| # taz.de -- KiK-Chef Patrick Zahn über faire Löhne: „Wir haben dazugelernt�… | |
| > KiK stand schwer in der Kritik: Über tausend Angestellte starben bei | |
| > einem Brand und einem Fabrikeinsturz. Seitdem hat der Textildiscounter | |
| > einiges verbessert. | |
| Bild: Eine der Überlebenden des Rana-Plaza-Unglücks arbeitet in einem Rehabil… | |
| taz: Herr Zahn, Ihre Textilmarktkette KiK hat ein miserables Image: billige | |
| Preise, aber üble Arbeitsbedingungen bei Ihren Lieferanten. Nun geben Sie | |
| eine aufwändige Kundenzeitschrift heraus. Außerdem beauftragen Sie eine | |
| Agentur für politische Kommunikation, um Ihr Bild in der Öffentlichkeit zu | |
| steuern. Warum genau machen Sie das? | |
| Patrick Zahn: Wir wollen unseren Kundenkreis erweitern. Früher gab es viele | |
| Verbraucher, die bewusst nicht bei KiK einkauften. Um unser Ziel zu | |
| erreichen, wollen wir das Image des Unternehmens verbessern. | |
| Damit reagieren Sie unter anderem auf die Katastrophen bei zwei Ihrer | |
| asiatischen Zulieferer. 2012 brannte die Fabrik Ali Enterprises in Pakistan | |
| ab, 2013 brach das Produktionsgebäude Rana Plaza in Bangladesch zusammen. | |
| Über tausend Beschäftigte starben. | |
| Auf solche Vorfälle mussten wir reagieren, sonst wären wir unserer | |
| Verantwortung nicht gerecht geworden. Und ich kann sagen: Wir haben | |
| dazugelernt. | |
| Das müssen Sie belegen. Was machen Sie denn nun anders? | |
| Wir sind dem sogenannten Accord in Bangladesch beigetreten, einem Abkommen | |
| zur Verbesserung der Gebäudesicherheit. Das war ein wichtiger Schritt für | |
| uns. Darüber hinaus arbeiten wir enger mit unseren Lieferanten zusammen, | |
| wir schulen sie und geben ihnen finanzielle Anreize, gute Sicherheits- und | |
| Arbeitsstandards umzusetzen. Wir bringen uns aktiv in das Textilbündnis von | |
| Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ein. Dabei geht es beispielsweise | |
| darum, dass die Bezahlung der Beschäftigten in den Produktionsländern | |
| steigt. Und außerdem kommunizieren wir offener als früher. Deswegen findet | |
| dieses Interview statt. | |
| Wie konkret haben Ihnen die Unfälle in Pakistan und Bangladesch geschadet? | |
| Für jeden von uns, der hier arbeitet, auch mich, war das eine Belastung. Im | |
| privaten Bereich wurde man darauf angesprochen, musste sich erklären. Neue | |
| Mitarbeiter zu finden, gestaltete sich zeitweise schwierig, weil Vorbehalte | |
| gegen die Firma bestanden. Außerdem können sich solche Ereignisse | |
| nachteilig auf das Geschäft auswirken. Unsere Umsätze sind trotz der | |
| Ereignisse in den vergangenen Jahren konstant gestiegen, aber viele Bürger | |
| hatten auch Bedenken, ob sie unsere Produkte kaufen können. | |
| Diese Woche nehmen Sie an der Afrika-Konferenz der Bundesregierung teil. | |
| Warum? | |
| Ich bin in Südafrika geboren und habe drei Jahre dort gelebt, bis meine | |
| Eltern umzogen. Ich spüre noch immer einen starken Bezug zu dem Land. So | |
| ist es mir ein Herzensthema, dass es auf dem afrikanischen Kontinent | |
| endlich vorwärts geht. KiK will dort mehr produzieren lassen und sein | |
| geschäftliches Engagement in bislang vier Ländern ausbauen – auch weil wir | |
| das Risiko besser verteilen und nicht alles auf die Karte Asien setzen | |
| wollen. Über 60 Prozent unserer Textilien kommen derzeit aus Bangladesch. | |
| Wenn im Hafen von Chittagong etwas passiert und die Lieferungen | |
| unterbrochen werden, haben wir ein ernsthaftes Problem. | |
| Welche Botschaft wollen Sie bei der Konferenz senden? | |
| Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel glaube ich, dass staatliche | |
| Entwicklungshilfe und privatwirtschaftliches Engagement miteinander | |
| kombiniert werden sollten, um in Afrika Fortschritte zu erreichen. Dazu | |
