# taz.de -- Rechtsextreme Identitäre in Berlin: Alter Hass in neuer Verpackung | |
> Die Identitäre Bewegung kündigt einen „Sommer des Widerstands“ an. Eine | |
> Demonstration findet am Freitag in Berlin statt. | |
Bild: Machen jetzt nicht nur im Netz, sondern auch auf der Straße mobil: die r… | |
„Wir finden uns nicht damit ab, dass aus großen Kulturen globaler | |
Einheitsbrei wird“, ereifert sich ein junger Man in einem Video. Er hat | |
einen blonden Mittelscheitel und trägt eine Hornbrille. Bei der Ansage will | |
er bestimmt wirken: „Wir finden uns nicht damit ab, dass wir ausgetauscht | |
werden!“ Der junge Mann ist Mitglied der Identitären Bewegung, einer | |
rechtsextremen Gruppierung, die ihre Wurzeln in der französischen Neuen | |
Rechten hat. Gemeinsam mit einem anderen Aktivisten ruft er zu einer | |
Demonstration auf. Unter dem Motto „Aufstand gegen das Unrecht“ wollen die | |
Identitären am 17. Juni, dem Tag des großen Arbeiteraufstands in der DDR, | |
vom S-Bahnhof Friedrichstraße zum Potsdamer Platz marschieren. | |
„Die Identitäre Bewegung ist derzeit die aktivste rechtsextreme | |
Jugendbewegung in Deutschland“, sagt Simone Rafael, Redakteurin der Website | |
[1][netz-gegen-nazis.de] und Mitarbeiterin der Amadeu-Antonio-Stiftung. Sie | |
beobachtet die Gruppe schon seit geraumer Zeit. Das Besondere an der | |
Bewegung sei, dass sie den Rechtsextremismus modernisieren wolle, indem sie | |
sich vermeintlich vom historischen Nationalsozialismus abgrenzt: „Das ist | |
eine Strategie, um bei den Leuten nicht von vornherein auf Ablehnung zu | |
stoßen. Eigentlich stehen die Identitären für dieselben | |
Diskriminierungsformen der Ausgrenzung und Abwertung von allem, was sie als | |
fremd einordnen“, so Rafael. | |
Die Modernisierung sei vor allem eine sprachliche: „Den Begriff ‚Rasse‘ | |
ersetzen sie mit ‚Kultur‘.“ Rafael nennt das „Rassismus ohne Rassen“.… | |
der Verschleierung der Ideologie seien es die „moderne Bildsprache, | |
Entlehnungen aus der Popkultur und Aktionsformen, die eigentlich eine linke | |
Tradition haben, mit denen sie an junge Menschen herantreten wollen“, | |
erklärt Rafael. | |
## Aktivitäten in Berlin | |
„Zunächst fristeten die Identitären, die seit 2012 eine deutsche | |
Facebook-Seite betreiben, ein Dasein als Internetphänomen“, sagt Vera | |
Henßler von apabiz, dem Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum | |
Berlin. In der letzten Zeit würden sie sich in Berlin aber immer öfter auch | |
auf der Straße zeigen. „Anfangs sind die Berliner Identitären mit kleinen | |
Flashmobs aufgefallen, die ihnen Material für ihre Internet-Videos | |
lieferten“, so Henßler. | |
Später, im März 2013, erschienen sie dann in einer Sitzung der | |
Bezirksverordnetenversammlung in Reinickendorf, als diese über ein zu | |
errichtendes Asylheim debattierte. Im Juni letzten Jahres kletterten sie | |
auf den Balkon des Willy-Brandt-Hauses, der SPD-Bundeszentrale – dieses Mal | |
war auf einem Transparent „Stoppt den großen Austausch!“ zu lesen. Nachdem | |
sie bei Bärgida mitliefen und dort Reden hielten, nahmen sie vergangenen | |
März bei einer extrem rechten Demonstration in Mitte teil. Nun kündigen sie | |
eine erste eigene Demonstration in Deutschland an. | |
In Berlin ist die Identitäre Bewegung noch vergleichsweise klein – bei | |
bisherigen Aktionen ist sie zumeist mit 10–15 Personen aufgetreten. In Wien | |
dagegen demonstrierten vergangenen Samstag bis zu 1.000 Identitäre. Dennoch | |
sei es aufgrund der Verbindungen zu anderen extrem rechten Zusammenhängen | |
schwer einzuschätzen, wie viele Personen bei der Demonstration erscheinen | |
werden, konstatieren sowohl Rafael als auch Henßler. Angemeldet sind | |
derzeit 400 Personen. | |
## Verbindungen zur AfD | |
In Berlin gibt es etwa Verbindungen zur Alternative für Deutschland – nicht | |
nur ereignisorientiert, sondern auch strukturell: Jannik Brämer, | |
Schatzmeister der „Jungen Alternative“ und BVV-Kandidat der AfD in | |
Charlottenburg-Wilmersdorf, ist Mitglied der Berliner Identitären. Ein Foto | |
auf Twitter zeigt ihn bei dem Aufmarsch der Identitären in Wien. Auf | |
Anfrage antwortet der Pressesprecher der Jungen Alternative, Herr Brämer | |
gebe der taz keine Auskünfte. | |
Dass es die Identitären trotz ihrer jugendlichen und scheinbar harmlosen | |
Selbstdarstellung nicht bei Worten belassen, zeigte ein Angriff, der sich | |
vor Kurzem gegen die Amadeu-Antonio-Stiftung richtete: „Sie haben unseren | |
Eingang mit Polizeiband abgesperrt und haben Plakate an unsere Türen und | |
Wände angebracht, auf denen sie uns als Teil eines ‚Zensurstaats‘ und | |
Gegner der ‚freien Meinungsäußerung‘ bezeichneten“, erzählt Rafael. | |
Woanders geht die Bewegung schon weiter: Im April stürmte sie mit 40 | |
Mitgliedern eine Theateraufführung, die an der Wiener Universität von | |
Geflüchteten aufgeführt wurde. Der Chefideologe der Österreichischen | |
Identitären, Martin Sellner, wird bei der Demo in Berlin als Gastredner | |
erwartet. Als die Identitären-Demo in Wien nach wenigen hundert Metern von | |
AntifaschistInnen blockiert wurde, verabschiedete Sellner seine Kameraden | |
mit den Worten: „Wir kommen wieder. 2016 ist das Jahr der Patrioten!“ | |
17 Jun 2016 | |
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[1] http://www.netz-gegen-nazis.de/ | |
## AUTOREN | |
Volkan Agar | |
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