# taz.de -- Brand in pakistanischer Textilfabrik: KiK entschädigt ein zweites … | |
> Vor vier Jahren starben 255 Beschäftigte der Textilfabrik Ali | |
> Enterprises. KiK zahlt nun rund 15.000 Euro pro Kopf an die | |
> Hinterbliebenen und Verletzten. | |
Bild: Rettungsarbeiter nach dem Brand. Für viele kam jede Hilfe zu spät | |
BERLIN taz | Es war eines der schwersten Unglücke in der weltweiten | |
Textilproduktion. 255 Beschäftigte starben, 55 weitere wurde verletzt, als | |
am 11. September 2012 die Kleidungsfabrik Ali Enterprises im pakistanischen | |
Karachi abbrannte. | |
Jetzt, fast auf den Tag genau vier Jahre später, zahlt der deutsche | |
Textildiscounter KiK eine hohe, zusätzliche Entschädigung. Die Familien der | |
Opfer und die Verletzten sollen rund fünf Millionen Dollar, etwa 4,5 | |
Millionen Euro, erhalten. Ali Enterprises hatte unter anderem für KiK | |
genäht. | |
Lange Zeit konnten sich KiK und die Vertreter der Opfer nicht über die Höhe | |
der Entschädigung einigen. Am Freitag jedoch unterzeichneten KiK, die | |
Kampagne für Saubere Kleidung, der weltweite Gewerkschaftsbund Industriall | |
und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) eine Vereinbarung. An den | |
Verhandlungen beteiligt war auch das Bundesministerium für Wirtschaftliche | |
Zusammenarbeit (BMZ). | |
Beim Brand der Fabrik in Karachi starben auch deswegen so viele Menschen, | |
weil Fenster vergittert waren und es zu wenig Notausgänge gab. Kritiker und | |
Vertreter der Opfer warfen KiK vor, für die schlechten Zustände bei seinem | |
Zulieferer mitverantwortlich zu sein. Das Textilunternehmen aus Bönen in | |
Nordrhein-Westfalen, das zum Tengelmann-Konzern gehört, wies die | |
Anschuldigungen zurück. Gleichwohl zahlte die Firma kurz nach dem Unglück | |
eine Million Dollar zugunsten der Opfer, etwa 3.000 Euro pro Person. | |
Nun erhalten die Familien der Verstorbenen und die Verletzten weitere etwa | |
15.000 Euro pro Person. Dies entspreche internationalen Standards und liege | |
über dem in Pakistan üblichen Niveau, erklärte das BMZ. Die Zahlungen | |
sollen den Geschädigten „auf Lebenszeit“ zugutekommen und von einer | |
pakistanische Behörde verwaltet werden. Das Geld ermöglicht medizinische | |
Behandlungen, dient aber auch als Ausgleich für die Arbeitskraft der toten | |
und verletzten ArbeiterInnen, die ihre Familien nicht mehr ernähren können. | |
Patrick Zahn, Vorsitzender der Geschäftsführung von KiK, sagte: „Wir | |
begrüßen die jetzt getroffene Vereinbarung zum Wohle der Betroffenen des | |
Fabrikbrandes von Ali Enterprises.“ KiK habe freiwillig Verantwortung für | |
die Betroffenen übernommen, so Zahn. „Diese Einigung ist historisch und | |
beispiellos in der Geschichte der pakistanischen Arbeiterbewegung“, sagte | |
Nasir Mansoor vom pakistanischen Gewerkschaftsbund. „Nach vier Jahren Kampf | |
erfahren die Opfer dieser Tragödie endlich Gerechtigkeit und ihr Schmerz | |
und Leiden werden international anerkannt.“ | |
## Ein Erfolg für Minister Müller | |
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bezeichnete die Einigung als einen | |
Erfolg auch seines „Textilbündnisses“. In dieser von Müller gegründeten | |
Organisation arbeiten Textilunternehmen, Gewerkschaften und Bürgerrechtler | |
zusammen, um die sozialen und ökologischen Standards in den weltweiten | |
Bekleidungsfabriken zu verbessern. Mitglieder sind unter anderem KiK und | |
die Kampagne für Saubere Kleidung. | |
KiK stand deshalb unter besonderem Druck, einer zusätzlichen Entschädigung | |
zuzustimmen. „Die Umwelt- und Sozialstandards, die wir gemeinsam erarbeitet | |
haben, stehen nicht nur auf dem Papier“, sagte Müller. „Sie verbessern ganz | |
konkret die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Näherinnen und Näher in | |
den Textilfabriken vor Ort.“ | |
Die Einigung befördert hat vermutlich auch ein Prozess, der am Landgericht | |
Dortmund läuft. Im Namen von vier Geschädigten des Ali Enterprises-Brandes | |
hat dort unter anderem die juristische Menschenrechtsorganisation ECCHR | |
eine Schadensersatzklage gegen KiK eingereicht. Pro Kopf geht es um | |
Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro. Das Gericht nahm die Klage an, die | |
Kläger erhalten Prozesskostenhilfe. Wie sich die Einigung zwischen KiK und | |
der ILO auf das Verfahren auswirkt, ist unklar. | |
10 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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