# taz.de -- Vier Wochen nach dem Putschversuch: Weiterhin Razzien in der Türkei | |
> Einen Monat nach dem misslungenen Putsch in der Türkei gibt es immer noch | |
> Festnahmen. 17.000 Gefangene warten in der U-Haft auf ein Verfahren. | |
Bild: Die Festnahmen in der Türkei gehen weiter. Die Gefangenen erleben oft me… | |
Istanbul taz | Auch einen Monat nach dem vereitelten Putsch in der Türkei | |
werden weiterhin täglich Leute unter dem Vorwurf festgenommen, Unterstützer | |
der Putschisten zu sein. Am Montag traf es wieder Angehörige der Justiz. In | |
einer großen Operation durchsuchte die Polizei drei Gerichtsstandorte in | |
Istanbul, darunter den zentralen Justizpalast in Calayan, in dem allein | |
mehrere hundert Gerichtssäle untergebracht sind. Mit vorliegenden | |
Haftbefehlen wurden insgesamt 173 Justizangestellte festgenommen, darunter | |
auch Richter und Staatsanwälte. | |
Der Justizapparat ist einer der zentralen Bereiche, der nach dem | |
Putschversuch [1][von „Säuberungen“ besonders betroffen ist]. Bereits am | |
Tag nach dem Putsch waren 3.000 Richter und Staatsanwälte vom Dienst | |
suspendiert worden, weil Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die Regierung | |
von Ministerpräsident Binali Yıldırım sie für Anhänger der Putschisten | |
hielten. Die Regierung macht für den Putschversuch, bei dem 270 Menschen | |
getötet wurden, [2][den islamischen Prediger Fethullah Gülen] und die | |
Anhänger seiner Sekte verantwortlich. | |
Die Gülen-Bewegung soll über Jahre zentrale Bereiche des Staates | |
unterwandert haben, vor allem das Militär, die Polizei, den Geheimdienst | |
und eben die Justiz. Umso demonstrativer werden jetzt tatsächliche oder | |
vermeintliche Anhänger der Gülen-Sekte verfolgt. Um den „Virus | |
auszurotten“, wie Erdoğan sagte, wurden mittlerweile insgesamt 81.500 | |
Staatsbedienstete entweder entlassen oder von ihrem Posten suspendiert. | |
Das sind vor allem Soldaten, darunter auch hohe und höchste Generäle, | |
Richter und Staatsanwälte, Polizisten und Geheimdienstleute sowie über | |
30.000 Lehrer, Dozenten und Professoren von Schulen und Universitäten, die | |
der Gülen-Bewegung nahestehen. Angestellte aller türkischen Universitäten | |
[3][dürfen zurzeit das Land nicht verlassen], insgesamt 74.526 Pässe wurden | |
für ungültig erklärt. Auch Journalisten müssen eine Ausreisegenehmigung | |
beantragen, bevor sie das Land verlassen können. | |
Von über 35.000 Menschen, die vorübergehend festgenommen wurden, sitzen | |
17.000 noch in U-Haft und warten auf ein Verfahren. Im Zuge des [4][am 20. | |
Juli verhängten dreimonatigen Ausnahmezustands] darf die Polizei jeden | |
Festgenommenen bis zu 30 Tage festhalten, bevor ein Haftrichter über seinen | |
weiteren Verbleib entscheiden muss. In dieser Phase der Polizeihaft kommt | |
es offenbar immer wieder zu Misshandlungen. Im Fernsehen wurden Bilder von | |
schwer geschlagenen Gefangenen gezeigt, Amnesty International spricht sogar | |
wieder von Folter, was die Regierung allerdings vehement bestreitet. | |
Offensichtlich ist allerdings, dass die Unterbringung der Gefangenen wegen | |
überfüllter Gefängnisse in Turnhallen und Reitställen oft menschenunwürdig | |
ist. | |
Unter den Verhafteten, die sich jetzt in U-Haft befinden, sind auch 43 | |
Journalisten, denen vorgeworfen wird, Anhänger von Gülen zu sein und den | |
Putschversuch unterstützt zu haben. Ein großes Problem für Erdoğan ist, | |
dass der Chef und Guru der Sekte, Fethullah Gülen, seit 1999 in den USA im | |
Exil lebt. Die türkische Regierung fordert vehement seine Auslieferung, was | |
die USA bislang mit Verweis auf den Mangel an Beweisen für die | |
Rädelsführerschaft Gülens ablehnt. | |
16 Aug 2016 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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