# taz.de -- Nach Brand in pakistanischer Textilfabrik: KiK muss vor Gericht | |
> Vier Pakistaner verklagen den Textildiscounter – und bekommen | |
> Prozesskostenhilfe in Deutschland. Ein erster Sieg mit möglicherweise | |
> großen Folgen. | |
Bild: Rettungshelfer nach dem Fabrikbrand in Karachi, September 2012 | |
BERLIN taz | Der Textildiscounter Kik– der Name steht für Kunde ist König �… | |
wies am Dienstag noch einmal „jede Verantwortung für das Unglück zurück“. | |
Das Unglück, das das Unternehmen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Bönen | |
jetzt in die Bredouille bringt, ereignete sich schon vor fast vier Jahren: | |
260 Menschen ersticken oder verbrennen in einem Feuer, das in der | |
Textilfabrik in Karatschi im Südosten Pakistans ausbricht. 32 Menschen | |
werden zudem verletzt. KiK verkaufte Jeans aus dieser Fabrik. | |
Am Dienstag fiel zu dem Brand am Landgericht Dortmund eine | |
„richtungsweisende“ Entscheidung, sagt der Berliner Anwalt Remo Klinger. Er | |
ist Experte für Menschenrecht und vertritt Angehörige der Toten und | |
Überlebenden. Diese haben sich in einem Verein zusammengeschlossen und vier | |
Leute ausgewählt, die stellvertretend für alle Schmerzensgeld einklagen, | |
pro Person 30.000 Euro. Die Richter haben ihnen nun Prozesskostenhilfe | |
gewährt. | |
Das heißt auch: Das Gericht fühlt sich zuständig, es nimmt die Klage an. | |
Das ist neu. Derartige Katastrophen landeten bisher nicht vor deutschen | |
Gerichten. Die Opfer sind meist nicht gut genug organisiert, ein Prozess | |
für sie ist zu teuer. Die Pakistaner werden aber unterstützt vom | |
Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) und der | |
Hilfsorganisation medico international. | |
So geht es nun um die Frage, ob KiKVerantwortung übernehmen muss für eine | |
Fabrik in Pakistan, die gar nicht ihr gehörte, sondern Ali Enterprises. Die | |
Tengelmann-Tochter mit 1,8 Milliarden Euro Nettojahresumsatz war hier der | |
mit Abstand größte Kunde. „Die Ursachen und die Umstände des Feuers sind | |
nicht auf mangelhafte Brandschutzmaßnahmen zurückzuführen“, heißt es bei | |
KiK. | |
Und: Man habe seine „unternehmerische Sorgfaltspflicht“ nicht verletzt. | |
Anwalt Klinger sieht das anders. „KiK hätte sehen müssen, wie schlecht die | |
Fabrik vor Feuer geschützt ist.“ Fenster waren vergittert, als der Brand | |
ausbrach, Notausgänge sollen geschlossen gewesen sein. Die Arbeiter konnten | |
nicht fliehen. | |
KiK hat wie andere Textilkonzerne einen Verhaltenskodex unterschrieben: | |
„Der Arbeitsplatz und das Ausüben der Tätigkeit dürfen den Arbeitnehmer, | |
seine Gesundheit und Sicherheit nicht gefährden.“ Darauf beruft sich | |
Klinger – und fühlt sich nun bestätigt. Denn in der Zivilprozessordnung | |
heißt es, dass Kläger nur Geld bekommen, um einen Prozess finanzieren zu | |
können, wenn es eine „hinreichende Aussicht auf Erfolg“ für sie gibt. Die | |
Richter betonten, es handele sich um „keinerlei Präjudiz für das | |
Hauptsacheverfahren“. Ihre Entscheidung habe damit zu tun, dass sie Zeit | |
brauchen. | |
Der Fall muss nach pakistanischem Recht entschieden werden. Dazu soll erst | |
einmal ein Rechtsgutachten eingeholt werden. | |
Ein Erfolg der Klage könnte heftige Auswirkungen haben für Firmen, die in | |
Billigländern produzieren lassen. „Es wird schwierig, wenn deutsche | |
Unternehmen haftbar gemacht werden für Missstände in anderen Ländern, die | |
sie nicht verantworten können“, sagt Axel Augustin vom BTE-Handelsverband | |
Textil. ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck sagt es so: „Die | |
Leidtragenden der Textilindustrie fordern Gerechtigkeit.“ Vor drei Jahren | |
stürzte in Bangladesch das Fabrikgebäude Rana Plaza ein, 1.500 Menschen | |
starben. Der Brand bei dem KiK-Lieferanten ist nicht die einzige Katstrophe | |
in der Textilproduktion. | |
31 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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