| # taz.de -- Fünf Jahre nach Rana-Plaza-Unglück: Kein Stoff für faire Kleidung | |
| > Vor fünf Jahren ereignete sich in Bangladesch der Einsturz der | |
| > Textilfabrik mit über 1000 Toten. Deutsche Firmen arbeiten an besseren | |
| > Arbeitsbedingungen. | |
| Bild: Kritiker mahnen verbindliche Maßnahmen an: Textilfabrik in Bangladesch | |
| Dass der Entwicklungsminister stolz ist, lässt sich aus nahezu jeder Zeile | |
| seiner Mitteilung herauslesen. Gerd Müller, CSU-Politiker, spricht von | |
| einer Branche in Bewegung, von einem Wandel zu mehr Nachhaltigkeit. Gemeint | |
| ist die Wende der Textilbranche vom Billigheimer zum Industriezweig mit | |
| öko-sozialem Bewusstsein, ausgelöst durch eines der schwersten | |
| Fabrikunglücke der letzten Zeit. | |
| Genau fünf Jahre ist es her, dass die Menschen in den westlichen | |
| Industriestaaten darauf aufmerksam gemacht wurden, unter welchen | |
| Bedingungen ihre Kleidung hergestellt wird. 1.100 Menschen starben beim | |
| Einsturz von Rana Plaza, einer Textilfabrik in Bangladesch, rund 2.500 | |
| wurden verletzt. | |
| Wenige Monate nach dem Unglück gründete Müller das Bündnis für nachhaltige | |
| Textilien. Gewerkschaften machen mit, Handelsverbände, Unterstützer von | |
| ArbeiterInnen in den Produktionsländern – und vor allem die Unternehmen, | |
| die die in Bangladesch, Pakistan, Indien oder in anderen Schwellen- und | |
| Entwicklungsländern hergestellte Kleidung in Deutschland und Europa | |
| verkaufen. | |
| 2013 startete das Bündnis mit 34 Mitgliedern und rund einem Prozent | |
| Marktabdeckung. Heute sind es etwa 150 Unterstützer, die für etwa 50 | |
| Prozent des Marktes stehen. Auch der Textildiscounter KiK beteiligt sich an | |
| dem Bündnis. „Wir haben seitdem unsere 190 Zulieferfabriken gründlich | |
| inspiziert“, heißt es aus dem Unternehmen. „Wir haben uns dort jeweils die | |
| Gebäudestatik angesehen, die elektrische Sicherheit und den Brandschutz | |
| überprüft.“ | |
| Die dokumentierten Mängel seien zu rund 80 Prozent beseitigt, heißt es | |
| sogar. Was dies konkret bedeutet, bleibt offen. Zudem arbeite man daran, | |
| gemeinsam mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für Bangladesch | |
| ein Versicherungssystem für Arbeitsunfälle einzuführen, sodass Betroffene | |
| von Arbeitsunfällen in Zukunft zuverlässigen Zugang zu finanziellen Hilfen | |
| haben. „Die Herausforderung, gute Produktionsbedingungen zu schaffen, | |
| betrifft die ganze Branche, alle Anbieter, egal ob teuer oder günstig“, | |
| heißt es weiter. | |
| Ähnlich markige Worte kommen auch von C&A. Hier spricht man von einem | |
| Wendepunkt für die gesamte globale Textilindustrie. Man habe den Einsturz | |
| des Rana-Plaza-Gebäudes zum Anlass genommen, die globale Zulieferkette | |
| nochmals auf den Prüfstand zu stellen. Bei C&A hält man wie bei KiK eine | |
| Zusammenarbeit der Zulieferer vor Ort für eine gute Lösung. Bei der | |
| Modefirma Adler gibt es ein Lieferanten-Management-System, über das | |
| Informationen über Produktionsstätten dokumentiert und nachverfolgt werden. | |
| Jede neue Fabrik wird überprüft. Ohne Freigabe dürften keine Produkte von | |
| Adler dort hergestellt werden. Beide Firmen sind auch Teil des | |
| Textilbündnisses. | |
| Für Berndt Hinzmann vom entwicklungspolitischen Inkota-Netzwerk klingen die | |
| Versprechungen zunächst gut, doch es müssen verbindliche Maßnahmen her. Bis | |
| Ende April sollen die Firmen aus dem Textilbündnis ihre Fahrpläne vorlegen, | |
| wie sie für bessere Arbeitsbedingungen sorgen wollen. Hinzmann fordert | |
| klare Ansagen, zum Beispiel wann existenzsichernde Löhne eingeführt, wie | |
| Gewerkschaften in den Produktionsländern gestärkt werden oder welche | |
| konkreten Pläne es gibt, um die Sicherheit der Gebäude zu gewährleisten. | |
