# taz.de -- Repression in der Türkei: Die Verfolgungswelle rollt | |
> Nun nimmt die Regierung verstärkt Lehrer und Hochschuldozenten ins | |
> Visier. Universitätsangestellte dürfen nicht mehr ausreisen. | |
Bild: Erschöpfte Demonstranten haben sich zum Schlafen mit einer Nationalfahne… | |
ISTANBUL taz | Was folgt aus dem misslungenen Umsturzversuch? Darüber hat | |
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan am Mittwoch mit dem Nationalen | |
Sicherheitsrat und dem Kabinett den ganzen Tag bis nach Redaktionsschluss | |
beraten. Erdoğan hatte eine „wichtige Entscheidung“ angekündigt, | |
Vizepremier Nurettin Canikli sagte am Rande der Sitzung, es werde keinen | |
Ausnahmezustand geben, sondern ein ganzes Bündel von Maßnahmen, um den | |
Staat noch „effektiver von Gülen-Anhängern säubern zu können“. | |
Die deutsche Regierung kritisierte das Vorgehen des türkischen Präsidenten | |
derweil scharf. „Fast täglich kommen neue Maßnahmen hinzu, die einem | |
rechtsstaatlichen Vorgehen widersprechen“, sagte Regierungssprecher Steffen | |
Seibert in Berlin. | |
In der Türkei debattierten die Politiker unter anderem über die Frage, | |
wieso die Putschisten überhaupt die Gelegenheit bekamen, zuzuschlagen. Nach | |
jetzt veröffentlichten Protokollen soll der Geheimdienst MIT am Freitag um | |
16 Uhr erstmals von dem Putschversuch erfahren haben. Es habe aber bis 20 | |
Uhr gedauert, bis Erdoğan in seinem Feriendomizil informiert wurde, da man | |
sich vorher erst Klarheit verschaffen wollte. | |
Die „Säuberungsmaßnahmen“ sind für die Republik ohne Beispiel: Allein im | |
Militär wurden mittlerweile knapp 10.000 Putschverdächtige verhaftet, unter | |
ihnen 118 hohe und höchste Generäle und Admiräle. Unmittelbar betroffen von | |
der Verfolgungswelle ist auch die Justiz. Schon am Wochenende wurden rund | |
3.000 Richter und Staatsanwälte ihrer Position enthoben oder verhaftet, | |
darunter zwei Verfassungsrichter, die eigentlich unantastbar sind. Am | |
Dienstag hatte das Bildungsministerium gemeldet, es habe 15.200 Lehrer an | |
staatlichen Schulen entlassen. Am gestrigen Mittwoch entzog es dazu noch | |
21.000 Lehrern von Privatschulen die Unterrichtserlaubnis. | |
Diese Aktion richtet sich teilweise gegen Bildungseinrichtungen, die der | |
Gülen-Bewegung nahestehen, aber auch gegen das gesamte existierende | |
Schulsystem. Schon lange drängt die AKP-Regierung darauf, die „normalen“ | |
säkularen Schulen durch religiöse Imam-Hatip-Schulen zu ersetzen. Dafür | |
wird nun der Weg weiter geebnet. Im Visier sind auch die Universitäten: | |
Alle Hochschulrektoren wurden zusammengerufen. Sie bekamen eine Liste von | |
rund 1.600 Dekanen vorgelegt, die von ihren Lehrstellen entfernt werden | |
sollen. | |
Universitätsangestellte dürfen nicht mehr ausreisen. Türkische Akademiker, | |
die im Ausland arbeiten, sollen zurückkommen. Wer nicht heimkehrt, macht | |
sich verdächtig und kann gleich im Ausland bleiben. Es solle verhindert | |
werden, dass sich Gülen-Sympathisanten ins Ausland absetzen, heißt es. | |
Derweil hat die Armee ihre Luftangriffe gegen angebliche Stellungen der PKK | |
im Nordirak wieder aufgenommen. Allerdings wurde der kommandierende | |
General der 2. Armee, die im Osten des Landes stationiert ist, neben | |
anderen Offizieren dort als Putschverdächtiger verhaftet. | |
20 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Türkei | |
Repression | |
Universität | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Zensur | |
Schwerpunkt Türkei | |
Schwerpunkt Türkei | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Schwerpunkt Türkei | |
Schwerpunkt Türkei | |
Pressefreiheit in der Türkei | |
Pressefreiheit in der Türkei | |
Schwerpunkt Türkei | |
Schwerpunkt Türkei | |
Schwerpunkt Türkei | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Werbung für türkische Religionsschulen: Der Teufel trägt Kopftuch | |
Die staatlichen Religionsschulen in der Türkei haben Aufwind. Ein | |
Propaganda-Video zeigt nun, wie um junge Frauen geworben wird. | |
Grundrechte in der Türkei: Normalität im Ausnahmezustand | |
Für drei Monate kann Erdoğan per Dekret regieren und Grundrechte | |
einschränken. Auf den Alltag wirkt sich das zunächst kaum aus. | |
Ausnahmezustand in der Türkei: Grundrechte eingeschränkt | |
Der Ausnahmezustand gibt Erdoğan in etwa die Befugnisse, die er mit dem | |
angestrebten Präsidialsystem auf Dauer hätte. | |
Repression in der Türkei: Nun auch gegen die Menschenrechte | |
Im Rahmen des Ausnahmezustands will die Regierung die Europäische | |
Menschenrechtskonvention teilweise aussetzen. Es wird aber keine | |
Ausgangssperre verhängt. | |
Rechte-Abbau in der Türkei: Erdoğan verhängt Ausnahmezustand | |
Erst Putschversuch, dann Verhaftungen und Entlassungen. Nun regiert Erdoğan | |
per Dekret – will aber die Demokratie beibehalten. | |
Oppositionelle Medien in der Türkei: Kritik? Gesperrt! | |
Nach dem Putschversuch schließt die türkische Regierung oppositionelle | |
Kommunikationskanäle. Dabei trifft es zuerst kleine und lokale Medien. | |
Wikileaks veröffentlicht AKP-Daten: Türkisches Mail-Manöver | |
Mit bis zu 300.000 geleakten AKP-Mails ruft Wikileaks zum Infokampf auf. | |
Die Regierung blockiert den Zugriff. | |
Nach dem Putschversuch in der Türkei: Showtime auf dem Taksimplatz | |
Auf dem Platz, einst Symbol des Widerstands, feiern die AKP-Fans. Präsident | |
Erdoğan will diesem Ort seinen Stempel aufdrücken. | |
Nach dem Putschversuch in der Türkei: Die Säuberungen gehen weiter | |
Zehntausende Pädagogen werden suspendiert, auch die Verhaftungswelle reißt | |
nicht ab. Die USA prüfen derweil den Auslieferungsantrag für Fethullah | |
Gülen. | |
Nach dem Putsch in der Türkei: Erdoğan will die Todesstrafe | |
Der Präsident hält an der Wiedereinführung von Hinrichtungen fest. Zudem | |
will er die USA offiziell um die Auslieferung Fethullah Gülens ersuchen. |