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# taz.de -- Ausbeutung in der Textilindustrie: Schrittchen hier, Roadmaps da
> Vier Jahre nach dem Einsturz des Rana Plaza hat sich in der
> Textilindustrie wenig geändert. Die Ebert-Stiftung und das EU-Parlament
> halten dagegen.
Bild: Die Bundeswehr ist einer der großen Einkäufer von Textilien – und sol…
Berlin taz | Kurz vor dem Jahrestag der Katastrophe von Rana Plaza eröffnet
die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Bangladesch eine
Gewerkschaftsakademie. Vor vier Jahren war in einem Vorort der Hauptstadt
Dhaka ein Fabrikgebäude eingestürzt, 1.127 Arbeiterinnen und Arbeiter
starben, über 2.438 wurden verletzt. „Rana Plaza“ wurde zum Synonym für d…
unmenschlichen Bedingungen in der Textilindustrie Bangladeschs, die 80
Prozent der Exporte des Landes bestreitet.
„In Bangladesch trifft eine äußerst schwache Gewerkschaftsbewegung auf sehr
starke und einflussreiche Arbeitgeber“, sagt Michael Sommer, ehemaliger
Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Als stellvertretender Vorsitzender
der SPD-nahen FES hat er die Akademie in Dhaka mit eröffnet. Um einen
funktionierenden Sozialdialog aufzubauen, sei Bildung eines der wichtigsten
Mittel, so Sommer. Die neue Akademie biete 20 hauptamtlichen
Gewerkschaftern eine dreimonatige Weiterbildung an, darunter ein Drittel
Frauen.
Unterrichtet werde auf Bengalisch, der Landessprache, sagt Franziska Korn,
Leiterin des FES-Büros in Dhaka. Das Projekt sei langfristig angelegt,
nächstes Jahr würden weitere 20 Gewerkschafter ausgebildet. Zwar mutet das
Projekt der FES, über dessen Etat die Stiftung nichts preisgibt, als
winziges Schrittchen zu besseren Verhältnissen an, doch immerhin ermöglicht
es Selbsthilfe vor Ort.
## Niedrigste Mindestlöhne
Die ist bitter nötig. Die nach den wochenlangen Protesten im Dezember
inhaftierten ArbeiterInnen sind frei, viele seien aber seitdem arbeitslos
und hätten ihr Ziel, die niedrigen Mindestlöhne zu erhöhen, nicht erreicht,
sagt Gisela Burckhardt, Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation Femnet.
Seit drei Jahren sei der Mindestlohn nicht erhöht worden, so Burckhardt,
„da ist keine Bewegung zu sehen“. Europa sei Hauptexportland für die
Textilindustrie Bangladeschs, der damit verbundenen Verantwortung werde
die EU „überhaupt nicht gerecht“. So könnte sie das Land etwa von der Lis…
der Staaten streichen, die von Zollpräferenzen profitieren.
„Davor fürchtet sich der mächtige Textilindustriellenverband BGMEA sehr“,
sagt Arne Lietz, Sozialdemokrat im EU-Parlament. Er hat einen
Initiativbericht mit auf den Weg gebracht, über den das Parlament nächste
Woche abstimmen wird. Wird er angenommen, bedeutet das für die
EU-Kommission den Auftrag, ein Gesetz ähnlich der
„Konfliktmineralien-Richtlinie“ vorzulegen. Darin werden Unternehmen
verpflichtet, für bestimmte Metalle wie Gold oder Wolfram ihre Lieferketten
transparent zu machen. „Wir wollen legal verbindliche Standards in der
Textil- und Schuhindustrie“, sagt Lietz.
## Mitgliederschwund im Textilbündnis
Gesetzliche Regelungen fordert auch Textilexpertin Burckhardt – und
arbeitet trotzdem weiter im Textilbündnis mit, das
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ins Leben gerufen hat, ebenfalls
als Reaktion auf Rana Plaza. Dort entwickeln Nichtregierungsorganisationen,
Unternehmen, Behörden und Regierung freiwillige Standards für eine bessere
Produktion. Seit in dem Bündnis „richtig gearbeitet“ werde, sind von den
190 Mitgliedern vom November 2016 aktuell nur noch 150 übrig. „Wer nicht
gewillt ist, wirklich etwas zu ändern, der tritt jetzt wieder aus“, sagt
Burckhardt. Das sei ein Zeichen für die Qualität des Bündnisses. Bis Ende
März mussten seine Mitglieder individuelle Roadmaps erstellen, die sie nun
abarbeiten müssen. Wer sie dabei kontrolliert und ob und wie die Roadmaps
öffentlich gemacht werden, ist unklar.
Für Uwe Kekeritz ist das eines der großen Mankos der Minister-Initiative.
„Rana Plaza hat ein historisches Momentum erzeugt, in dem politische
Änderungen für mehr Transparenz und bessere Arbeitsbedingungen möglich
gewesen wären“, sagt der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen im
Bundestag. „Die Industrie ist dem öffentlichen Druck mit Hilfe von Müller
elegant ausgewichen.“
23 Apr 2017
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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