# taz.de -- Terror in der Türkei: Anschläge und „Säuberungen“ | |
> Zehntausende sind von den „Säuberungen“ in der Türkei betroffen. Derweil | |
> wurden bei Anschlägen mehrere Menschen getötet und über zweihundert | |
> verletzt. | |
Bild: Nach der Explosion vor der Polizeistation im osttürkischen Elazig | |
Istanbul/Ankara dpa/rtr | Bei zwei Autobombenanschlägen gegen | |
Polizeieinrichtungen im Osten der Türkei sind nach offiziellen Angaben | |
mindestens sechs Menschen getötet worden, darunter vier Polizisten. Mehr | |
als 200 Menschen seinen bei den Explosionen in der Provinzhauptstadt Elazig | |
und in der osttürkischen Provinz Van verletzt worden. Die Anschläge wurden | |
der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zugeschrieben, ohne dass sich | |
die auch von der EU als terroristisch eingestufte Organisation zu den | |
Attacken bekannte. | |
In der südosttürkischen Stadt Elazig richtete sich der Anschlag gegen das | |
Polizeipräsidium. Bei der gewaltigen Explosion starben dort am | |
Donnerstagmorgen nach Angaben des Provinzgouverneurs Murat Zorluoglu drei | |
Polizisten, fast 150 weitere seien verletzt worden, darunter auch | |
Zivilisten. Ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug detonierte auf einem | |
Parkplatz vor dem vierstöckigen Gebäude und richtete schwere Verwüstungen | |
an. Fernsehbilder zeigten eine graue und schwarze Rauchsäule über der | |
Stadt. | |
Bereits in der Nacht zum Donnerstag war eine ferngezündete Autobombe vor | |
einer Polizeibehörde in der Provinz Van in der Nähe der Grenze zum Iran | |
explodiert. Bei diesem Anschlag wurden ein Polizist und zwei Zivilisten | |
getötet, etwa 75 weitere Menschen wurden verletzt, darunter 20 Polizisten. | |
Auch für diesen Anschlag machten die Behörden die PKK verantwortlich. Diese | |
äußerte sich zunächst nicht dazu. | |
In der Südosttürkei verübt die PKK immer wieder Anschläge vor allem auf | |
Sicherheitskräfte. Ein mehr als zwei Jahre andauernder Waffenstillstand war | |
im Sommer vergangenen Jahres gescheitert. Seither ging die türkische Armee | |
massiv gegen Kämpfer der PKK vor, die sich in Städten verschanzt hatten. | |
Die PKK gilt in der Türkei, Europa und den USA als Terrororganisation. | |
Der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik gab sich nach den Anschlägen | |
am Donnerstag zuversichtlich, dass die Türkei die PKK bezwingen werde. Die | |
Türkei sei nach der Niederschlagung des Putschversuchs vom 15. Juli stärker | |
geworden, sagte er in einem Interview der staatlichen Nachrichtenagentur | |
Anadolu. | |
## Über 40.000 Festnahmen | |
Von der vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach dem | |
Putschversuch im Juli angekündigten „Säuberungswelle“ sind bislang | |
Zehntausende Menschen betroffen. 79.900 Beschäftigte des öffentlichen | |
Dienstes hätten ihre Jobs verloren, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim | |
am späten Mittwochabend in einer im Fernsehen übertragenen Rede. | |
40.029 Menschen seien festgenommen worden, gegen 20.355 von ihnen sei | |
Haftbefehl ergangen. Zudem wurden 4.262 Firmen und Einrichtungen | |
geschlossen, weil sie mit dem Prediger Fethullah Gülen zusammengearbeitet | |
haben sollen. | |
Die Regierung in Ankara hält den seit 1999 im selbst gewählten Exil in den | |
USA lebenden Gülen für den Drahtzieher des Putschversuchs am 15. Juli. | |
Gülen hat den Umsturzversuch von Teilen des Militärs verurteilt und | |
bestreitet eine Verwicklung darin. Die Gülen-Organisation versteht sich als | |
vom Islam inspirierte soziale Bürgerbewegung. | |
## Schulen, Unis, Unternehmen | |
Die von Erdogan durchgesetzten „Säuberungen“ richten sich gegen | |
Gülen-Anhänger in Polizei, Militär, Justiz, Verwaltung, Bildungswesen und | |
Medien. Mehr als 130 Zeitungen und andere Medien wurden ebenso geschlossen | |
wie Schulen und Universitäten. Zuletzt nahm die Regierung auch Unternehmen | |
ins Visier. | |
Am Donnerstag gab es allein in Istanbul Razzien an mehr als 100 Orten. Die | |
Aktionen würden von der Abteilung Wirtschaftskriminalität der Polizei | |
geleitet und richteten sich gegen Anhänger der Gülen-Bewegung, meldete die | |
Nachrichtenagentur Dogan. Außerdem seien zehn führende Mitglieder einer | |
militanten linken Gruppierung festgenommen worden, die Anschläge in der | |
Türkei verübt haben sollen. | |
18 Aug 2016 | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Türkei | |
Fethullah Gülen | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Anschläge | |
Europäische Union | |
Fethullah Gülen | |
Schwerpunkt Türkei | |
Schwerpunkt Türkei | |
Pressefreiheit in der Türkei | |
Schwerpunkt Türkei | |
Schwerpunkt Türkei | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach dem Putschversuch: EU-Vertreter besuchen die Türkei | |
Erstmals seit dem gescheiterten Staatsstreich reisen Spitzenvertreter der | |
Europäischen Union in die Türkei. Dort geht derweil die „Säuberung“ der | |
Armee weiter. | |
Krimiautorin zur Situation in der Türkei: „Hier herrscht de facto Krieg“ | |
Esmahan Aykols Kriminalromane werden international übersetzt. Die jüngsten | |
Ereignisse sind für ihre Werke sogar von Nutzen, sagt sie. | |
Gewalt gegen Kurden in der Türkei: Blutiger Anschlag auf Hochzeitsfeier | |
Die Bombe explodierte mitten in der Festgesellschaft: Während einer | |
Hochzeitsfeier in Gaziantep wurden mehr als 50 Menschen getötet. | |
Dutzende Haftbefehle in der Türkei: Aus der Uni in den Knast | |
Hochschullehrer und Unternehmer rücken ins Visier der türkischen Ermittler. | |
Griechische Behörden prüfen unterdessen die Asylanträge der geflohenen | |
Soldaten. | |
Erdoğans „Säuberungen“ in der Türkei: Weitere 2.000 Polizisten entlassen | |
Auch hunderte Militärs und Staatsbeamte sind ihren Job los. Zudem wurde die | |
Schließung der pro-kurdischen Zeitung „Özgür Gündem“ angeordnet. | |
Vier Wochen nach dem Putschversuch: Weiterhin Razzien in der Türkei | |
Einen Monat nach dem misslungenen Putsch in der Türkei gibt es immer noch | |
Festnahmen. 17.000 Gefangene warten in der U-Haft auf ein Verfahren. | |
Nach dem Putschversuch in der Türkei: Reiseverbote und Festnahmen | |
Die türkische Regierung erklärt Tausende Pässe für ungültig. Außerdem sind | |
Diplomaten und weitere hochrangige Militärs Ziel der „Säuberungen“. |