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# taz.de -- Werbung für türkische Religionsschulen: Der Teufel trägt Kopftuch
> Die staatlichen Religionsschulen in der Türkei haben Aufwind. Ein
> Propaganda-Video zeigt nun, wie um junge Frauen geworben wird.
Bild: Der Teufel hat eine schlechte Wohnzimmereinrichtung: Szene aus dem Video
Man kennt es von meisterhaften schwarzen Komödien, dieses herzhafte Lachen,
das einem im Hals stecken bleibt – und gleich von Neuem einsetzt. Dieses
Gefühl, dass man jetzt eigentlich besser nicht lachen sollte, weil die
Situation so echt und so schrecklich ist. Aber auch, dass dieser Humor
vielleicht eben deshalb so packend ist, weil er die Abgründe der
Gesellschaft schonungslos und böse zur Schau stellt.
So ähnlich kann es einem beim Anblick [1][eines Werbevideos] gehen, dass
die Imam-Hatip-Schule aus dem türkischen Kayseri gedreht hat und das seit
Tagen in den sozialen Netzwerken kursiert. Imam-Hatip-Schulen sind
staatliche Religionsschulen, die – wen wundert’s – in den vergangenen
Jahren in der Türkei immer populärer geworden sind und durch staatliche
Beihilfen zunehmend imstande, die säkularen Gesamtschulen fast vollkommen
zu verdrängen.
Das genannte Video zeigt diverse Fallbeispiele, in denen eine junge
Muslimin namens Merve mit Gewissensbissen kämpft. Mit einem Mann whatsappen
statt zu beten – ist das okay? Einen modischen, etwas kürzeren Rock (zwei
Zentimeter oberhalb des Knöchels) kaufen, um ihn wenigstens unter
Freundinnen zu tragen – geht das?
„Natürlich, du Dummkopf“, faucht eine diabolische Figur, die plötzlich im
Bild auftaucht. Schwarz-rotes Outfit, böser Blick, verkohlte Zähne – die
Codes sind nicht besonders subtil. Hier spricht der Teufel höchstpersönlich
und er will Merve zu Unmoralischem verführen. Und weil der Teufel klug
genug ist, ein Identifikationsmoment für Merve zu stiften, ist er natürlich
eine Frau und trägt Kopftuch, genau wie Merve.
Das 6-Minuten-Filmchen ist ein Fest für jeden Trash-Liebhaber und zum Glück
auch mit englischen Untertiteln versehen. Dramatische Musik und eine Moral
der Geschichte sind selbstverständlich inklusive: „Aber der Teufel weiß
nicht, dass Merve die Imam-Hatip-Schule besucht“, heißt es am Ende jedes
Beispiels. Folglich entscheidet sich die junge Muslimin entschlossen gegen
Whatsapp und den Midirock.
Die Teufelin ärgert sich Tode. Und als Zuschauerin kann man sich locker
tagelang darüber schlapplachen. Wäre da nicht das Wissen darum, dass solche
Werbemaßnahmen tatsächlich erfolgreich ihre Zielgruppen erreichen – und der
daraus resultierende Gewissensbiss.
12 Oct 2016
## LINKS
[1] http://www.mynet.com/haber/guncel/ama-seytanin-unuttugu-bir-sey-var-merve-i…
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Schwerpunkt Türkei
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Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
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