Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berliner Humboldtforum: „Quick and dirty“
> Das Stadtschloss bekommt eine Berlin-Ausstellung. Das Konzept von
> Chef-Kurator Paul Spies verspricht viel – doch auch die Politik ist
> gefordert.
Bild: Nimmt Formen an: Außenansicht des Berliner Stadtschlosses
Berlin taz | Zwei Präsentationen hatte Paul Spies vorbereitet. „Das dauert
drei bis vier Stunden“, scherzte der Chef-Kurator und Direktor des Berliner
Stadtmuseums zu Beginn. Tatsächlich: Spies hatte sich viel vorgenommen.
Zunächst präsentierte er am Montag im Märkischen Museum das Konzept für die
geplante Berlin-Ausstellung im rekonstruierten Stadtschloss. Anschließend
folgten seine konzeptionellen Überlegungen für die sechs Häuser, die im
Moment noch unter dem Namen „Berliner Stadtmuseum“ fungieren.
Bereits am Vormittag waren die Pläne im Kulturausschuss präsentiert worden
– unter „großer Zustimmung“, wie Berlins Regierender Bürgermeister Mich…
Müller (SPD) vorneweg hervorhob. Alle seien davon beeindruckt, was Spies in
den vergangenen fünf Monaten seit seiner Einsetzung erarbeitet habe,
betonte Müller. Und auch Spies nannte seinen im Februar vorgestellten Plan,
noch im Juli seine Ideen zu präsentieren, ein „wahnsinniges Versprechen“.
Der ehemalige Direktor des Amsterdam Museums hat es eingelöst. Für die 1.
Etage des Humboldtforums, der „Belle Etage“, wie Müller sie nannte, hat
Spies eine Ausstellung konzipiert, die eine „Brücke zwischen Berlin und der
Welt“ schlagen soll. Schon das Deckblatt des Konzepts, bei dem Berlin ein
kleiner Punkt auf einer großen Weltkarte war, machte diesen – bescheidenen
– Anspruch deutlich. Oder wie Spies es ausdrückte: Berlin soll als
exemplarische Großstadt begriffen werden, es gehe nicht darum, „Berlin als
Welthauptstadt darzustellen“.
Eine Brücke schlagen soll die Ausstellung auch zum Rest des Humboldtforums,
der Weltgeschichte, die in Form des Ethnologisches Museums und des Museums
für Asiatische Kunst in den oberen Etagen beheimatet sein wird. „Ein Haus
aus einem Guss“ sei das Ziel, da ist sich Spies mit Neil MacGregor einig.
Der Gründungsintendant des Humboldtforums hat sich, so berichtete es Spies,
beeindruckt gezeigt von seinen Vorstellungen: „Das ist brillant. Da kann
nichts schiefgehen.“
## Von Grenzen und Freiräumen
Geplant ist eine Schau von neun Aspekten, die Berlins Vernetzung mit der
Welt, exemplarisch darstellen sollen. Eingeleitet wird der Rundgang mit
Berlin-Bildern. Spies schwebt eine kritische Hinterfragung der Bilder vor,
die sich etwa durch City-Marketing in den Köpfen festgesetzt haben. Des
weiteren bearbeitet werden Themen wie Grenzen, Migration oder Revolution,
aber auch Freiräume, Vergnügen oder Mode.
Dargestellt werden soll das alles nicht chronologisch, nicht mit einer
Fokussierung auf Ausstellungsstücke in Vitrinen, sondern lebendig – und
„quick and dirty“, wie Spies es bezeichnete. In 45 Minuten sollen die neun
individuell gestalteten Bereiche durchschritten werden können – schließlich
wird es im Haus und darüber hinaus noch viel mehr zu sehen geben.
Wichtig ist Spies zudem der Mitmachcharakter: Ob Experimentierflächen oder
Museumslabors – die Besucher sollen befragt und einbezogen werden.
Angepeilt wird eine Eröffnung im Herbst 2019 – 10,8 Millionen Euro stehen
bis dahin bereit.
## Konzept fürs Stadtmuseum
Nach einem kurzen Moment des Durchatmens präsentierte Spies dann mit dem
gleichen Tatendrang und einer fast übersprudelnden Begeisterung sein
Zukunftskonzept für die Häuser des Stadtmuseums. Das Märkische Museum,
zurzeit, so Spies, nicht auffindbar, mit unverständlichem Namen, schlecht
beleuchtet und arrangiert, soll ein „Must See“ für Berliner und Touristen
werden.
Auch wenn der Umbau des Hauses nicht vor Eröffnung des Humboldtforums
starten soll, werde sofort mit den konzeptionellen Neuerungen begonnen. Das
Erdgeschoss wird ausgeräumt, um Platz für Sonderausstellungen zu schaffen,
darüber soll ein Rundgang durch die Berliner Geschichte führen. Im
Obergeschoss möchte Spies ständig wechselnde Objekte der insgesamt 4,5
Millionen Objekte umfassenden Berliner Sammlungen zeigen – die er, so der
ehrgeizige Plan, bis 2020 sämtlich digitalisieren will.
