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# taz.de -- Kommentar Protest in Frankreich: Das Sommermärchen wird gestört
> Die Demonstrationen und Streiks in Frankreich sind verständlich und
> richtig. Nur haben sie das falsche Ziel, denn das sollte Deutschland
> sein.
Bild: Sein Protest richtet sich gegen die Falschen
Bei der Fußball-EM soll die Sonne scheinen und das Bier beim Public Viewing
schmecken. Doch die französischen Gewerkschaften hielten sich nicht ans
Drehbuch. Von Paris bis Marseille riefen sie zu Protesten auf, um gegen die
geplanten Arbeitsmarktreformen zu protestieren. Frankreichs Sommermärchen
wird gestört.
Die Wut der Demonstranten ist verständlich: Es schafft keine zusätzlichen
Stellen, wenn man den Kündigungsschutz lockert, sondern drückt nur die
Löhne. Die Proteste werden aber nichts bringen, denn sie richten sich an
den Falschen. Die französischen Gewerkschaften glauben noch immer, dass ihr
Gegner die eigene Regierung sei. Doch sie machen es sich zu einfach, wenn
sie Präsident Hollande als „Verräter“ abstempeln. Hollande ist nur noch e…
Getriebener.
Die französischen Gewerkschaften sollten lieber gen Osten blicken – und die
Bundesrepublik attackieren. Denn die Arbeitslosigkeit in Frankreich steigt,
weil die Deutschen ihre Arbeitslosigkeit exportiert haben. Das Symbolwort
heißt „Agenda 2010“: Systematisch wurden die deutschen Reallöhne gedeckel…
um sich Wettbewerbsvorteile zu erschleichen.
Die Franzosen hingegen verhielten sich bisher fair. Sie ließen ihre
Gehälter mit dem technischen Fortschritt steigen, haben also nicht über
Dumpinglöhne konkurriert. Der Preis ist bitter: Durch seine Trickserei hat
Deutschland jetzt einen Wettbewerbsvorteil von etwa 20 Prozent. Hier
herrscht fast Vollbeschäftigung, während in Frankreich etwa 10 Prozent
arbeitslos sind.
Gegen diese deutsche Aggression ist die französische Politik machtlos.
Hollande will jetzt zwar die „Agenda 2010“ ein bisschen imitieren und
ebenfalls auf die Löhne drücken – aber der gigantische Wettbewerbsnachteil
lässt sich nicht mehr aufholen. Die Lösung liegt nicht in Frankreich,
sondern in Deutschland: Hier müssten die Gehälter so lange steigen, bis die
unfaire Wettbewerbslücke wieder geschlossen ist.
Bisher sind die Deutschen nicht bereit, den Franzosen entgegenzukommen. Man
wähnt sich in der Position des Stärkeren. Doch das täuscht. Die Proteste
der französischen Gewerkschaften lassen sich vielleicht noch ignorieren,
aber die gleiche Frustration macht auch die französischen Rechtspopulisten
stark. Es ist gut, dass das Sommermärchen gestört wurde.
14 Jun 2016
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Gewerkschaft
Francois Hollande
Agenda 2010
Schwerpunkt Frankreich
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Streik
Schwerpunkt Frankreich
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