Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Essay zum Arbeitskampf in Frankreich: Von wegen Sozialromantik
> Die Gewerkschaften wehren sich gegen die Arbeitsmarktgesetze. Die
> Bevölkerung steht hinter ihnen, obwohl die konservative Presse hetzt.
Bild: In Marseille wird kreativ gestreikt
Über die Streiks der französischen Gewerkschaften und die Protestbewegung
„Nuit debout“ kursieren vor allem medial erzeugte Vorurteile, dekoriert mit
demagogischer Stimmungsmache. Michaela Wiegel etwa,
Frankreich-Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,
unterstellte in ihrem Streikbericht am vergangenen Mittwoch, Frankreichs
Präsident François Hollande wolle sich so präsentieren, „als könne ihm die
soziale Unruhe im Land nichts anhaben“.
Illustriert wird das mit einem Foto, das den Staatspräsidenten beim
Anstoßen mit Alain Juppé zeigt – beide mit einem Glas Wein in der Hand.
Titel der Montage: „Ein Prosit auf den Protest“. Verschwiegen wird, dass
das Foto von der Eröffnung der „Cité du vin“ in Bordeaux stammt, wo Juppé
Bürgermeister ist. Martina Meister von der Welt hält zur gleichen Zeit den
militanten Streik von CGT („Confédération Générale du Travail“) und FO
(„Force ouvrière“) für ein „ideologisches Illusionstheater“, in dem �…
für immer der Vorhang“ falle. Kolportiert wird auch, die Gewerkschaften
wollten mit ihren Streiks die Fußballeuropameisterschaft stören.
Kein Gerücht ist zu einfältig, um es in der deutschen Presse nicht
französischen Gewerkschaften unterzuschieben. Die Streiks und die
Protestbewegung von „Nuit Debout“ gelten einer Arbeitsrecht-„Reform“, d…
drei Ziele verfolgt: „mehr arbeiten, weniger verdienen, leichter
entlassen“. Dagegen wehren sich zwei von drei Gewerkschaftsverbänden, die
sich untereinander mehr bekämpfen als unterstützen. Zur organisatorischen
Spaltung der französischen Gewerkschaftsbewegung gesellt sich ein schwacher
Organisationsgrad. Er liegt mit 10 Prozent etwa halb so hoch wie beim DGB.
Aber die Gewerkschaften haben eine andere Kampftradition und agieren in
einem Land, in dem politische Streiks nicht verboten sind, sondern als
legitim gelten.
Die momentane Streikbewegung gegen die „Modernisierung“ des Arbeitsrechts
nach dem Vorbild der deutschen Agenda-Politik wird von 70 Prozent der
Citoyennes und Citoyens befürwortet. Wer sich wehrt, lebt in Frankreich
nicht verkehrt, sondern erst richtig – auch wenn das aus der Bundesrepublik
stammende Korrespondentinnen für einen „sozialromantischen Sonderweg“
halten, die Demontage arbeitsrechtlicher Normen für „alternativlos“ und den
Streik für ein „Endspiel“. In Frankreich setzt nur die christlich-sozial
orientierte CFDT („Confédération Française Démocratique du Travail“) auf
Sozialpartnerschaft.
## Größenwahnsinnige Unternehmer
Zur Hetze in der konservativen Presse gegen CGT und FO – vor allem der
Zeitung Figaro – kommt der Medef („Mouvement des Entreprises de France“),
der Unternehmerverband, hinzu, der Bürgerkriegstöne anschlägt. Pierre
Gattaz, dessen Präsident, beschimpfte Gewerkschaftsführer als „voyous“
(„Ganoven“) und verglich sie mit „Terroristen“.
Bei aller Kampfbereitschaft sind die Gewerkschaftsführer aber keine
Dummköpfe. Philippe Martinez von der CGT etwa zeigt sich gesprächsbereit:
„Es gibt keine Vorbedingung. Man wartet seit drei Monaten auf eine
Diskussion“, sagte er am vergangenen Donnerstag. Zunächst hatte er die
Rücknahme von Artikel 2 des „Reform“-Gesetzes verlangt. Der möchte
Branchentarifverträge durch Betriebsvereinbarungen über Lohn und
Arbeitszeit ersetzen, also die Gewerkschaften verdrängen.
Die Maximalisten sitzen derweil woanders: etwa beim Unternehmensverband
Medef: „Wenn der Artikel 2 verschwindet, fordern wir die Rücknahme des
ganzen Gesetzes“. Oder in der Regierung: „Meine Verantwortung verlangt, bis
ans Ende zu gehen“ (Premierminister Manuel Valls); und schließlich beim
Staatspräsidenten Hollande: „Es geht um die Klärung zwischen zwei Arten von
Gewerkschaft: der Protestgewerkschaft und den Verantwortungsgewerkschaft“.
Wenn das wirklich die Alternative wäre, müsste er sich auf einen heißen
Sommer einstellen.
3 Jun 2016
## AUTOREN
Rudolf Walther
## TAGS
Streik
Schwerpunkt Frankreich
Hollande
Arbeitsmarkt
Agenda 2010
Arte
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
Streik
Total
Schwerpunkt Frankreich
## ARTIKEL ZUM THEMA
Personalpolitik beim Sender Arte: Ein exemplarischer Einzelfall
Arte möchte den langjährigen Moderator Jürgen Biehle offenbar loswerden.
Das zeigt beispielhaft, was beim Sender schiefläuft.
Sabotage in Frankreich: Protest gegen Werksschließung
Arbeiter haben zwei Maschinen in der Farik des Autozulieferers GM&S
zerstört. Sie kämpfen seit sechs Monaten um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze.
Kommentar Protest in Frankreich: Das Sommermärchen wird gestört
Die Demonstrationen und Streiks in Frankreich sind verständlich und
richtig. Nur haben sie das falsche Ziel, denn das sollte Deutschland sein.
Sozialproteste in Frankreich: Eine Reform zum Weinen
Zehntausende fordern in Paris die Rücknahme der geplanten
Arbeitsmarktreform. Dabei gibt es Verletzte und es kommt zu Festnahmen.
Arbeitskämpfe in Frankreich: Ohne Rücksicht auf Verluste
Kurz vor der EM in Frankreich ist das Land zutiefst gespalten. Präsident
Hollande versucht mit allen Mitteln, das Arbeitsrecht aufzuweichen.
Streikwelle in Frankreich: Die Eskalation ist beabsichtigt
Der Konflikt um die Arbeitsmarktreform könnte sich in dieser Woche
entscheiden. Weder Gewerkschaften noch Regierung wollen nachgeben.
Streiks in Frankreich: Brennende Reifen, knapper Sprit
Die Gewerkschaften spielen mit dem Feuer. Um die umstrittene
Arbeitsmarktreform zu Fall zu bringen, werden nun Atomkraftwerke bestreikt.
Politische Streiks in Frankreich: Nichts fließt mehr in Grandpuits
Die Arbeiter der Total-Raffinerie sind entschlossen, ihren Streik bis zur
Rücknahme der Arbeitsmarktreform fortzusetzen. Die Produktion ruht.
Proteste in Frankreich: Ab auf die Barrikaden!
Gegner der Arbeitsmarktreform setzten die Regierung mit Streiks und
Blockaden unter Druck. Die verhängt individuelle Demonstrationsverbote.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.