Die Zusammenarbeit mit der freien Szene sei dem Theater sehr wichtig. Beide | |
| hätten schon seit Jahren ein intensives und produktives Miteinander, so | |
| Helmbold. Beim jährlichen Outnow!-Festival arbeiten Theater und | |
| Schwankhalle eng zusammen. | |
| Das Theater stellt dem Performance-Nachwuchs dabei Räume und Logistik zur | |
| Verfügung. Der Kontakt zu einem neuen, jungen Publikum lässt wiederum auch | |
| die eigenen Besucherzahlen steigen. | |
| 11 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Krüger | |
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