# taz.de -- Spionagevorwurf gegen Edward Snowden: Kopfschütteln im Moskauer Ex… | |
> Geheimdienstler, Politiker und Journalisten verdächtigen Edward Snowden, | |
> ein russischer Agent zu sein. Er selbst nennt das „dumme Vorwürfe“. | |
Bild: Edward Snowden zu Besuch beim Roskilde-Festival 2016 | |
BERLIN taz | Es war die 102. Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses des | |
Bundestages. Aufgerufen war ein wichtiger Zeuge, Hans-Georg Maaßen. Am 9. | |
Juni erklärte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz in einer | |
ausführlichen Stellungnahme: „Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ob | |
Edward Snowden Agent des russischen Nachrichtendienstes SWR oder FSB ist, | |
kann ich derzeit, kann derzeit nicht belegt werden.“ | |
Auf die Frage von Vertretern der Linken und Grünen im Ausschuss, was denn | |
für eine Agententätigkeit des Whistleblowers spräche, räumte der | |
Verfassungsschützer sein, es gäbe keine Beweise, aber es spräche eine „hohe | |
Plausibilität“ dafür, dass Snwoden ein russischer Agent sei. | |
Als der grüne Abgeordnete Christian Ströbele Maaßens Anschuldigungen als | |
Teil einer Desinformationskampagne mit dem Ziel des Rufmordes an Snowden | |
einordnete, wurde der oberste Verfassungsschützer ungehalten: „Sehr | |
geehrter Herr Abgeordneter Ströbele, ich weise Ihre Behauptung, ich würde | |
Desinformation betreiben, mit Nachdruck zurück.“ | |
Keine drei Stunden später meldete sich Edward Snowden auf Twitter zu Wort. | |
[1][Sein auf Deutsch verfasster Tweet]: „Ob Maaßen Agent des SVR oder FSB | |
ist, kann derzeit nicht belegt werden. ¯\_(ツ)_/¯ #BfV #NSAUA“. | |
## „Dumme“ Vorwürfe | |
„Character Assasination“, wird Rufmord auf Englisch genannt. Die Methode | |
der moralischen Ermordung ist nichts Neues im politischen Kampf, schon | |
rivalisierende Päpste im Mittelalter übten sich fleissig in der Kunst, | |
Gegner durch die Verbreitung unbewiesener Unterstellungen zu erledigen. | |
Eine der geläufigsten Vorwürfe in diesem Spiel lautet, eine missliebige | |
Person arbeite für ein feindliche Macht oder einen feindlichen | |
Geheimdienst. | |
Snowden soll also für die Russen arbeiten. Gegenüber dem Spiegel hat sich | |
der einstige US-Geheimdienstmitarbeiter in Moskau jetzt erstmals zu diesen | |
Vorwürfen geäußert. Er nennt die Anschuldigungen gegen ihn „silly“, dumm. | |
Und Snowden fügte hinzu: „Es scheint so zu sein, dass die Unterstellung | |
unwiderstehlich für die ist, die keine Fakten zum argumentieren haben.“ | |
Schon seit Anfang diesen Jahres fahren deutsche Geheimdienstchefs, | |
Politiker und ihre journalistischen Sprachrohre eine Kampagne gegen den | |
amerikanischen Whistleblower Edward Snowden, der im Sommer 2013 auf dem Weg | |
von Hongkong nach Südamerika in Moskau gestrandet ist und später dort | |
politisches Asyl bekam. | |
## Dubiose Quellen | |
Der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg, Vorsitzender des | |
NSA-Untersuchungsausschusses, sagte im März gegenüber der FAZ: „Snowden hat | |
sich entschieden nach Russland zu reisen“. Er habe sich „damit auf eine | |
Seite des Propagandakrieges zwischen Moskau und dem Westen geschlagen.“ | |
Zudem sei es möglich, dass Snowden bereits in seiner Zeit bei der CIA in | |
Genf vom russischen Auslandsnachrichtendienst angesprochen worden sei. | |
Hans-Georg Maaßen legte in einem Focus-Interview nach. „Die | |
Veröffentlichung der Snowden-Papiere hat insbesonders Deutschland, den USA | |
und anderen westlichen Staaten geschadet.“ Für Maßen ist das Ziel von | |
Snowden klar: „Der Verrat der Geheimdienst-Unterlagen ist ein Versuch, | |
einen Keil zwischen West-Europa und die USA zu treiben – den größten seit | |
dem Zweiten Weltkrieg.“ Mit ins Horn stiess munter die BILD-Zeitung, in der | |
ein dubioser Ex-NSA-Mann behauptete, Snowden sei schon in seiner Zeit als | |
CIA-Mitarbeiter in Genf zu den Russen übergelaufen. | |
Wolfgang Kaleck, Snowdens Anwalt in Deutschland, schrieb an den | |
NSA-Auschussvorsitzenden Sensburg, dessen Anschuldigung gegen Snowden, sei | |
„objektiv falsch und wird von unserer Seite aufs heftigste zurückgewiesen.“ | |
## Kein freiwilliges Asyl in Russland | |
In Wahrheit, das sagt nicht nur Kaleck, war Russland keineswegs das Land | |
der Träume von Edward Snowden, in dem er sich unbedingt hatte niederlassen | |
wollen. Julian Assange, Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, der | |
seit über vier Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London | |
festsitzt, hatte im Juni 2013 eruiert, dass Snowden in Ecuador oder | |
Venezuela politisches Asyl bekommen könnte. | |
Snowden versuchte deshalb von Hongkong über Moskau nach Südamerika zu | |
fliegen. Als er zusammen mit Sarah Harrison von WikiLeaks auf dem Weg nach | |
Moskau war, erklärte die US-Regierung seinen Pass für ungültig. Da ihn | |
keine Fluggesellschaft ohne gültigen Pass weiterbefördert hätte, strandete | |
er in Moskau und beantragte schließlich in Russland politisches Asyl. | |
Diese Version hält auch auch Chris Inglish, bis 2014 Vizechef der NSA, für | |
glaubwürdig. Er sieht „keinerlei Evidenz“, dass Snowden ein russischer | |
Spion sei. Snowden selbst erklärte jetzt: „An diesem Punkt bin ich mehr | |
amüsiert als genervt über die dummen Vorwürfe.“ Allerdings habe er | |
„gehofft, dass wir uns mittlerweile vom Boten zur Botschaft bewegt hätten.“ | |
Der Whistleblower war von Anfang an irritiert darüber, dass viele | |
Journalisten sich nicht mit den von ihm an die Öffentlichkeit gebrachten | |
Dokumenten beschäftigten, sondern lieber mit seiner Person und seinen | |
möglichen Motiven. | |
„Diese Vorwürfe gegen Snowden wirken wie eine Kampagne“, urteilt Christian | |
Ströbele. Dass der Verfassungsschützer Maaßen sie wiederholt ohne Beweis | |
erhoben hat, läge wohl daran, dass er ein „Überzeugungstäter“ sei, so | |
Ströbele, „ein beleidigter Überzeugungstäter.“ Der NSA-Ausschuss wird die | |
Befragung von Maaßen nach der Sommerpause fortsetzen. | |
6 Jul 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/Snowden/status/740971373321965572 | |
## AUTOREN | |
Michael Sontheimer | |
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