Zusammen mit dem gegenüberliegenden Marinehaus, das als Kulturzentrum mit
Ateliers und Veranstaltungsflächen geplant ist, soll ein städtisches
Kraftzentrum entstehen. Ehrgeizige Pläne hat Spies auch für die weiteren
Häuser – dem Ephraim-Palais, der Nikolaikirche, dem Knoblauchhaus und dem
Museumsdorf Düppel. Sie alle sollen zukünftig eigenständig vermarktet
werden – eine „Stadtmuseumssuppe“ will Spies nicht mehr verkaufen.
Dafür allerdings braucht es Geld – Geld, das abgesehen vom Märkischen
Museum und dem Marinehaus noch nicht genehmigt ist. Spies zeigte sich daher
erfreut, seine Ideen vor der Wahl und den kommenden Koalitionsverhandlungen
präsentiert zu haben. Die Politik habe an diesem Tag erstmalig von seinen
Plänen gehört.
„Wir brauchen jetzt eine Diskussion, ob Herr Spiess umsonst aus Holland
geholt wurde“, so der ehrgeizige Direktor, der sich nicht scheut, seine
Forderungen deutlich auszusprechen. So wünscht er sich, dass die Behörden
künftig schneller und projektorientierter arbeiten, die Sorge vor
dreijährigen Genehmigungsprozeduren war ihm anzumerken. Und an die Politik
gerichtet, sagte Spies: „Ich erwarte Reaktionen.“
19 Jul 2016
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Paul Spies
Humboldt Forum
Ausstellung
Berlin
Michael Müller
Stadtschloss
Paul Spies
Märkisches Museum
Ethnologie
Museumspolitik
Lesestück Meinung und Analyse
Stadtschloss
Geschichte
Humboldt Forum
Humboldt Forum
taz.gazete
## ARTIKEL ZUM THEMA
Jahres-PK Stadtmuseum: Frischer Wind im Museumsmuff
Paul Spies, Direktor des Stadtmuseums, hat sich im Humboldt Forum
durchgesetzt. Auch im Märkischen Museum steht Spannendes an.
Alltag im Berlin der Nazis: Im Schaufenster blonde Puppen
Die Ausstellung „Berlin 1937“ zeigt Szenen einer gleichgeschalteten Stadt,
deren Bewohner sich der Illusion hingaben, ein ganz normales Großstadtleben
zu führen.
Museen vor Umzug ins Humboldt Forum: Großer Kehraus in Dahlem
Bevor das Ethnologische und das Asiatische Museum am 8. Januar 2017
endgültig schließen, geht es in Dahlem mit einem Langen Wochenende noch
einmal hoch her.
Berliner Stadtschloss: Ein Schlossherr für alle
Anderthalb Jahre nach seinem Jobantritt füllt der Gründungsintendant des
Humboldt Forums Neil MacGregor sein Projekt zum ersten Mal mit Ideen.
Wiederaufbau Berliner Stadtschloss: Die Maske der Vergangenheit
Die Rückkehr des Historizismus in Berlin: Im Wiederaufbau des
Stadtschlosses drückt sich ein Unbehagen mit der Gegenwart aus. Eine
Streitschrift.
Wiederaufbau Berliner Stadtschloss: Neurose aus Beton
Es wirkt wie eine Fata Morgana und ist doch erschreckend leibhaftig: Am
Stadtschloss kommt niemand mehr vorbei. Der Versuch einer Annäherung.
Ausstellung über Berlins historische Mitte: Welches alte Berlin darf's denn se…
Die Berliner Mitte um das Rote Rathaus wurde häufig umgebaut. Sie soll auch
künftig ein offener und kreativer Ort bleiben, erzählt eine Schau im
Abgeordnetenhaus.
Baustelle des Humboldt Forums in Berlin: Zu Besuch beim Schlossgespenst
Die Mauern des Humboldt Forums stehen. Kommt einem drinnen das Gruseln?
Beim Besuch erfährt man, dass Ungenauigkeiten der Handwerker erwünscht
sind.
Konzepte für Museen: Museum erlebt zweite Jugend
Paul Spies, neuer Direktor der Stiftung Stadtmuseum, legt
Masterplan-Entwurf für Märkisches Museum und Humboldt-Forum vor.
Kommentar zum Humboldtforum: Er weiß, wie man Geschichte erzählt
Der bisherige Leiter des Britischen Museum in London, Neil MacGregor, wird
Leiter der Gründungsintendanz des Humboldtforums. Eine kluge Wahl.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.