| # taz.de -- Textilbündnis des Entwicklungsministers: Schlechte Passform für d… | |
| > Im Bündnis für nachhaltige Textilien wird es erstmals konkret – und | |
| > gerade für die Vorbilder schwierig. Sie fordern mehr Flexibilität. | |
| Bild: Großer Aufwand für mickrige Ergebnisse? Kleine Firmen beschweren sich �… | |
| Berlin taz | Die Ökos im Textilbündnis sind sauer und drohen mit Rückzug. | |
| Seit drei Jahren verleihen sie dem Prozess, mit dem Entwicklungsminister | |
| Gerd Müller (CSU) die deutsche Textilindustrie sozialer und ökologischer | |
| machen will, seine Glaubwürdigkeit. Nun reicht es den Öko-Unternehmen. In | |
| einem gemeinsamen Brief an das Bündnis fordern sie, künftig anders | |
| behandelt zu werden als die konventionellen Modefirmen. | |
| Dem Steuerungskreis, dem wichtigsten Lenkungsgremium des Bündnisses, steht | |
| am Donnerstag also eine turbulente Sitzung bevor. Er muss entscheiden, ob | |
| das Bündnis Firmen wie Maas Natur, Lauffenmühle oder Hess Natur | |
| entgegenkommt – oder sie ziehen lässt. Diese Unternehmen arbeiten längst | |
| nach Standards des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft (IVN) | |
| oder dem Global Organic Textile Standard (GOTS). | |
| Im Frühjahr mussten sie nun, wie fast alle der 146 Mitglieder, eine Roadmap | |
| erstellen, in der sie sich konkrete Ziele in bestimmten Zeiträumen setzten. | |
| „Das Ziel war, Risiken zu erkennen, sie abzustellen und dann Verbesserungen | |
| einzuführen“, sagt Berndt Hinzmann, der für das entwicklungspolitische | |
| Netzwerk Inkota im Steuerungskreis sitzt. Eine externe Prüfgesellschaft hat | |
| die Roadmaps auf Plausibilität geprüft. | |
| „Es ging nicht darum, wie gut das Unternehmen schon etwas umgesetzt hat, | |
| sondern wie stimmig seine Ziele sind“, so Hinzmann. Wollte ein Unternehmen | |
| etwa Überstunden in den Fabriken abbauen, ließe jedoch die Zusammenarbeit | |
| mit Gewerkschaftern außen vor, sei das wenig plausibel. Ende des Jahres | |
| wird überprüft, ob die Ziele eingehalten wurden. | |
| ## Probleme bei der Plausibilitätsprüfung | |
| Offenbar hatten etliche der Mitglieder – NGOs, Ministerien, Gewerkschaften, | |
| Unternehmen – Probleme bei der Plausibilitätsprüfung, pikanterweise vor | |
| allem gerade kleine oder mittelständische Öko-Betriebe. Sie starten von | |
| einem – verglichen mit konventionellen Firmen – sehr hohen Niveau, setzen | |
| häufig zertifizierte Naturfasern ein, kennen ihre Lieferanten persönlich | |
| oder sind in der Fair Wear Foundation, um die Arbeitsbedingungen in der | |
| Lieferkette zu verbessern. | |
| Der personelle und finanzielle Aufwand für das Textilbündnis sei für die | |
| kleinen Unternehmen riesig – das Ergebnis mickrig, heißt es unisono. „Wir | |
| arbeiten schon sehr nachhaltig“, sagt Corona Bregenzer von Lauffenmühle, | |
| einem Hersteller von Geweben für Berufsbekleidung aus Baden-Württemberg, | |
| „und müssen trotzdem so viel Zeit in den Prozess stecken, um noch die | |
| letzten zwei, drei Prozent zu verbessern“. Es sei falsch, dass kleinere | |
| Pionier-Unternehmen durch den organisatorischen Aufwand genauso gefordert | |
| würden wie die Konzerne, die teilweise unter schlimmsten Bedingungen in | |
| Asien produzierten und meist leichter Kapazitäten für die Bündnisarbeit | |
| bereitstellen könnten. | |
| Diese sei auf die Großen zugeschnitten, heißt es von einem kleinen Händler, | |
| der erst mal das Ergebnis der Verhandlungen im Steuerungskreis abwarten | |
| will, bevor er sich öffentlich äußert. „Wir sind schon fast an der riesigen | |
| Software für den Fragebogen gescheitert“, erzählt er. Seine Lieferanten | |
| arbeiteten nach europäischem Arbeits- und Umweltrecht. Ob er denen jetzt | |
| vorschreiben solle, den Müll besser zu trennen? | |
| ## Winzige Ziele und kaum Verbesserungen? | |
| Branchenführer Hess Natur aus dem hessischen Butzbach betont, das Bündnis | |
| sei wichtig, schließlich seien die Mitglieder ab dem nächsten Jahr | |
| gezwungen, ihre Roadmaps und damit ihre Ziele zu veröffentlichen – „das | |
| wird wirken“, so Pressesprecher Sven Bergmann. Doch beobachte man genau, | |
| dass kein Greenwashing betrieben wird. | |
| Reinhard Maas, Geschäftsführer des Öko-Versandhandels Maas Natur, fühlt | |
| sich schon jetzt als „Steigbügelhalter“ für die großen Unternehmen. „S… | |
| setzen sich winzige Ziele und verbessern kaum etwas“, so Maas, „und wir | |
| liefern ihnen einen grünen Mantel“. Wenn die Textilfirmen nicht bald | |
| ernsthafte Veränderungsbereitschaft bewiesen, müsse die Bundesregierung | |
| handeln, so Maas. | |
| Im Bündnissekretariat, das die Arbeit koordiniert, trifft der Unmut auf | |
| Verständnis. „Wir sind eine lernende Organisation“, sagt der Leiter Jürgen | |
| Janssen, „wir wollen die Organisation breit halten und möglichst alle | |
| mitnehmen, unabhängig von der Ausgangssituation.“ Entscheiden müsse darüber | |
| aber der Steuerungskreis. | |
| Dessen zwölf Mitglieder entscheiden nicht nur über Sonderregeln für die | |
| Ökos, sondern beraten über alle nicht plausiblen Maßnahmenkataloge. | |
| Organisationen wie Inkota oder Femnet fordern alle Mitglieder auf, schon | |
| jetzt ihre Ziele zu veröffentlichen – obwohl dies bislang noch freiwillig | |
| ist. Derzeit decken die Unternehmen im Textilbündnis knapp 50 Prozent des | |
| deutschen Marktes – Freitag könnten es einige Prozent weniger sein. | |
| 27 Jul 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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