| „Das Bündnis muss dazu ambitioniert beitragen und darf kein Papiertiger | |
| sein“, sagt Hinzmann. Unternehmen, die bis zum Stichtag keinen Fahrplan | |
| vorlegen können, droht im schlimmsten Fall der Ausschluss aus dem | |
| Textilbündnis. | |
| Hinzmann drückt aufs Tempo, Arbeits- und Gesundheitsschutz können nicht | |
| warten. „Wer sich heute ein Kleidungsstück kauft, kann noch lange nicht | |
| sicher sein, dass es unter fairen und guten Bedingungen produziert wurde“, | |
| sagt er. Trotz Mitgliedschaft im Textilbündnis. Er fordert gesetzliche | |
| Vorgaben und staatliche verbindliche Kriterien, die soziale und ökologische | |
| Standards festzurren. Aber: „Was fair bedeutet, ist heute nicht gesetzlich | |
| definiert und daher sehr vielseitig“, sagt Hinzmann. | |
| Seine Freude über das Textilbündnis lässt sich Minister Müller nicht | |
| nehmen. Er arbeitet bereits am nächsten Schritt: einem grünen Knopf für die | |
| Kennzeichnung fairer Kleidung. | |
| 23 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Tanja Tricarico | |
| ## TAGS | |
| Bangladesch | |
| Textilindustrie | |
| Mode | |
| Kapitalismus | |
| Sneaker | |
| Rana Plaza | |
| Italien | |
| nachhaltige Kleidung | |
| nachhaltige Kleidung | |
| Mode | |
| Bangladesch | |
| Kolonialgeschichte | |
| Kleidung | |
| Textilindustrie | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Was im Kopf eines Sammlers vorgeht: „Es ist krank, 100 Schuhe zu haben“ | |
| Janiv Koll sammelt Sneaker von Nike und ist ein Connaisseur der Szene. Er | |
| liebt die Altersspuren seiner Objekte – und vergleicht sie mit seiner Oma. | |
| Die Geschichte des Turnschuhs: So wird ein Sneaker draus | |
| Vor 30 Jahren begannen schwarze Jungs, ihre Turnschuhe auf den Straßen der | |
| Bronx zu tragen. Heute werden Modelle für Tausende Euro verkauft. | |
| Fabrikeinsturz in Bangladesch 2013: Keine Einigung zu Rana Plaza | |
| Ein Beschwerdeverfahren gegen den TÜV Rheinland wegen eines mangelhaften | |
| Prüfberichts zur eingestürzter Textilfabrik bleibt ohne Ergebnis. | |
| Brückeneinsturz in Italien: Eine ungeheure Tragödie | |
| Im italienischen Genua sind 200 Meter einer Autobahnbrücke eingestürzt. | |
| Dutzende Menschen starben. Nun wird über Infrastruktur debattiert. | |
| Takkos Textilproduktion: Billigklamotten, aber fair | |
| Takko konkurriert bei seinen Preisen mit Kik oder NKD. Trotzdem bemüht sich | |
| der Textildiscounter laut einem Bericht um faire Arbeit. | |
| Produktsiegel für nachhaltige Kleidung: Ökos fürchten hellgrünen Knopf | |
| Lasche Kriterien, unrealistischer Zeitplan: Die Kritik am Siegel des | |
| Entwicklungsministers wächst. Eine Definition von „fair“ und „nachhaltig… | |
| fehle. | |
| Transparenz in der Textilindustrie: Vorwürfe gegen Zalando | |
| Die Menschenrechtsaktivistin Gisela Burckhardt übt scharfe Kritik am | |
| Online-Modehändler. Sie bemängelt die intransparente Lieferkette. | |
| Juristin zu Fabrikeinsturz in Bangladesch: „Passiert ist bisher wenig“ | |
| Vor fünf Jahren stürzte die Rana-Plaza-Textilfabrik ein. Dort wurde auch | |
| Kleidung für deutsche Geschäfte genäht. Miriam Saage-Maaß über die Folgen. | |
| Auszeichnung für die Uni Bremen: Der Stoff der Ausbeuter | |
| Ein Semester lang geht es an der Uni Bremen um die Frage, was die Baumwolle | |
| für den Kapitalismus bedeutet. Für dieses Projekt wird die Uni jetzt | |
| ausgezeichnet. | |
| Verantwortung anziehen: Wer unser Zeug näht | |
| Eine Bremerin ist um die Welt gereist, um die Menschen zu finden, die | |
| unsere Kleidung herstellen und die Bedingungen ihres Alltags zu | |
| protokollieren | |
| Ausbeutung in der Textilindustrie: Schrittchen hier, Roadmaps da | |
| Vier Jahre nach dem Einsturz des Rana Plaza hat sich in der Textilindustrie | |
| wenig geändert. Die Ebert-Stiftung und das EU-Parlament halten dagegen. |