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# taz.de -- Wikileaks veröffentlicht AKP-Daten: Türkisches Mail-Manöver
> Mit bis zu 300.000 geleakten AKP-Mails ruft Wikileaks zum Infokampf auf.
> Die Regierung blockiert den Zugriff.
Bild: AKP-Fans schlagen in Ankara einen Reporter nieder
Berlin taz | Die dritte Welle im Kampf um die türkische Republik sollte am
Dienstag beginnen, drei Tage nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei.
Es sollte ein Kampf um die Informationsfreiheit sein, ein Anknüpfungspunkt
für all jene, die noch Vertrauen haben in die Kraft der Fakten und der
Überprüfbarkeiten. Wikileaks ist wieder da. Das Versprechen: ein Einblick
in das kommunikative Zentrum der Regierungspartei AKP, die derzeit in der
Türkei mit allen Mitteln die Macht an sich reißt.
Am Dienstagabend, kurz vor Mitternacht, gingen die Dokumente ins Netz:
294.548 E-Mails sollen es laut dem Leakingportal sein, das seit Jahren
dafür bekannt und umstritten ist, Rohmaterial in rauen Mengen weitgehend
unredigiert ins Netz zu stellen. Die Mails, so heißt es von Wikileaks,
stammten aus insgesamt 762 Postfächern, die der Regierungspartei AKP
zugeordnet werden könnten.
Die ältesten der veröffentlichten Mails stammen aus dem Jahr 2010, die
jüngsten vom 6. Juli 2016. Nach Angaben von Wikileaks soll der Datensatz
der Organisation kurz vor dem Putschversuch zugespielt worden sein. Aus
aktuellem Anlass seien die Mails nun schneller veröffentlicht worden als
ursprünglich geplant.
Laut Wikileaks stehe die Quelle des Datensatzes in keinem Zusammenhang mit
den Parteien, die sich derzeit eine harte Auseinandersetzung über die
Zukunft des Landes liefern. Insbesondere die AKP geht derzeit radikal gegen
politische Gegner jeder Couleur vor, seien es Kurden, Kemalisten oder die
bei ihr besonders verhassten Anhänger der Hizmet-Bewegung, einer
muslimischen Organisation, die von dem im US-Exil lebenden Fethullah Gülen
geführt wird. Gülen wird seitens der Erdogan-Regierung die Verantwortung
für den gescheiterten Putschversuch zugeschrieben.
## Attacken auf die Homepage
Und so dauerte es am Dienstag nicht lange, bis regierungstreue
Nachrichtenportale anhand offensichtlich gefälschter Tweets suggerierten,
auch die Wikileaks-Veröffentlichungen stammten direkt aus der Regiezentrale
von Gülen, der sich derzeit in den USA aufhält. Mit der Stunde der
Veröffentlichung des Wikileaks-Materials begann so die nächste
Propagandaschlacht um die Zukunft der Türkei.
Schon in den Tagen vor der Veröffentlichung berichtete Wikileaks, deren
promintester Drahtzieher Julian Assange isoliert in der ecuadorianischen
Botschaft in London lebt, von massiven Attacken auf die Homepage und den
organisierten Versuch, die Veröffentlichung zu unterbinden. Kaum waren die
Dokumente dann im Netz, sperrten türkische Behörden den Zugang zum
Wikileaks-Portal, eine Praxis, an die türkische BürgerInnen seit Jahren
gewöhnt sind.
Schon einmal stand die Türkei im Fokus von Wikileaks. Beim ersten großen
Datenleak der Plattform 2010 wurden Depeschen der US-Botschaft in Ankara
öffentlich, die enthüllten, wie misstrauisch die Amerikaner den wachsenden
Erfolg der AKP betrachteten. Im Nachhinein erscheint vieles als kuriose
Fehleinschätzung: In den Wikileaks 2010 galt nicht etwa Erdoğan als
Hauptproblem, sondern sein damaliger Außenminister Ahmet Davutoğlu. Dieser
übe starken islamistischen Einfluss auf Erdoğanaus und sei „besonders
gefährlich“. Davutoğlu, zwischenzeitlich Erdoğans Nachfolger als
Ministerpräsident, ist inzwischen in der politischen Versenkung
verschwunden. Immer wieder hatte Wikileaks auch mit Veröffentlichungen aus
dem US-Militärapparat großes Aufsehen erregt.
Und so sind auch an die Veröffentlichung der AKP-Papiere große Erwartungen
geknüpft, denn offene Fragen gibt es im Umfeld des autoritären
Staatspräsidenten Erdoğan reichlich: Korruptionsvorwürfe an Funktionäre der
AKP, Verwicklungen in Waffenlieferungen an den IS – und natürlich die
Frage, ob sich Belege für die These finden lassen, dass die AKP selbst
einen Putschversuch inszeniert hat, um nun umso härter zur Macht zu
greifen. All das dürfte die internationale und türkische Öffentlichkeit
dringend interessieren.
## Mails aus der Machtzentrale
Allerdings: Ein großer Teil der nun veröffentlichten Daten stammt von
Bürgern, die Partei und Regierung mit Mails bombardieren. Darunter sind
persönliche Anliegen, teils herzzerreißende Probleme, es geht um drohende
Obdachlosigkeit bis hin zu kriselnden Ehen. Aber auch wilde
Verschwörungstheorien werden gerne an alle möglichen Abgeordneten
verschickt, zum Beispiel über Beziehungen vonErdoğans Intimfeind Fethullah
Gülen zum israelischen Geheimdienst Mossad. Unter den Spitzenreitern der
Absender solcher Bürgerbriefe ist auch ein offensichtlich in Deutschland
lebender Türke, der von einer T-Online-Mailadresse insgesamt 1.358
Nachrichten an die AKP verschickte.
Andere Mails stammen jedoch auch aus dem engeren Zirkel von Präsident
Erdoğan selbst. So finden sich dort etwa viele Nachrichten an einen
einflussreichen AKP-Gründer, Unternehmer und Erdoğan-Berater, der über enge
Verbindungen in der AKP, zu europäischen Unternehmen und ins Weiße Haus
verfügt. Betrachten lässt sich jedoch vor allem der Posteingang des
Beraters. Interessant dürfte es werden, wenn Wikileaks nachliefern kann.
Die politische Sprengkraft steckt im Postausgang der AKP.
20 Jul 2016
## AUTOREN
Volkan Ağar
Johanna Roth
Martin Kaul
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