# taz.de -- Personalpolitik beim Sender Arte: Ein exemplarischer Einzelfall | |
> Arte möchte den langjährigen Moderator Jürgen Biehle offenbar loswerden. | |
> Das zeigt beispielhaft, was beim Sender schiefläuft. | |
Bild: Biehler arbeitet in der Sendezentrale von Arte in Straßburg | |
Jürgen Biehle gehört zum Inventar. Seit 22 Jahren arbeitet er für den | |
[1][deutsch-französischen Sender Arte]. Seit 20 Jahren präsentiert er das | |
„Arte Journal“, das „europäische Nachrichtenmagazin“ mit seinem | |
einzigartigen Blick auf das Geschehen in der Welt. Doch für Arte hat Biehle | |
offenbar schon zu lange vor der Kamera gestanden. | |
„Ich soll ganz offensichtlich gedrängt werden, früher, als ich eigentlich | |
möchte, in Rente zu gehen“, sagte Biehle der taz. Arte biete ihm zwar Geld. | |
Bloß: Nach 22-jähriger Mitarbeit sei das Angebot „schlicht inakzeptabel“, | |
das sähen auch seine Anwälte und die Gewerkschaft so. Biehle sagt aber | |
auch, der Streit gehe weit über seine Sache hinaus. Er spricht gar von | |
einer „politischen Dimension“. | |
Rechtlich ist Arte eine ziemlich komplizierte Konstruktion. Ein Teil der | |
MitarbeiterInnen arbeitet für Arte Deutschland, andere für die | |
Arte-Redaktionen bei ARD und ZDF. Biehle hingegen ist in Straßburg | |
beschäftigt, der Sendezentrale von Arte. Vor Ort gilt französisches Recht. | |
Wer also 65 Jahre oder älter ist, kann in Rente gehen, muss es aber erst | |
mit 70. Biehle, knapp 68, will weitermachen, ist inzwischen aber auch | |
heftig erkrankt. Das macht seinen Fall besonders kompliziert. | |
## Zwanghafter Wechsel der Sozialversicherung | |
MitarbeiterInnen aus Deutschland dürfen für 18 Jahre in der deutschen | |
Sozialversicherung bleiben, dann sollen sie in die französische wechseln – | |
so hat es Arte selbst für seine Leute mühsam bei den Behörden beider Länder | |
ausgehandelt. Biehle ist sogar darüber hinaus noch etwas verlängert worden. | |
Nun aber hat er das Pech, gerade jetzt das soziale Netz zu brauchen. | |
Der Journalist fürchtet nicht nur die höheren Abgaben des französischen | |
Systems, sondern „auf einen Schlag den Verlust der Leistungen der privaten | |
Krankenversicherung in Deutschland – auf die bin ich aber leider gerade | |
sehr angewiesen“. | |
Eigentlich gilt in der Arte-Zentrale Lohnfortzahlung bis zu drei Jahren. | |
Bei Biehle hat Arte sie allerdings gestoppt. Eine Sprecherin weist darauf | |
hin, dass offen ist, ob Biehle noch einmal eine Sondergenehmigung bekommt. | |
In einem ähnlich gelagerten Fall sei jedenfalls ein Kollege gezwungen | |
worden, ins französische System zu wechseln – mit allen Nebeneffekten. | |
Bei der französischen Arte-Zentrale seien derzeit 87 MitarbeiterInnen noch | |
in der deutschen Sozialversicherung. „Im Interesse aller deutschen | |
Mitarbeiter des Senders ist es daher das vorderste Ziel von Arte, den unter | |
schwierigen Bedingungen gefundenen Kompromiss nicht zu gefährden“, erklärt | |
die Sendersprecherin. | |
Siegfried Heim, der für Arte zuständige Verdi-Funktionär, wirft dem | |
Arte-Management in Straßburg hingegen vor, Biehles Situation auszunutzen. | |
„Arte versucht, ihn finanziell auszuhungern, damit er endlich das Angebot | |
akzeptiert, in Rente zu gehen“, sagt Heim. Arte solle freiwillig | |
weiterzahlen, bis alles Rechtliche geklärt sei. Es gehe darum, dem | |
langjährigen Mitarbeiter zu helfen statt sich stur zu stellen. „Hier wird | |
jedes Maß von sozialpartnerschaftlicher Zusammenarbeit verletzt.“ | |
## Gewerkschaften und Arte im Streit | |
Eigentlich müsste bei den [2][GewerkschafterInnen dieser Tage | |
Jubelstimmung] herrschen. Nachdem sich mit ihrer Hilfe zwei | |
Arte-Journalisten, die bislang frei beschäftigt wurden, auf eine feste | |
Stelle in der Zentrale eingeklagt haben, [3][rollt auf Arte nun eine | |
Festanstellungswelle zu]. Das bestätigte Arte gegenüber der taz: „Wir | |
planen die Übernahme von rund zehn freien Mitarbeitern pro Jahr über einen | |
Zeitraum von zehn Jahren hinweg.“ Allein: Das Verhältnis zwischen | |
Gewerkschaften und Arte eskaliert. | |
„Sozialer Dialog ist unmöglich geworden“, warnen [4][die französischen | |
Gewerkschaften] auf Flyern. Verdi wiederum boykottiert laut Heim „bis auf | |
Weiteres“ die „Réunion Syndical“, also den gegenseitigen Austausch von | |
Geschäftsleitung und Gewerkschaften. Er vermisst „den notwendigen Respekt“: | |
Verdi soll nicht mitbestimmen dürfen, obwohl die Arte-Zentrale etliche | |
deutsche MitarbeiterInnen beschäftige. | |
Arte verweist darauf, dass Verdi als deutsche Gewerkschaft dazu kein Recht | |
habe, es sich aber nehmen wolle. Letztes Jahr hat Arte Verdi sogar | |
verklagt, um genau das zu verhindern. Gleichwohl sei es „eine | |
Errungenschaft“ von Arte, dass Verdi dennoch an den internen Runden | |
teilnehmen dürfe. „Der einzige Unterschied“ sei, dass Vereinbarungen mit | |
Verdi „keine rechtliche Bindekraft“ hätten. | |
Verdi-Urgestein Gerhard Manthey, Heims Vorgänger, spricht von einem „großen | |
Missverhältnis“ innerhalb des deutsch-französischen Konstrukts. „Der | |
Deutsche hat in seiner Karriere das Nachsehen.“ Der Umgang mit Biehle sei | |
exemplarisch. „Was ihm widerfahren ist, ist eine große Ungerechtigkeit.“ | |
Arte müsse „endlich fertig gedacht werden“, mahnt Manthey. | |
Biehle will nun vorsorglich doch in die französische Sozialversicherung. | |
„Damit dürfte die Frage der Kostenübernahme für die krankheitsbedingte | |
Abwesenheit durch die französische Sozialversicherung geregelt werden | |
können“, heißt es bei Arte. | |
Doch für den Moderator Biehle ist das Verhältnis nachhaltig gestört. „Meine | |
Familie empfindet das Ganze zunehmend als Vernichtungsfeldzug“, sagt | |
Biehle. In ein paar Tagen hat er einen Termin beim Notar. „Wir verkaufen | |
unser Haus – aufgrund der eingetretenen finanziellen Notlage.“ | |
24 Jul 2018 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
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