Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Türkei und der Westen: Vertrauen war gestern
> Das Verhältnis der Türkei zu den anderen Nato-Staaten ist so zerrüttet
> wie nie zuvor. Die neue Freundschaft mit Russland macht das nicht besser.
Bild: Putin und Erdoğan im Jahr 2014
Genf taz | „Der Westen hat uns nicht gezeigt, dass er gegen den Putsch ist.
Sein Schweigen ist unentschuldbar.“ Kurz vor dem „Versöhnungstreffen“ mit
seinem russischen Amtskollegen attackierte der türkische Präsident Recep
Tayyip Erdoğan am Sonntagabend in Istanbul vor einem Millionenpublikum
erneut die Nato-Bündnispartner. In den Tagen zuvor hatten er und andere
türkische Regierungspolitiker die Nato und deren Führungsmacht USA sogar
zumindest indirekt bezichtigt, den gescheiterten Militärputsch unterstützt
zu haben.
Das Verhältnis zwischen der Türkei und den anderen 27 Nato-Staaten ist so
zerrüttet wie nie, seit das Land 1952 – gemeinsam mit dem Nachbarn
Griechenland – Mitglied der westlichen Militärallianz wurde. Strategische
Ziele der von Washington durchgesetzten Aufnahmen waren Stärkung und
Sicherung der Nato-Südostflanke gegenüber der Sowjetunion. In den folgenden
knapp vier Jahrzehnten des Kalten Kriegs erwies sich die Türkei als
verlässlicher und der Bündnisvormacht USA treu ergebener Bündnispartner,
der – anders als Griechenland – auch die Stationierung von US-Atomwaffen
auf eigenem Territorium gern zuließ.
Weder die Jahre der Diktatur nach dem – von den USA, Deutschland und
anderen Nato-Staaten nachweislich unterstützten – Putsch von 1980 konnten
das Verhältnis beeinträchtigen noch die Unterdrückung der Kurden in der
Südosttürkei oder die seit dem Sommer 1974 anhaltende völkerrechtswidrige
Besetzung Nordzyperns.
Doch mit dem Ende des Kalten Kriegs und infolge der US-Kriege und
Militärinterventionen im Nahen Osten änderten sich die Rahmenbedingungen.
Im Golfkrieg vom Frühjahr 1991 ließ sich die Türkei die Nutzung der
Luftwaffenbasis İncirlik durch US-Kampfflugzeuge für Angriffe auf Ziele im
Irak teuer bezahlen – mit viel Geld und politischen Gegengeschenken und
sehr zum Ärger vieler Sicherheitspolitiker in Washington. Dasselbe
wiederholte sich im Golfkrieg von 2003 und geschieht aktuell im Luftkrieg
der USA gegen den „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien und im Irak.
Doch im Unterschied zu 1991 und 2003 gibt es neben İncirlik heute weitere
Anlässe für Verärgerung, Sorgen und Zweifel in der Brüsseler Nato-Zentrale
und den Hauptstädten der Mitgliedstaaten gegenüber dem Bündnispartner
Türkei: die nachweisliche und möglicherweise bis heute anhaltende
Unterstützung des IS durch den türkischen Geheimdienst; die Art und Weise,
wie Erdoğan die EU in der Flüchtlingsfrage erpresst; die repressiven, an
die Militärdiktatur der 80er Jahre erinnernden Maßnahmen der türkischen
Regierung gegen tausende angebliche Unterstützer des jüngsten Putsches; und
schließlich die durch das Treffen von Erdoğan und Putin unterstrichene
Wiederannäherung der Türkei an Russland.
Bei der Säuberung der türkischen Streitkräfte von mutmaßlichen Putschisten
wurden auch der Kommandant und führende Offiziere der Luftwaffenbasis
İncirlik verhaftet. Der nun erforderliche personelle Umbau des türkischen
Militärs erschwert aus Sicht des US-Geheimdienstdirektors James Clapper den
Kampf gegen den IS. „Viele unserer Ansprechpartner wurden aus dem Weg
geräumt oder festgenommen. Es steht außer Frage, dass das unsere
Kooperation mit den Türken zurückwerfen und schwieriger machen wird“,
erklärte Clapper vergangene Woche auf einer Sicherheitskonferenz in Aspen
im US-Bundesstaat Colorado.
