| # taz.de -- Tobias Pflug über die Neueröffnung des Theaters im Schlachthof: �… | |
| > Das Theater im Schlachthof ist am Wochenende neu eröffnet worden. Nun hat | |
| > es zwar endlich eine eigene Bühne – am Geld fehlt’s aber trotzdem. | |
| Bild: Hier noch nicht ganz fertig: das Theater oben im Schlachthofturm. | |
| taz: Herr Pflug, am Wochenende haben Sie das Theater im Schlachthof im | |
| kleinen Kreis neu eröffnet. Wann darf die Öffentlichkeit rein? | |
| Tobias Pflug: Donnerstag starten die Shows. Wir zeigen eine Wiederaufnahme | |
| von „Mit mir“, das war unsere letzte Premiere. Da konnte aber nicht oben im | |
| Turm gespielt werden, weil da noch Baustelle war. Jetzt freue ich mich | |
| total darauf, diese Show im neuen Raum zu sehen. Dann finden bis zum Sommer | |
| ganz unterschiedliche Veranstaltungen statt. Nach der Sommerpause wird es | |
| dann erstmals einen verlässlichen Spielplan geben. | |
| Wie lange hat der Umbau gedauert? | |
| Im Sommer 2016 haben wir die Bühne heraus gerissen. Die war schon über ein | |
| Jahr gebrochen und wir haben sie trotzdem bespielt – das war wirklich | |
| furchtbar, eigentlich ein unhaltbarer Zustand. Im Grunde haben wir nur | |
| Normalität hergestellt. Zwischendurch haben wir hier wieder geprobt und | |
| gespielt und dann ab Dezember 2017 weiter umgebaut. | |
| Was ist jetzt anders? | |
| Der Raum ist nun in alle vier Richtungen bespielbar – das finde ich total | |
| super. Die Podeste sind beweglich, dadurch haben wir viel mehr | |
| Möglichkeiten. Man kann nun auch vor den Fenstern und damit vor einem | |
| fantastischen Panorama spielen. Der Blick geht über die Dächer der Stadt | |
| bis nach Bremen Nord und abends schenkt uns die untergehende Sonne ein | |
| außergewöhnliches Licht. Vorher waren die Bedingungen sehr schwierig. Der | |
| Raum war weiß, die Decke viel tiefer. Das Gestänge war viel zu dünn für | |
| Scheinwerfer. Das kam noch aus der Zeit, als hier oben eine Galerie war. | |
| Bilder aufhängen, das ging – aber wir haben unter diesen Bedingungen | |
| Theater gemacht. | |
| Wer ist „wir“? | |
| 2010 habe ich noch mit Barbara Hirsch zusammengearbeitet. Die hat das | |
| Theater an den Schlachthof gebracht. Seitdem sie hier nicht mehr arbeitet, | |
| bin ich hier oben – unglaublich, aber wahr – alleine als Theatermacher. Ich | |
| mache eigentlich alles, mittlerweile bin ich sogar technisch sehr versiert. | |
| Wie sind Sie da gelandet? | |
| Das ist aus Versehen passiert. Eigentlich habe ich Schauspiel studiert, | |
| aber ich wusste schon während des Studiums, dass ich nicht ins | |
| Ensemble-Theater passe. Parallel habe ich an der Ernst-Busch-Hochschule | |
| noch Regie studiert. Angefangen habe ich am Theater Schlachthof als | |
| Regisseur, als Elternvertretung, irgendwann war klar, dass mein Vorgänger | |
| nicht wiederkommen möchte, und dann habe ich die Stelle bekommen. Um | |
| ehrlich zu sein, ist diese Konstruktion äußerst windig. Denn eigentlich ist | |
| es völlig abstrus, einen Theaterbetrieb als Ein-Mann-Betrieb aufzustellen. | |
| Natürlich gibt es sehr viele freie Mitarbeiter und es gibt total viele | |
| Leute, die ehrenamtlich extrem viel machen. Aber der ganze Apparat Theater | |
| Schlachthof und die Eigenproduktionen – dafür bin ich verantwortlich. | |
| Das klingt eigentlich unschaffbar. | |
| Es ist eine echte Herausforderung, auch ein echtes Problem. Wenn ich | |
| ehrlich bin, stecke ich regelmäßig in der Krise und denke: Ich muss hier | |
| weg. Dazu kommt, dass die Förderlandschaft für Kunst in Bremen katastrophal | |
| ist. Ich habe in all den Jahren hier für die Kunst nicht soviel ausgeben | |
| können wie jetzt für diesen kleinen Umbau. | |
| Aber dafür gab es Geld? | |
| Wir sind an Rücklagen vom Schlachthof gegangen und bei der Verteilung wurde | |
| klar, dass als nächstes das Theater anstand. Dann saß ich da und dachte: | |
| Geil, jetzt habe ich Geld – aber eben nicht für mein Kerngeschäft. Für das, | |
| wofür ich eigentlich stehe und was ich hier entstehen lassen möchte. Und | |
| dass es auch jemand mitbekommt. | |
| Öffentlichkeitsarbeit also? | |
| Was wir da tun können, das tun wir auch. Ein paar Menschen erreicht das | |
| auch: Die Auslastung ist gar nicht das Problem. Aber wenn ich auf mein | |
| Budget gucke und da stehen 200 Euro für die Presse- und | |
| Öffentlichkeitsarbeit im Jahr… Sogar unsere neue Website musste | |
| ehrenamtlich erstellt werden. Das ist zutiefst deprimierend. | |
| Die Produktionen sind trotzdem hochwertig. Wie das? | |
| Nehmen wir „Mit mir“. Die beiden Kolleginnen sagen, dass die das machen | |
| müssen. Sie halten sich mit kultureller Bildungsarbeit über Wasser, aber | |
| dann gibt es eben noch das, was sie eigentlich machen wollen – ihre Kunst – | |
| das müssen sie machen, bekommen aber kein Geld dafür. Das sind eigentlich | |
| unhaltbare Zustände. | |
| Aber trotzdem sind Sie hier… | |
| Ja, irgendwie gibt es so einen Mechanismus. Ich sage dreimal trotzdem. Zwar | |
| habe ich mich aufgrund der Bedingungen dagegen entschieden, selbst zu | |
| produzieren. Aber ich kann in dieser Position vielleicht daran arbeiten, | |
| dass sich diese Situation grundlegend verbessert. | |
| Erwarten Sie durch den Umbau neuen Schwung? | |
| Ja, natürlich! Die Möglichkeit, diesen Umbau durchzuführen, ist | |
| fantastisch. Mit dem, was wir hier geschaffen haben, ist es ein toller Ort | |
| für Produktionen geworden. Ich hoffe, dass ich mich strategisch so gut | |
| aufstelle, dass das ganze Ding unverzichtbar wachsen muss. | |
| 3 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Pia Siber | |
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