# taz.de -- Nach dem Putschversuch in der Türkei: Die Säuberungen gehen weiter | |
> Zehntausende Pädagogen werden suspendiert, auch die Verhaftungswelle | |
> reißt nicht ab. Die USA prüfen derweil den Auslieferungsantrag für | |
> Fethullah Gülen. | |
Bild: Erdoğan-Anhänger verlangen Gülens Tod | |
Istanbul dpa | Nach dem gescheiterten Putsch kommt in der Türkei erstmals | |
der Nationale Sicherheitsrat zusammen. Die Sitzung am Mittwoch wird von | |
Präsident Recep Tayyip Erdoğan geleitet, der formell der Oberbefehlshaber | |
der Streitkräfte ist. Anschließend tagt das Kabinett. | |
Erdoğan hatte angekündigt, bei den Sitzungen werde eine „wichtige | |
Entscheidung“ fallen. Nähere Angaben machte er nicht. Im Nationalen | |
Sicherheitsrat sind neben Erdoğan und Ministerpräsident Binali Yildirim | |
auch mehrere Kabinettsmitglieder und Militärführer vertreten, darunter | |
Armeechef Hulusi Akar. | |
Der Umsturzversuch vom Freitagabend hat auch Forderungen nach der | |
Todesstrafe ausgelöst. Erdoğan hat angekündigt, einer Wiedereinführung | |
zuzustimmen, sollte das Parlament eine entsprechende Verfassungsänderung | |
beschließen. Die EU hat gedroht, in einem solchen Fall die | |
Beitrittsverhandlungen mit Ankara zu beenden. Nach der EU warnten auch die | |
Vereinten Nationen die Türkei vor diesem Schritt. | |
Die ultrarechte Oppositionspartei MHP kündigte am Dienstag an, eine | |
Initiative dafür zu unterstützen, sollte die Regierung sie auf den Weg | |
bringen. Mit der MHP hätte die AKP ausreichend Stimmen, um ein Referendum | |
für eine entsprechende Verfassungsänderung zu beschließen. Dann würde eine | |
einfache Mehrheit im Volk reichen, um die 2004 abgeschaffte Todesstrafe | |
wieder einzuführen. | |
## Lehrer entlassen | |
Seit dem Putschversuch mit mehr als 260 Toten geht die Regierung mit harter | |
Hand gegen mutmaßliche Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah | |
Gülen vor. Knapp 30.000 Staatsbedienstete wurden suspendiert, mehr als | |
8.500 Menschen wurden festgenommen. Die Türkei fordert von Washington | |
Gülens Auslieferung. | |
Das Bildungsministerium suspendierte am Dienstag 15.200 Mitarbeiter, gegen | |
die Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verbindungen zu Gülen eingeleitet | |
wurden. Der türkische Sender NTV berichtete, außerdem sei 21.000 Lehrern an | |
privaten Bildungsreinrichtungen die Lehrerlaubnis entzogen worden. | |
Ebenfalls wegen angeblicher Gülen-Verbindungen entzog die | |
Telekommunikationsbehörde RTÜK 24 Radio- und Fernsehstationen die | |
Sendelizenz. Erdoğan macht Gülen für den Umsturzversuch verantwortlich. | |
Gülen weist das zurück. | |
Wegen des Predigers droht ein Streit zwischen der Türkei und den USA. Die | |
Regierung in Ankara verlangt die Auslieferung Gülens, der in Pennsylvania | |
lebt. Sie schickte vier Dossiers über ihn nach Washington. Der Sprecher des | |
amerikanischen Außenministeriums, Mark Toner, bestätigte den Eingang der | |
Dokumente. Man prüfe derzeit noch, ob darin ein offizielles | |
Auslieferungsgesuch enthalten sei, sagte er. | |
## Verfolgung von Erdoğan-Kritikern | |
In der Türkei wurde am Mittwochabend ein mutmaßlicher Rädelsführer des | |
Putsches festgenommen. Der Oberst Muharrem Kose, juristischer Berater des | |
Generalstabs gelte als einer der Drahtzieher und Planer des | |
Umsturzversuchs, berichtete die Agentur Anadolu. | |
Gegner des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und Unterstützer der | |
gescheiterten Putsches müssen dieser Tage bei entsprechenden Einträgen in | |
sozialen Medien mit Besuch der Polizei rechnen. In mehreren türkischen | |
Städten seien sieben Personen festgenommen worden, die entweder den | |
Putschversuch gelobt oder Erdoğan kritisiert hatten. Dies meldete unter | |
anderem „CNN Türk“ in der Nacht zum Mittwoch. | |
Den Festgenommenen werde unter anderem vorgeworfen, mit Einträgen in | |
sozialen Medien „die verfassungsmäßige Ordnung gestört“, „Kriminelle | |
gelobt“ oder Erdoğan beleidigt zu haben. Die Zeitung Cumhuriyet berichtete, | |
dass im nordwesttürkischen Tekirdag ein 18-Jähriger nach angeblicher | |
Beleidigung des Präsidenten verhaftet worden sei. | |
20 Jul 2016 | |
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