| # taz.de -- Die Grünen und der Freihandel: Die Front gegen Ceta bröckelt | |
| > Die Grünen stehen vereint gegen das umstrittene Freihandelsabkommen Ceta? | |
| > Interne Mails wecken nun Zweifel daran. | |
| Bild: Die Ceta-Frage: Ist Kretschmann (Mitte) näher an der Basis oder an der C… | |
| Berlin taz | Offiziell läuft die Kampagne der Grünen gegen die | |
| Freihandelsabkommen auf Hochtouren. Parteichefin Simone Peter twitterte am | |
| Freitag einen Demoaufruf: Am 17. September sollen Anhänger der Ökopartei in | |
| sieben Städten gegen Ceta und TTIP protestieren. Für gutes Essen ohne | |
| Gentechnik, für eine saubere Umwelt und gerechte Arbeitsbedingungen. Peter | |
| verspricht: „Wir Grüne sind dabei!“ | |
| Doch so geschlossen, wie die Grünen-Chefin tut, ist ihre Partei nicht. In | |
| Wirklichkeit wackelt die grüne Front gegen Ceta. Das belegen Antworten | |
| wichtiger Grüner aus den Bundesländern an die Kampagnenorganisiation | |
| Campact. Die Aktivisten hatten grüne Landesparteien, -fraktionen und | |
| -ministerien wochenlang mit Fragen bombardiert. Der gesammelte | |
| E-Mail-Verkehr, der der taz vorliegt, beweist, dass sich mehrere von Grünen | |
| mitregierte Länder eine Zustimmung im Bundesrat offenhalten. Das scheinbar | |
| klare Nein der Grünen steht auf der Kippe. | |
| Der Bundesrat ist die Chance für die Grünen, ihr Versprechen einzulösen – | |
| und die ungeliebten Freihandelsabkommen noch aufzuhalten. Die Länderkammer | |
| wird die Beschlüsse der EU aller Voraussicht nach absegnen müssen, weil die | |
| Belange der Länder betroffen sind, etwa beim Verbraucherschutz oder der | |
| Landwirtschaft. Und die Grünen, die in zehn Ländern mitregieren, hätten die | |
| Macht zur Blockade. | |
| Aber wollen sie auch? Hessens Grüne zum Beispiel regieren zusammen mit der | |
| CDU. Die Antwort an Campact ist aufschlussreich, weil sie alles offenlässt: | |
| „Sobald Ceta im Bundesrat ein Thema wird, kann und wird die hessische | |
| Landesregierung ihr Abstimmungsverhalten in der Länderkammer festlegen“, | |
| heißt es in dem Brief, den die beiden LandeschefInnen Daniela Wagner und | |
| Kai Klose sowie der Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner unterschrieben | |
| haben. | |
| ## Der Minister schweigt | |
| Was heißt das genau? Der mächtigste Grüne in Hessen, Wirtschaftsminister | |
| Tarek Al-Wazir, hüllt sich in Schweigen. Eine taz-Anfrage mit der Bitte um | |
| Positionierung ließ er am Freitag unbeantwortet. | |
| Erst Anfang Mai hat die schwarz-grüne Koalition ihre Haltung zu | |
| Handelsabkommen im Landtag beschlossen. Ceta, TTIP und Co. könnten | |
| „grundsätzlich sinnvolle Instrumente“ für effektive und effiziente Märkte | |
| sein, heißt es da. Hessens Unternehmen exportierten jährlich Waren im Wert | |
| von über 6,2 Milliarden Euro in die USA. Der Beschluss betont zwar, dass | |
| soziale und ökologische Standards erhalten bleiben müssten – doch dies ist | |
| eine Frage der Definition. Eine Absage klingt anders. | |
| Auch in Hamburg, wo die Grünen mit der starken, wirtschaftsfreundlichen SPD | |
| unter Olaf Scholz regieren, halten sie sich bedeckt. Der Brief, mit dem die | |
| Hamburger Grünen die Campact-Fragen beantworten, endet lapidar. Solle Ceta | |
| in den Bunderat eingebracht werden, werde der Hamburger Senat „rechtzeitig | |
| sein Abstimmungsverhalten festlegen“. | |
| Eine Haltung, die neu ist: Im Wahlkampf hatten die dortigen Grünen Campact | |
| noch versichert, im Falle einer Regierungsbeteiligung ein Ja zu Ceta zu | |
| verhindern. Neuerdings lobt Hamburgs Grünen-Chefin Anna Gallina, dass es im | |
| Ceta-Entwurf keine privaten Schiedsgerichte mehr gebe, sondern ein | |
| teilweise öffentlich tagendes, dauerhaftes Gericht. Man sei skeptisch, ob | |
| damit auch andere Kritikpunkte ausgeräumt seien, sagte Gallina am Freitag. | |
| „Der innerparteiliche Diskussionsprozess zur Bewertung des Abkommens läuft | |
| derzeit noch.“ | |
| ## Kretschmann stören Einwände der Partei im Zweifel wenig | |
| In Baden-Württemberg regiert Winfried Kretschmann mit der CDU in | |
| Deutschlands erster grün-schwarzer Regierung. Der Koalitionsvertrag lässt | |
