# taz.de -- Bericht zum Textilbündnis: Nachsicht mit Sündern | |
> Im Textilbündnis werden Standards der Produktion festgeschrieben. Viele | |
> Mitgliedsfirmen verbessern die Arbeitsbedingungen aber nicht. | |
Bild: Textilarbeiter in Dhaka, Bangladesch | |
BERLIN taz | Das Textilbündnis von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) | |
schleppt 27 Unternehmen weiter mit, die die Anforderungen der Organisation | |
bisher nicht erfüllt haben. Keiner werde ausgeschlossen, alle bekämen einen | |
blauen Brief mit der Aufforderung zur Nachbesserung, hieß es. | |
Das Bündnis soll die Arbeits- und Umweltbedingungen bei den Lieferanten der | |
Textilhändler verbessern. Müller hat den Zusammenschluss aus Firmen, | |
Bundesregierung, Verbänden und Entwicklungsorganisationen im Oktober 2014 | |
als Reaktion auf den Einsturz des Fabrikkomplexes Rana Plaza in Bangladesch | |
gegründet. Dort starben über 1.000 ArbeiterInnen, die teilweise auch für | |
deutsche Firmen nähten. | |
Die Mitglieder bekennen sich etwa dazu, die Gebäudesicherheit in den | |
Fabriken zu erhöhen, den Brandschutz zu verbessern und höhere Löhne | |
einzuführen. Mit dabei sind Konzerne wie KiK, Otto und Rewe, aber auch die | |
Kampagne für Saubere Kleidung. | |
Am Donnerstag tagte der Steuerungskreis des Textilbündnisses. Zuvor hatten | |
die Mitglieder erstmals konkrete freiwillige Verbesserungsziele und | |
Umsetzungsschritte für 2017 nennen müssen. Externe Prüfer bewerteten die | |
sogenannten Roadmaps von 71 Mitgliedsfirmen als plausibel, in 27 Fällen | |
wurden diese jedoch als „nicht plausibel“ eingestuft. Der Steuerungskreis | |
entschied dennoch, allen Firmen eine weitere Chance zu geben. | |
## Ausschluss nicht opportun | |
Welche Unternehmen aus welchen Gründen Probleme haben, will das | |
Textilbündnis nicht verraten. Offenbar gehören dazu auch einige kleine | |
Ökofirmen, die einen gemeinsamen Kritikbrief an das Bündnis schrieben. Sie | |
beschweren sich unter anderem über die hohe Arbeitsbelastung durch | |
zusätzliche Anforderungen, die von kleinen Betrieben schwer zu erfüllen | |
seien. Außerdem sei es für Vorreiter mit ökologischer Orientierung | |
schwierig, die Latte noch einmal höher zu legen. Unterzeichnet haben den | |
Brief unter anderem Hopp KG und Maas Naturwaren. | |
„Um diese Unternehmen nicht zu verlieren, haben wir der Regelung von | |
möglichen Nachbesserungen zugestimmt“, sagte Maik Pflaum von der | |
Christlichen Initiative Romero. „Allerdings besteht die Gefahr, dass nun | |
auch große, konventionell arbeitende Unternehmen durchrutschen, die sich | |
keine oder zu wenig Mühe geben.“ | |
Minister Müller erscheint es vor der Bundestagswahl offenbar nicht | |
opportun, eine größere Zahl von Unternehmen aus dem Bündnis auszuschließen. | |
Denn der Marktanteil der Mitgliedsfirmen droht unter 50 Prozent des | |
deutschen Gesamtmarktes zu sinken. Anfangs deckten die Bündnismitglieder 56 | |
Prozent des einheimischen Textilmarktes ab. Vor einigen Monaten traten | |
jedoch Real, Trigema und weitere Händler aus. Ursprünglich hatte das | |
Bündnis rund 190 Mitglieder verzeichnet, jetzt sind es nur noch 148. | |
„Es hat sich etwas in Bewegung gesetzt,“ sagte ein Sprecher des | |
Entwicklungsministeriums trotzdem. | |
Bisher allerdings sind die meisten Versprechungen in den Roadmaps eben nur | |
Theorie. Projekte zur Umsetzung der Bündnisversprechen befinden sich noch | |
im Anfangsstadium. Konkrete Verbesserungen der Arbeits- und | |
Umweltbedingungen in den Fabriken gab es bislang nicht. | |
28 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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