# taz.de -- ORTE DER GEGENWARTSKUNST: "Mir ist die Debatte wichtig" | |
> Ob das Museum Weserburg in die Überseestadt zieht, ist sekundär, findet | |
> Carsten Werner: Hauptsache, Bremen denkt öffentlich über zeitgenössische | |
> Kunst nach | |
Bild: Carsten Werner, kulturpolitischer Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfrak… | |
taz: Herr Werner, Sie plädieren vehement für den Umzug des | |
Weserburg-Museums in die Überseestadt? | |
[1][Carsten Werner]: Das stimmt nicht. Ich plädiere vehement für die | |
Diskussion, die durch diese Pläne jetzt in Gang gekommen ist. Die halte ich | |
aus zwei Gründen für wichtig. | |
Und zwar? | |
Ich finde sinnvoll, wenn in Bremen öffentlich darüber nachgedacht wird, wie | |
in Zukunft mit zeitgenössischer Kunst umgegangen werden soll. Und ich halte | |
die Auseinandersetzung darüber für notwendig, was in der Überseestadt | |
geschieht, wie sich dieser Stadtteil weiter entwickelt und welche Rolle | |
darin Kultur und Kreativwirtschaft spielen sollen. | |
Ein Museum gehört ja gerade nicht zur Kreativwirtschaft. | |
Aber ein Stadtteil, der Kunst hat, geht mit den Akteuren der | |
Kreativwirtschaft anders um, als einer ohne. Und umgekehrt. | |
Und ein Neubau des Weserburg-Museums soll dann als Anchor ähnlich prächtige | |
Erfolge zeitigen wie die Elbphilharmonie in Hamburg? | |
Die Weserburg lockt die Kreativwirtschaft nicht da hin – die ist ja schon | |
da. Aber sie könnte den Kontext mitprägen, wovon dieser Stadtteil handeln | |
soll. Die Kreativwirtschaft besteht aus sehr vielen, meist sehr kleinen | |
Betrieben, Ateliers und Studios, die jetzt schon fürchten, wieder raus zu | |
müssen. | |
Und deshalb schwärmen Sie von den Umzugs-Ideen der Weserburg – und loben | |
die Reaktionen der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK)? | |
... die sich ja widersprechen: Die GAK will auf jeden Fall bleiben, die | |
Weserburg will vielleicht weg. | |
Genau. Aber Sie bezeichnen das eine als Idee – das andere als Reaktion. Das | |
ist doch eine Wertung pro Umzug? | |
Noch einmal: Mir ist die Debatte wichtig, und die beschränkt sich nicht auf | |
die Institutionen am Teerhof. Da gehören viele Fragen dazu: Wo, wie und von | |
wem und für wen zeitgenössische Kunst entsteht und präsentiert wird. Wie es | |
um die Kunst im öffentlichen Raum steht. Wie bremische und internationale | |
Künstler hier auftreten. Vielleicht auch, ob wir eine staatlich betriebene, | |
geleitete und kuratierte Galerie brauchen. Dass die Weserburg sich dabei | |
die Frage stellt, ob sie an einem neuen Ort eine Neubestimmung ihrer | |
Funktion versuchen sollte, halte ich für legitim und gut. Es gibt doch | |
keinen Grund, generell zu sagen, wir bleiben immer da und immer so, wo und | |
wie wir sind. | |
Aber noch viel weniger dafür, einfach mal so umzuziehen! | |
Einfach mal so sicher nicht – darum wird ja nun intensiv diskutiert und | |
gerechnet. | |
Zumal ein Neubau immer eine ökonomische Katastrophe ist. | |
Ja? Angesichts der rechnerischen Skizzen – mehr gibt es ja noch gar nicht – | |
würde ein Neubau möglicherweise nicht mehr kosten als ein Rück- und Umbau | |
plus notwendiger Sanierungskosten. | |
Nur werden Neubauten doppelt so teuer wie prognostiziert ... | |
Das sind doch Klischees. | |
Naja, eher Erfahrungswerte. Die Elbphilharmonie ... | |
Das ist ein Extremfall. Die baulichen Arbeiten am jetzigen | |
Weserburg-Standort wären auf jeden Fall verdammt viel: Es geht um eine | |
räumliche Verkleinerung, die Insel-Grundsanierung, die Klimaanlage, die | |
Asbest-Beseitigung – fast alles, was ein Museum ist. Da wird es dann zu | |
einer Glaubensfrage ... | |
... über die offen zu debattieren ja vor allem das Museum Weserburg in den | |