| eine Zustimmung zu Ceta ausdrücklich zu. Aber wie verhält sich Kretschmann, | |
| wenn es zum Schwur kommt? Weiß bei den Grünen dort niemand. Was alle | |
| wissen: Kretschmann stören Einwände der Partei im Zweifel wenig. Das hat er | |
| beim Asylrecht bewiesen. | |
| Die Antwort, die die ChefInnen der Landespartei aus Baden-Württemberg an | |
| Campact schrieben, liest sich denn auch ziemlich defensiv: Sie würden | |
| gegenüber der Landesregierung darauf drängen, „Ceta in der vorliegenden | |
| Fassung im Bundesrat nicht zuzustimmen“. Darauf drängen – weil Kretschmann | |
| eh macht, was er denkt? | |
| Misstrauische Grüne haben längst die Stimmenverhältnisse im Bundesrat | |
| ausgerechnet. Allen ist klar, dass dabei auch die Glaubwürdigkeit der | |
| Partei auf dem Spiel steht. „Ich werbe dafür, dass die überzeugenden | |
| Argumente überall berücksichtigt werden und Ceta abgelehnt wird“, sagte | |
| Bundetagsfraktionschef Anton Hofreiter. Die Stimmen von Baden-Württemberg, | |
| Hessen und Hamburg allein würden – zusammen mit von Union und SPD regierten | |
| Ländern – nicht reichen. Allerdings wird in mehreren Ländern noch gewählt, | |
| bevor die Ceta-Entscheidung im Bundesrat ansteht. In Nordrhein-Westfalen | |
| regiert im Moment die SPD mit entschieden Ceta-kritischen Grünen. Wenn nach | |
| der Wahl im Mai 2017 eine Große Koalition übernimmt, würde das Land Ceta | |
| durchwinken. | |
| Neue Brisanz erhält die Frage durch ein Gutachten, das in dieser Woche | |
| veröffentlicht wurde. Das Land Baden-Würtemberg hatte von dem – eher | |
| konservativen – Europarechtler Martin Nettesheim analysieren lassen, wie | |
| sich Ceta auf den Gestaltungsspielraum von Ländern und Gemeinden auswirkt. | |
| Seine Antwort ist klar: Dieser Spielraum wird verringert. Die öffentliche | |
| Daseinsvorsorge ist demnach ebenso von Ceta betroffen wie die Möglichkeit | |
| von Ländern und Kommunen, Regulierungen vorzunehmen. | |
| ## Gutachten schon seit Dezember fertig | |
| Wenn Baden-Württemberg seinen Koalitionsvertrag ernst nimmt, müsste das | |
| Land Ceta ablehnen. Festlegen will sich die Landesregierung darauf aber | |
| nicht. Die Ergebnisse des Gutachtens würden „in die politische Bewertung | |
| der Abkommen einfließen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher | |
| Arne Braun lediglich. | |
| Das Gutachten war bereits im Dezember fertiggestellt worden; [1][öffentlich | |
| gemacht hat es das Staatsministerium erst jetzt], nachdem der Verein „Mehr | |
| Demokratie“ von der Existenz erfahren und eine Veröffentlichung nach dem | |
| Informationsfreiheitsgesetz beantragt hatte. Selbst die zuständigen | |
| Grünen-Experten in der Bundestagsfraktion waren völlig überrascht. Man habe | |
| erst in dieser Woche von dem Gutachten erfahren, hieß es. | |
| Den Vorwurf, das Papier sei monatelang geheim gehalten worden, wies Braun | |
| am Freitag dennoch zurück. Das Gutachten musste „noch einmal auf den | |
| aktuellen Sachstand überprüft werden, da durch Nachverhandlungen zwischen | |
| der EU und Kanada im Februar ein überarbeiteter Ceta-Text veröffentlicht | |
| wurde.“ Erst nachdem der Gutachter erklärt hatte, dass „an den Ergebnissen | |
| der Studie festgehalten werden kann und keine Überarbeitung notwendig ist“, | |
| habe man sich zur Veröffentlichung entschlossen, sagte Kretschmanns | |
| Sprecher. | |
| Gegen diese Version spricht, dass sich weder im Gutachten noch auf der | |
| Webseite Hinweise auf Aktualisierungen finden. Das Papier trägt weiterhin | |
| das Datum 8. Januar 2016, der Text bezieht sich stets auf den „Entwurf“ des | |
| Abkommens. Eine monatelange Nachprüfung, die nicht im Text erwähnt wird, | |
| wäre zumindest ungewöhnlich. | |
| Die Anti-Ceta-Demo, zu der Grünen-Chefin Simone Peter aufruft, soll auch in | |
| Stuttgart, Frankfurt am Main und in Hamburg stattfinden. Für grüne | |
| Demonstranten könnte das – Stand jetzt – zu einer Herausforderung werden. | |
| Sie müssten gegen Freihandel protestieren – und die Grünen ihrer | |
| Landesregierung. | |
| 27 May 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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