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# taz.de -- Die Öffnung der Bibliotheken: Mehr Zeit, weniger Personal
> Bibliotheken wollen sonntags öffnen dürfen, um mehr Senioren und junge
> Familien anzuziehen. Ver.di hält den Sonntagsausflug in die Bibliothek
> für entbehrlich.
Bild: Bibliotheken stehen vor einer doppelten Anforderung: Sonntags öffnen, oh…
BREMEN taz | Kein Ort der Welt hat derzeit eine derartige
Bibliothekarsdichte wie Bremen: 4.000 Bücherexperten bevölkern die Stadt,
ein Kernthema ihres europaweit größten Kongresses ist „Die neue Offenheit�…
die sich zu einer Gretchenfrage der Bibliotheks-Szene entwickelt hat: Wie
hältst du es mit der Sonntagsöffnung?
In Bremen gibt es ein wegweisendes Beispiel. Obwohl Sonntagsarbeit in
kommunalen Büchereien laut Bundesarbeitszeitgesetz verboten ist, durfte die
Zentralbibliothek als Pilotprojekt an sechs Sonntagen parallel zum
verkaufsoffenen Sonntag der Innenstadtgeschäfte ihre Kunden begrüßen.
Dieses Beispiel wird angesichts von den im Bibliotheksbereich
allgegenwärtigen Stellenstreichungen kontrovers diskutiert. Nur sechs
deutsche Stadtbüchereien haben überhaupt noch mindestens 50 Wochenstunden
geöffnet – in Norddeutschland ist das lediglich Bremen.
## Väter kommen sonntags
Warum aber dürfen die Bibliotheken nicht wenigstens in der dunklen
Jahreszeit sonntags öffnen? Barrierefreien Zugang auch in zeitlicher
Hinsicht fordert nun auch der Deutsche Bibliotheksverband: Gerade Familien
sowie beruflich stark beanspruchte Menschen sei die Nutzung zu erleichtern,
heißt es. Bremens Stadtbibliotheksdirektorin Barbara Lison argumentiert mit
Statistik: Seien die Besucher wochentags zu 42 Prozent berufstätig und zu
28 Prozent zwischen 28 und 45 Jahre alt, gehörten an den Sonntagen 49
Prozent zu dieser Altersgruppe und 68 Prozent zu den Berufstätigen.
Gerade junge Väter mit Kindern hätten das Angebot genutzt. Auch viele
Senioren wurden gesichtet. „Schön, so unter Menschen zu kommen“, lautet ein
Fragebogen-Kommentar.
Ver.di-Gewerkschaftler weisen darauf hin, dass die rechtlichen
Voraussetzungen für eine reguläre Sonntagsöffnung weiterhin fehlen. Sie
verteilten auf dem Kongress in Bremen Flugblätter und wollten gerade von
der sozialen Funktion des Sonntag-Angebots nichts wissen. Medien seien
ausleihbar und zu Hause nutzbar, „ein Sonntagsausflug in die Bibliothek ist
daher entbehrlich“, so die Argumentation. Lison sagte hingegen:
„Sonntagsöffnung ist eine wichtige Ergänzung zum kulturellen
Freizeitangebot.“
Einen anderen Weg in Sachen Öffnungszeiten geht Göttingen. Dort ist die
Stadtbibliothek mittwochs geschlossen. Deren Leiterin Brigitte
Krompholz-Roehl hat den politischen Auftrag, das zu ändern und gleichzeitig
Kosten senken, also mehr Angebot für weniger Geld zu schaffen. Nach einer
Analyse von Arbeitszeiten und -organisation der 31 Mitarbeiter wurde
umgeschichtet.
Die Göttinger Formel lautet: Mehr Öffnungszeit und dafür weniger, aber
gezieltere Kundenbetreuung. Da beispielsweise an Vormittagen und frühen
Nachmittagen wegen der zunehmenden Ganztagesbetreuung in Kitas und Schulen
kaum noch Kinder kommen, soll zu dieser Zeit kein Personal zur Verfügung
stehen – nur eine Überwachungskamera. Zudem müssen Kunden längere
Wartezeiten, eingeschränkten Service und höhere Tarife in Kauf nehmen. Und
die Mitarbeiter müssen flexibler sein.
Noch weiter geht Münster. „Offene Bibliotheken ohne Service sind besser als
geschlossene Bibliotheken“, sagt Monika Rasche, die Chefin der dortigen
Stadtbücherei. Sie praktiziert seit anderthalb Jahren eine „innovative
Lösung“, wie sie es nennt. Um nicht unter der Woche auf einen Öffnungstag
zu verzichten und wenigstens eine Samstagsöffnung zu ermöglichen, wurde der
Montag für servicefrei erklärt. Nur drei Mitarbeiter spazieren dann als
Aufsicht durch die Etagen. „Wandertag“ nennen das die Mitarbeiter. Dieser
Tage ist allerdings eher Schwimmen angesagt: durch das Meer der in Bremen
versammelten BerufskollegInnen.
5 Jun 2014
## AUTOREN
Jens Fischer
## TAGS
Familie
Bundesverwaltungsgericht
Kulturpolitik
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