# taz.de -- Nach Fabrikbrand in Pakistan: KiK geht auf Opfer zu | |
> Die Betroffenen der Katastrophe in der Textilfabrik Ali Enterprises | |
> sollen mehr Geld erhalten. Am Landgericht Dortmund wurde eine Klage | |
> eingereicht. | |
Bild: Anwohner stehen 2012 vor dem ausgebrannten Gebäude in Karachi | |
BERLIN taz | Es war einer der schlimmsten Industrieunfälle in der | |
Geschichte Pakistans. Mindestens 259 Menschen starben am 11. September 2012 | |
beim Brand der Textilfabrik Ali Enterprises. Nun, fast vier Jahre nach der | |
Tragödie in der Hub Road in der pakistanischen Metropole Karachi, zeichnet | |
sich für die Opfer und Hinterbliebenen eine Chance auf ausreichende | |
Entschädigung ab. „Das deutsche Textilunternehmen KiK hat sich bereit | |
erklärt, an weiteren Verhandlungen teilzunehmen“, sagt Berndt Hinzmann von | |
der Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign, CCC). KiK war | |
zeitweise der größte Auftraggeber von Ali Enterprises. | |
Die Gespräche werden in Kürze bei der Internationalen Arbeitsorganisation | |
(ILO) in Genf beginnen. Teilnehmen sollen unter anderem auch das deutsche | |
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), die | |
pakistanische Regierung sowie Gewerkschaften. Bisher hat KiK mit Hauptsitz | |
im nordrhein-westfälischen Bönen rund 800.000 Euro zur Verfügung gestellt – | |
also durchschnittlich gut 3.000 Euro pro Todesopfer. Den Hinterbliebenen | |
der Toten und den beim Brand verletzten Arbeitern ist das aber zu wenig. | |
Die Billigtextilkette, die zum Tengelmann-Konzern gehört, setzte im Jahr | |
2014 etwa 1,69 Milliarden Euro um. Das Unternehmen bestätigt, dass | |
Verhandlungen beabsichtigt seien. Dazu bereit sei man allerdings schon seit | |
„mehr als zwei Jahren“. Für die Verzögerung macht KiK unter anderem | |
pakistanische Organisationen verantwortlich, die betroffene Beschäftigte | |
und ihre Familien unterstützen. Die Vertreter der Opfer hatten dagegen eher | |
den Eindruck, KiK wolle sich vor weiteren Zahlungen drücken. | |
Doch Unternehmen können sich heute nicht mehr so einfach aus der Affäre | |
ziehen. Das sei eine Folge der Katastrophe von Rana Plaza im April 2013, | |
sagt die Berliner Menschenrechtsanwältin Miriam Saage-Maaß. Beim | |
Zusammenbruch des Fabrikkomplexes in Bangladesch waren über 1.100 | |
Beschäftigte umgekommen. Der Fall löste große Empörung aus. Rund 26,5 | |
Millionen Euro haben europäische und amerikanische Textilhändler | |
mittlerweile an die ILO als Entschädigung überwiesen. „Seit Rana Plaza ist | |
klar, dass die Auftraggeber für Unfälle in der Verantwortung stehen“, so | |
Saage-Maaß, die am European Center for Constitutional and Human Rights | |
(ECCHR) arbeitet. | |
## Klage auf Schadensersatz | |
Hinsichtlich des Brandes bei Ali Enterprises haben die Anwältin und ihr | |
Berliner Kollege Remo Klinger nun offensichtlich einen weiteren Erfolg | |
erzielt. Beim Landgericht Dortmund reichten sie eine Klage auf | |
Schadenersatz und Schmerzensgeld ein. Vier durch den Brand bei Ali | |
Enterprises Geschädigte verlangen von KiK jeweils 30.000 Euro. Es „ist | |
beabsichtigt, im Juni über das Prozesskostenhilfegesuch der Kläger zu | |
entscheiden“, teilte das Landgericht nun mit. | |
Das Gericht halte sich also für zuständig, schlussfolgern die Anwälte. Das | |
wäre ein Novum in der deutschen Rechtsprechung. Bisher kamen solche Klagen | |
ausländischer Arbeiter gegen deutsche Auftraggeber hierzulande nicht zur | |
Verhandlung. | |
„Die Zulässigkeit der Klage wird noch nicht einmal von KiK selbst | |
bestritten“, sagt Klinger. Das Landgericht selbst ist mit seiner | |
Einschätzung jedoch vorsichtiger. Sowohl der Antrag auf Prozesskostenhilfe | |
als auch die Zuständigkeit würden nur geprüft, heißt es dort. Ob es | |
überhaupt zum Prozess kommt, ist noch nicht klar. | |
## Frage der Zuständigkeiten | |
Anwalt Klinger argumentiert gegen KiK, das deutsche Unternehmen habe seine | |
Sorgfaltspflicht verletzt. Die Textilkette habe sich nicht ausreichend um | |
die Arbeitssicherheit bei seinem pakistanischen Zulieferer gekümmert. So | |
waren die Fenster im Erdgeschoss des Fabrikgebäudes vergittert, weshalb | |
viele Arbeiter nicht vor dem Feuer fliehen konnten. Auch Notausgänge sollen | |
verschlossen gewesen sein. | |
KiK weist die Vorwürfe zurück. Mangelnde Sorgfalt habe man sich keinesfalls | |
zuschulden kommen lassen. Es lägen Kontrollberichte über Ali Enterprises | |
vor, die keine Mängel beim Brandschutz dokumentierten. Der deutsche | |
Textilhändler verweist außerdem auf ein neues Gutachten pakistanischer | |
Ermittler. Demnach war Brandstiftung die Ursache des Feuers in der | |
Zulieferfabrik. Auch dies interpretiert KiK als Beleg dafür, dass man für | |
die Todesfälle nicht verantwortlich gemacht werden könne. | |
19 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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