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# taz.de -- Grüne in Ba-Wü und Freihandel: Warnungen für den Oberrealo
> Kretschmann hält sich ein Ja zu TTIP und CETA offen. Jetzt fordert die
> Grünen-Chefin in Berlin eine Ansage – und bekommt Hilfe aus Übersee.
Bild: Ministerpräsident Winfried Kretschmann in seinem Dienstwagen – einer S…
Berlin taz | So ein grenzüberschreitender Hilferuf ist selten in der
Politik: Kanadas Grüne bitten ihre Parteifreunde in Deutschland, das
Freihandelsabkommen CETA zu stoppen. „Ihr habt große Macht über die Zukunft
von CETA“, heißt es in einem Brief der kanadischen Ökopartei an die Grünen
in Bund und Bundesländern. „Wir bitten euch dringend, diese Macht jetzt zu
nutzen.“
Das Abkommen zwischen der EU und Kanada sei ein Schritt in die falsche
Richtung, wenn es darum gehe, den Planeten zu schützen. Das Schreiben, das
der taz vorliegt, haben Elizabeth May und Maude Barlow unterschrieben. May
ist Chefin der Grünen in Kanada, Barlow ist Präsidentin des „Council of
Canadians“, einer großen Nichtregierungsorganisation, die in sozialen
Bewegungen aktiv ist.
Beide weisen auf die Sperrminorität der deutschen Grünen im Bundesrat hin.
Wenn die von Grünen mitregierten Länder erklärten, im Bundesrat mit Nein zu
stimmen, „können sie maximalen Druck auf die Europäische Kommission
ausüben, den Ratifizierungsprozess zu stoppen.“ CETA ist ein
Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Es muss aller Voraussicht nach
vom Bundesrat abgesegnet werden, weil es Interessen der Bundesländer
berührt – etwa in der Landwirtschaft oder beim Verbraucherschutz.
Der Bittbrief aus Kanada dürfte die innerparteiliche Debatte der Grünen
über Ceta verschärfen. Denn die Grünen agieren in einem Widerspruch.
Offiziell lehnt die Partei CETA und TTIP ab. 90 Prozent der Grünen-Wähler
sind laut Umfragen gegen die Abkommen. Entsprechend mobilisieren die
Bundes- und Landesparteien mit dem emotional aufgeladenen Thema ihre Basis.
Auf allen Demos gegen Freihandelsabkommen laufen Grüne mit, auf vielen
Homepages prangen „Stopp TTIP und CETA!“-Buttons.
## Keine Absage an das Abkommen
Doch ganz so klar, wie es die Grünen suggerieren, ist ihre Position nicht –
zumindest nicht in Baden-Württemberg. Im Wahlkampf hatten die dortigen
Grünen unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann ebenfalls versprochen,
CETA abzulehnen. Doch im grün-schwarzen Koalitionsvertrag findet sich keine
Absage an das Abkommen. Stattdessen zählt Kretschmanns Koalition Standards
auf, von der ihre Zustimmung abhänge – zum Beispiel die „öffentliche
Gerichtsbarkeit bei Investor-Staats-Klagen“.
Diese Formulierung unterscheidet sich deutlich von den Ansagen im
Wahlkampf, und sie ist perfekt auf den fertig verhandelten CETA-Vertrag
abgestimmt. Anders als ursprünglich sollen Investoren nämlich nicht vor
geheim tagenden Privatgerichten klagen dürfen, sondern vor einem neu
geschaffenen Gericht mit öffentlichen Anhörungen. Kretschmann, der mit der
CETA-befürwortenden CDU regiert, öffnet also eine Hintertür für ein Ja im
Bundesrat.
Kretschmann ist in keiner einfachen Lage. In seinem Land sitzen wichtige
Großkonzerne wie die Daimler AG, die großes Interesse an
Handelsvereinfachungen haben. Die USA seien für Baden-Württemberg der
wichtigste Wirtschaftspartner, heißt es im Koalitionsvertrag unter dem
Kapitel „Internationale Handelsabkommen“. In anderen Ländern stellen Grüne
den Wirtschaftsminister, zum Beispiel im schwarz-grün-regierten Hessen.
Auch bei anderen Themen, etwa dem Asylrecht oder der Steuerpolitik, hatte
sich Kretschmann nicht an die grüne Parteilinie gehalten.
## Warnung an den Süden
Grünen-Chefin Simone Peter, eine überzeugte CETA-Kritikerin, sieht ihre
Partei in der Pflicht. „Wir wollen, dass die TTIP-Verhandlungen
unverzüglich gestoppt werden und haben die Bundesregierung aufgefordert,
dem CETA-Entwurf im Europäischen Rat nicht zuzustimmen“, sagte Peter am
Mittwoch der taz. „Entsprechend erwarte ich eine klare Ablehnung im
nationalen Gesetzgebungsverfahren. Hier stehen wir im Wort.“
Das darf man als Warnung in Richtung Baden-Württemberg verstehen, das Nein
nicht aufzuweichen. Auch im dortigen Koalitionsvertrag seien die hohen
Anforderungen der Grünen an Handelsabkommen verankert, betonte Peter. Der
Brief aus Kanada sei „Ausdruck der wachsenden Ablehnung von CETA und TTIP
auf beiden Seiten des Atlantiks.“
Die Kampagnenorganisation Campact kämpft seit Langem gegen TTIP und CETA.
Vorstand Felix Kolb sieht die offenen Formulierungen im
baden-württembergischen Koalitionsvertrag skeptisch. „Kretschmann zeigt
sich alles andere als verlässlich, wenn es um Wahlversprechen geht“, sagte
Kolb. „Damit gefährdet er sein wichtigstes Kapital: Das Vertrauen der
Bürger.“
May und Barlow lassen in ihrem Brief keinen Zweifel daran, für wie
gefährlich sie CETA halten. Sie zählen diverse fragwürdige Praktiken auf,
die kanadische Agrarkonzerne durch CETA nach Europa exportieren könnten. Es
gehe zum Beispiel um Pestizide, Hormone in Rindfleisch, das Färben von
Lebensmitteln oder weniger eindeutige Kennzeichnung von Produkten.
11 May 2016
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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Kanada
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CETA
Bündnis 90/Die Grünen
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