General Joseph Votel, Oberbefehlshaber des U.S. Central Command, äußerte
sich ähnlich: „Wir sind sehr stark abhängig von der Türkei, was die
Stationierung unserer Ressourcen angeht.“ Er sei besorgt darüber, dass die
Ereignisse der vergangenen zwei Wochen negative Auswirkungen auf die
Zusammenarbeit haben könnten.
9 Aug 2016
## AUTOREN
Andreas Zumach
## TAGS
Recep Tayyip Erdoğan
Nato
Russland
Wladimir Putin
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Abrüstung
Völkermord Armenien
Schwerpunkt Türkei
Kurden
Schwerpunkt Syrien
EU-Türkei-Deal
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
EU-Türkei-Deal
Pressefreiheit in der Türkei
Schwerpunkt Türkei
Sarajevo
Recep Tayyip Erdoğan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Auslieferung an die Türkei: Ein griechischer Affront
Athen solle drei türkische Soldaten ausliefern, fordert Erdoğan. Ein
griechisches Gericht lehnte das jetzt ab. Das könnte noch Folgen haben.
Internationaler Kernwaffenverbotsantrag: Deutschland lehnt Verhandlungen ab
Beim Ringen um eine Welt ohne Atomwaffen gehört die Bundesregierung zum
„Lager der Bremser und Blockierer“, kritisieren die Grünen.
Umstrittene Armenien-Resolution: Bundesregierung will sich distanzieren
Deutsche Abgeordnete dürfen Bundeswehrsoldaten im türkischen Stützpunkt
Incirlik nicht besuchen. Nun beabsichtigt Berlin, der Türkei
entgegenzukommen.
Bundeswehr in der Türkei: SPD-Politiker fordert Abzug
Die Türkei erlaubt deutschen Abgeordneten weiterhin nicht, die Bundeswehr
in Incirlik zu besuchen. Die SPD hält eine Verlängerung des Einsatzes für
ausgeschlossen.
Verbot einer Veranstaltung in Köln: Kurdische Gemeinde nicht erfreut
Gewalt in der Türkei und die Emotionalisierung des Konflikts: Die Kölner
Polizei hält ein kurdisches Fest in einem Stadion für eine Gefahr und
untersagt es.
Kommentar Kurden in Syrien: Vorprogrammierter Türkei-Konflikt
Die Erfolge der Kurden in Syrien sorgen die türkische Regierung. Die
westliche Unterstützung für die YPG wird als schwerer Affront gesehen.
Nach dem Putsch in der Türkei: Ankara wirft EU Fehler vor
Die Annäherung der Türkei an Russland sei keine Botschaft an den Westen,
sagt Außenminister Cavusoglu. Die EU habe falsch auf den Putschversuch
reagiert.
Treffen von Putin und Erdoğan: Neubeginn in Sankt Petersburg
Trotz eisiger Atmosphäre und schwieriger Gespräche wollen sich Moskau und
Ankara wieder annähern. Es geht vor allem um die Wirtschaft.
Treffen zwischen Putin und Erdoğan: Versöhnung der Autokraten
Der gescheiterte Militärputsch macht möglich, was vor kurzem noch als
undenkbar galt: die Wiederannäherung von Moskau und Ankara.
Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen: Zoff um Gespräche mit der Türkei
Österreich sei ein Zentrum des „radikalen Rassismus“, sagt der türkische
Außenminister. Bundeskanzler Kern hatte einen Stopp der
Beitrittsverhandlungen gefordert.
Pressefreiheit in der Türkei: „Warum hast du nichts getan?“
In der Türkei werden kritische Journalisten mundtot gemacht. Wir in
Deutschland betrachten das aus sicherer Distanz. Wo bleibt der Protest?
Kolumne Gott und die Welt: Erdoğan und die Rothschilds
Die Türkei ist ein Land mit Paranoia. Angestrengtes Googeln zeigt, auch bei
der Mutter aller Verschwörungstheorien wird man fündig.
Die Türkei und der Balkan: Erdoğan ringt um Einfluss
Der türkische Präsident sieht sich als Vertreter der muslimischen
Bevölkerung auf dem Balkan. Doch über Druckmittel verfügt er dort nicht.
Kommentar Pro-Erdoğan-Demo in Köln: Ein Konflikt als Farce
Eine bizarre Demo und ärgerliche Aussagen deutscher Politiker. Dabei müsste
so vieles in der Türkei-Debatte ernsthaft diskutiert werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.