| will ich unseren Beitrag anbieten. Außerdem kann man auf diesem Kontinent | |
| aus Fehlern lernen, die in Asien gemacht wurden. Im sehr dicht besiedelten | |
| Bangladesch werden die Fabriken in die Höhe gebaut, was beim Unfall von | |
| Rana Plaza fatale Folgen hatte. In afrikanischen Staaten gibt es dagegen | |
| oft ausreichenden Platz, um flach und damit sicherer zu bauen. | |
| Suchen Sie eine Alternative zu Bangladesch, China, Indien und Pakistan, | |
| weil die Löhne und Herstellungskosten dort zu sehr steigen? | |
| Das ist nicht der wesentliche Punkt. Ich habe mich ja dafür ausgesprochen, | |
| den staatlichen Mindestlohn in Bangladesch um zehn Prozent anzuheben. Eine | |
| solche Erhöhung wäre für uns darstellbar, weil wir sie mit | |
| Kostenreduzierungen an anderer Stelle auffangen könnten. | |
| In der Regel bekommen die ArbeiterInnen in den Zulieferfabriken nur die | |
| Hälfte oder ein Drittel dessen, was sie und ihre Familien bräuchten, um ein | |
| normales Leben zu führen. Dabei machen die Arbeitskosten bloß wenige | |
| Prozent der Preise aus, die europäische Kunden für die Kleidungsstücke | |
| bezahlen. Warum verpflichten Sie ihre Zulieferer nicht, die Löhne zu | |
| verdoppeln? | |
| Wir stehen mit unserem Geschäftsmodell im Wettbewerb zu Konkurrenzfirmen. | |
| Deshalb plädiere ich für höhere, staatlich festgelegte Mindestlöhne. Diese | |
| betreffen dann alle Auftraggeber, nicht nur uns. Um solche | |
| allgemeingültigen Regeln zu verbessern oder zu schaffen, sind wir im | |
| Textilbündnis aktiv. | |
| Als Außenstehender in einem anderen Land höhere Mindestlöhne durchsetzen zu | |
| wollen, ist eine langwierige Angelegenheit. Wenn Sie mit Ihren wichtigsten | |
| Zulieferern auf direktem Wege eine bessere Bezahlung vereinbarten, kämen | |
| Sie möglicherweise schneller zum Ziel. | |
| Dass dann ein positiver Effekt für die Beschäftigten in den Fabriken | |
| eintritt, bezweifele ich. Wenn die Löhne schnell steigen, explodieren | |
| beispielsweise auch die Mieten, die die Arbeiter und Arbeiterinnen für ihre | |
| Wohnungen zahlen müssen. Dieses Problem kann ein einzelner Auftraggeber | |
| nicht lösen. | |
| Ein seltsames Argument. Hierzulande findet niemand Lohnerhöhungen falsch, | |
| weil sie durch steigende Lebenshaltungskosten wieder aufgezehrt werden | |
| könnten. | |
| Bangladesch ist keine Marktwirtschaft wie unsere. Die ökonomische Elite ist | |
| dort sehr verflochten. Es besteht die Gefahr, dass sich die Besitzer der | |
| Textilfabriken und der Mietshäuser absprechen und die Lohnerhöhung, die den | |
| Beschäftigten zugute kommen sollte, in ihre gemeinsamen Taschen lenken. Ein | |
| zweiter entscheidender Punkt ist aber, dass die Löhne nicht durch die | |
| Auftraggeber festgelegt werden. Würden die Löhne nur in einzelnen Fabriken | |
| steigen, könnte ihre Wettbewerbsfähigkeit darunter leiden. | |
| Die Arbeitskosten sind im Verhältnis zum Endkundenpreis so niedrig, dass | |
| sich die Verdoppelung der Löhne vielleicht mit fünf Cent pro T-Shirt | |
| niederschlagen würde. Wegen einer Preiserhöhung um fünf Cent verkaufen Sie | |
| nicht weniger T-Shirts. | |
| Doch, das kann passieren. Zu den fünf Cent kommen entsprechend mehr Steuern | |
| und Provisionen für Agenturen. Dann sind wir schnell bei neun oder zehn | |
| Cent. Solche kleinen Beträge geben in unserem Preissegment oft den | |
| Ausschlag, ein Produkt zu kaufen oder es liegen zu lassen. Die | |
| Endverbraucher sind sehr preissensibel. Denn es gibt eine Menge Menschen in | |
| Deutschland, die am 25. eines Monats kein Geld mehr haben. Auch denen will | |
| KiK ermöglichen, sich mit Würde und Vielfalt einzukleiden. Den Spagat | |
| zwischen akzeptablen Löhnen und Preisen müssen wir deshalb bewältigen. | |
| 15 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
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