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# taz.de -- Berliner Abgeordnetenhaus: Müller kündigt goldene Jahre an
> Der Regierende Bürgermeister drängt zum Schulterschluss gegen
> Rechtspopulisten – und sieht goldene Jahrzehnte kommen.
Bild: Nach seinen Warnungen vor Rechtspopulisten lachte Regierungschef Müller …
Am Rednerpult steht der demokratisch gewählte Regierende Bürgermeister
Michael Müller von der SPD. Aber was er sagt, erinnert irgendwie an den
Schulterschluss-Appell von Kaiser Wilhelm II. beim Kriegsbeginn 1914. Er
kenne keine Parteien mehr, er kenne nur noch Deutsche, sagte der Kaiser
damals im Reichstag. „Wir brauchen jetzt die Engagierten aus Kultur,
Zivilgesellschaft, Parteien, Medien und Sozialpartnern, die gemeinsam dafür
kämpfen, dass Rechtspopulisten in Berlin keine Chance bekommen“, sagt der
Regierungschef am Donnerstag im Abgeordnetenhaus.
Der Tagesordnung nach soll Müller in einer Regierungserklärung bloß über
Berlins Silberjubiläum als Bundeshauptstadt reden – vor fast genau 25
Jahren hatte sich der Bundestag gegen Bonn und für Berlin entschieden. Doch
dann packt der Regierende Bürgermeister zwei Dinge drauf: einen Aufruf, die
AfD aus dem Abgeordnetenhaus rauszuhalten, indem nun alle gegen
Rechtspopulisten zusammenstehen – und eine Vision von „goldenen
Jahrzehnten“ für die Hauptstadt.
Sosehr Müller die Möglichkeiten Berlins preist und damit an die
nachkaiserlichen sogenannten Goldenen 20er erinnert, so sehr sieht er
gleichzeitig Berlin mit seinen Freiräumen in Gefahr, weil „diejenigen, die
unser solidarisches Gemeinwesen bekämpfen, in die Parlamente einziehen
wollen“. Dagegen vermisst er genug Widerstand: „Leider nehmen das viele
Parteien, Medien und Bürger fast wie beiläufig hin.“ In Umfragen der beiden
für Berlin führenden Institute liegt die AfD, die Müller nicht selbst beim
Namen nennt, bei 8 und bei 15 Prozent.
Müller macht für den Erfolg der Rechtspopulisten auch jene verantwortlich,
die aus seiner Sicht Berlin kaputt reden: „Wer mit erhobenem Finger auf den
Staat zeigt und ihn schlecht redet, sollte sich auch über die möglichen
Nebenwirkungen bewusst sein.“ Er müht sich zugleich, dem Vorwurf
zuvorzukommen, er kanzele nun Kritik im Wahlkampf als demokratiezersetzend
ab. „Es geht nicht ums Schönreden oder Verleugnen“, sagt er, „es geht
schlicht darum, die Waage zu halten und auch die positive Bilanz zu sehen.“
Besonders wehrt sich Müller dagegen, in Berlin einen „failed state“ zu
sehen, wie es zuvor mehrere Medien taten.
Die „goldenen Jahrzehnte“ wiederum, die auf Worte eines
Wirtschaftsinstitutschefs zurückgehen und die Müller trotz aller Bedrohung
durch Rechtspopulisten für möglich hält, definieren sich für ihn über
sozialen Ausgleich, Weltoffenheit und so viel Finanzkraft, dass Berlin
nicht länger auf Unterstützung angewiesen ist. In spätestens 25 Jahren soll
das so sein.
Müllers Worte kommen merklich überraschend für die Opposition.
Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek hält sich an ihrer vorbereiteten
stadtpolitischen Rede fest, spricht von Berlin als Aushängeschild für die
Nation. Klaus Lederer von der Linkspartei gesteht Müller eine gute Rede zu,
wirft aber die berechtigte Frage auf, für welche Regierung der
Regierungschef eigentlich geredet hat. Denn ein Koalitionspartner für die
goldenen Jahrzehnte kommt in der ganzen 14-seitigen Rede nicht vor.
23 Jun 2016
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Michael Müller
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