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# taz.de -- Kulturpolitik ohne Akzente: Dem Rasenmäher entronnen
> Der Bremer Haushaltsentwurf 2014/15 bietet im Wesentlichen Kontinuitäten
> – was angesichts der Haushaltsnotlage eine Leistung ist.
Bild: Soll künftig fest gefördert werden: das Figurentheater "Mensch, Puppe!"
BREMEN taz | 164,5 Millionen Euro will Bremen in den kommenden beiden
Jahren für Kultur ausgeben – so sieht es der Haushaltsentwurf vor, der nach
erfolgreicher Befassung durch die Kulturdeputation im August erneut beraten
und im Dezember in der Bürgerschaft beschlossen werden soll. Anders
ausgedrückt: Der Spar-Rasenmäher hat die im Rahmen des 4,5 Milliarden Euro
schweren Gesamthaushaltes sehr überschaubare Kulturinsel abermals umfahren,
vulgo: verschont.
Auf den ersten Blick sieht es sogar nach einer faktischen Steigerung des
Kultur-Eckwerts aus: „Die verfügbaren Mittel“ erhöhen sich um 1,2
Millionen, heißt es in der Deputationsvorlage. Das allerdings erklärt sich
schlicht mit einer Verlagerung von Personal-Zuschüssen, etwa für das
Theater, vom Finanzressort zur Kulturbehörde. Unterm Strich bedeutet das
für den Kulturhaushalt eine rechnerische, nicht aber eine reale Erhöhung.
Ein ähnliches Nullsummenspiel sind offenbar die im Deputationsentwurf
dargestellten personellen Kürzungen in der senatorischen Behörde selbst, im
Staatsarchiv, bei der Denkmalpflege und bei der Landesarchäologie – also
den der Behörde nachgeordneten Dienststellen. Sie werden von einer speziell
für „kleine Dienststellen“ vorgesehenen Zielzahl-Aufstockung kompensiert,
die deren Funktionsfähigkeit erhalten soll.
Bei mindestens zwei Punkten deutet sich bereits jetzt an, dass die
ParlamentarierInnen Nachbesserungsbedarf sehen. Das betrifft zum einen die
Absenkung der Projektmittel, die insbesondere von den Grünen stets als
innovativer Nährboden angesehen wurden: Sie haben sich mit 350.000 Euro pro
Haushaltsjahr beinahe halbiert. Derzeit werden diverse
Kompensationsmöglichkeiten erörtert, etwa durch die Citytax oder einen
Ticketaufschlag bei Großveranstaltungen.
Zudem sprechen sich die Kulturpolitiker der Koalition einmütig dafür aus,
das Figurentheater „Mensch, Puppe!“ in die institutionelle Förderung
aufzunehmen – was ein ebenso berechtigter wie, angesichts der
Haushaltslage, bemerkenswerter Vorgang wäre. Bislang hat die kleine Bühne,
die seit 2011 im Theaterkontor Schildstraße beheimatet ist, lediglich
einmalig 8.000 Euro als Projektzuschuss bekommen.
Das „Theatrium“ wiederum, von dem sich „Mensch, Puppe!“ abgespalten hat…
ist im Haushalt auf Null gesetzt. Angesichts von dessen insolvenzbedingter
Schließung im vergangenen Jahr ist das ein logische Vorgang. Im Waller
Volkshaus, dessen Theateretage aufwändig für das Theatrium hergerichtet
worden war, arbeiten mittlerweile das Theaterlabor sowie die „Wilde Bühne“,
ein Theater drogenerfahrener Menschen.
Strukturelle Veränderungen deuten sich im Haushaltsentwurf auch in Bezug
auf die Bremer Philharmoniker an. Dort ist von einer künftigen „Überprüfung
der Rechtsform“ die Rede. Die Umwandlung des früheren Staatsorchesters in
eine Gesellschaft, in der die öffentlichen Körperschaften
Minderheitsgesellschafter sind, galt vor zehn Jahren als bundesweit
wegweisend. Jetzt soll das Modell so modifiziert werden, dass privates
Sponsoring weiter erleichtert wird. Das Musikfest bleibt auf seinem im
vergangenen Jahr von 700.000 auf 550.000 Euro herunter gefahrenen Zuschuss
hängen – oder wird, positiv ausgedrückt, nicht abermals gekürzt. Die
Weserburg wiederum hat 200.000 Euro weniger.
Erstmals ist im Haushalt eine – wenn auch bescheidene – Summe zur
Beforschung der Museumsbestände nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem
Kulturgut eingestellt: Insgesamt 20.000 Euro können von den Einrichtungen
als Komplementärmittel beantragt werden. Zuvor hatte sich das Ressort
lediglich in noch geringerem Umfang an entsprechenden Projekten beteiligt.
Ein haushalterischer Coup ist dem Kulturressort in Bezug auf das
Überseemuseum und den Schlachthof gelungen: Deren jeweilige Teilsanierungen
für insgesamt 3,5 Millionen Euro übernimmt das bremische „Sondervermögen
Immobilien und Technik“. Der Kultur-Bilanz kommt ebenfalls entgegen, dass
die Planungskosten für die anstehende Magazinerweiterung des Staatsarchivs
erst 2017 in den Haushalt eingestellt werden.
Weise Vorsorge trifft das Kulturressort hingegen bereits jetzt für die
absehbar wegfallenden Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF), die
insbesondere für kleinere Kultureinrichtungen eine wichtige Rolle spielen.
Das Europäische Parlament hat den ESF um fast die Hälfte seines Volumens
geschröpft und zudem eine binneneuropäische Mittelverschiebung in Richtung
der südlichen Eurokrisen-Länder beschlossen. Der Kulturhaushalt kompensiert
das mit rund vier Millionen Euro.
Unterm Strich weist der Etatentwurf eine weitgehende Förderkontinuität auf
– freilich inklusive des Zwangs für die Kultureinrichtungen, sämtliche
Kostensteigerungen, wie sie vor allem im Personalbereich, aber auch im
Energiesektor unvermeidbar sind, selbst zu erwirtschaften.
12 Jun 2013
## AUTOREN
Henning Bleyl
## TAGS
Kulturpolitik
Haushalt
Theater
Museum Weserburg
Wiener Festwochen
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