vergangenen Jahren vermieden hat. Auch jetzt kommt der Anstoß dazu allein | |
von der GAK. | |
Die Weserburg ringt und diskutiert über ihre Zukunft, die GAK will mit | |
ihrer Podiumsreihe ab Januar die Zukunft der ganzen Szene diskutieren. Das | |
finde ich richtig – auch wenn ich mich natürlich frage, ob es klug ist, | |
sich dabei von vornherein so total auf diesen einen Ort festzulegen. Weil | |
doch gerade die GAK mit ihrem funktionierenden Konzept den Inhalt ganz nach | |
vorne stellen könnte. Dass die GAK, anders als die Weserburg, bleiben | |
sollte, wie und was sie ist, steht für mich fest. Die darf aus dieser | |
Diskussion auch nicht beschädigt oder irgendwie beschränkt hervorgehen. | |
Deshalb finde ich es absolut richtig, dass sie, im Falle eines Umzugs der | |
Weserburg, nicht mitgehen will: Dadurch würde sie sich tatsächlich zu einer | |
Unterabteilung von etwas machen – was sie nicht ist. | |
Von der Diskussionsfreude könnte man sogar aufs Gegenteil schließen ...? | |
Ich denke, dass auch die Weserburg die Umzugsfrage mit der Frage verbinden | |
muss, wie und wo in Bremen zeitgenössische Kunst künftig stattfinden soll. | |
Es tut der Kulturlandschaft insgesamt gut, darüber zu sprechen. | |
Aber verdeckt die nicht genau diese Konzeptdiskussion? | |
Sie braucht etwas Zeit. Aber die Weserburg kriegt ja ihren Zuschuss nicht | |
fürs Gebäude – sondern für das, was sie tut. Der Zuschuss muss ausreichen, | |
das Konzept muss zum Etat und in die Zeit passen – das beides spielt für | |
uns in Deputation und Parlament die Hauptrolle. | |
Aber auch Sie halten sich doch mit inhaltlichen Anregungen eher zurück! | |
Ich denke mir bestimmt kein Museumskonzept aus. Aber das Rauf und Runter | |
der Weserburg in den vergangenen Jahren ist für die Bremer Kulturpolitik | |
nicht ohne Bedeutung. Und wenn wir uns das anschauen, sehen wir: Es gab | |
erfolgreiche Ausstellungen, die allerdings das Profil des Hauses nur | |
begrenzt verändert haben. Und mit höherer Schlagzahl und mehr neuen | |
Ausstellungen viel bessere Zahlen hinzukriegen, hat nicht so gut geklappt | |
wie erhofft. | |
Das heißt? | |
Das Museum muss jetzt grundlegend beantworten, wie es in Zukunft | |
funktionieren will – wie sich ein Sammlermuseum mit Ausstellungsbetrieb und | |
zur Vermittlung von zeitgenössischer Kunst behaupten kann. | |
... und ob es sich leisten kann, seit Jahren keine neuen Sammlungen mehr zu | |
akquirieren? | |
Wenn dem so ist, gehört diese Frage natürlich auch dazu. An der Umzugsidee | |
ist richtig, dass sie auf die Entwicklung der Überseestadt reagiert. Die | |
ist ein Anlass, der die Größenordnung hat, um die Konzepte und Gerüste für | |
Kunst in Bremen insgesamt zu diskutieren. | |
25 Nov 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.carstenwerner.de/ | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
## TAGS | |
Bremen | |
Kunst | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Solidarität statt Sparzwang: Die Kultur soll selbst kürzen | |
Große Bremer Kultureinrichtungen sollen künftig die freie Szene durch | |
freiwillige Abgaben mitfinanzieren. Eine versteckte Sparmaßnahme, sagt die | |
Linke | |
Standortdebatte: Lauter offene Fragen | |
Bis zum Sommer soll Klarheit über die Zukunft des Museums Weserburg | |
herrschen. Kulturstaatsrätin Emigholz (SPD) findet klare Positionen noch | |
"verfrüht". | |
Kunstmesse Istanbul: Plötzlich haben alle Blut geleckt | |
Begehrtes Drehkreuz zwischen Europa und Asien: Die Kunstmesse Contemporary | |
Istanbul lebt von der Hoffnung auf zukünftige Profite. | |
Standort gesucht: Sorgenkind im Abfluss | |
Das Museum Weserburg liebäugelt mit einem Neubau in der Überseestadt. Einen | |
Entwurf gibt es schon. Nur was dann aus der GAK werden soll, ist unklar |