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# taz.de -- Angst vor dem Islam: Opposition auf Rechtskurs
> In Niedersachsen setzen CDU und FDP auf Islamophobie: Die Gleichstellung
> muslimischer Verbände wird torpediert – und ein
> Terror-Untersuchungsausschuss eingesetzt
Bild: Kopftücher und Staatsverträge will die CDU in Niedersachsen nicht sehen
HANNOVER taz | Anerkennung und Gleichberechtigung war gestern: Im
niedersächsischen Landtag gibt sich die Opposition aus CDU und FDP
zunehmend islamkritisch. Die seit 2005 diskutierten Verträge zur
Gleichstellung muslimischer Glaubensgemeinschaften sollen offenbar zerredet
werden. Geht es nach Christdemokraten und Liberalen, soll ein
Untersuchungsausschuss stattdessen angebliches Behördenversagen bei der
Bekämpfung radikaler Salafisten aufklären.
Die Islamverträge waren ursprünglich vom einstigen Minister- und späteren
Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) ins Gespräch gebracht worden. In
ihnen wollen sich der Landesverband der Muslime (Schura), der Dachverband
der türkischen Moscheegemeinden (Ditib) und die alevitischen Gemeinden zum
Grundgesetz und zu Grundrechten bekennen.
Im Gegenzug erkennt das Land an, dass Muslime und Aleviten „einen wichtigen
Bestandteil der Bevölkerung bilden“ und dass „der Islam als ihr gelebter
Glaube zur Vielfalt religiösen Lebens beiträgt“. Viele weitere Regelungen,
etwa zum islamischen Religionsunterricht, haben aber lediglich
„deklaratorischen“ Charakter, geben also bestehende Gesetze wieder (siehe
Kasten).
Die Verträge gelten als wichtiger Baustein der Integrationspolitik der
rot-grünen Regierung von Ministerpräsident Stephan Weil. Der Sozialdemokrat
bemüht sich um möglichst breite Unterstützung – und hat angekündigt, sich
nicht allein auf die rot-grüne Regierungsmehrheit stützen zu wollen. Die
Opposition aber blockiert: Zuletzt forderte CDU-Fraktionschef Björn
Thümler, in den Verträgen eine „negative Religionsfreiheit“
festzuschreiben. Die Islamverbände sollten anerkennen, dass Muslime zu
Atheisten oder Christen werden können. Außerdem müssten sich die
Moscheegemeinden deutlicher von gewaltbereiten Salafisten distanzieren.
Auch die FDP will die Verträge komplett umschreiben. Sämtliche
„deklaratorischen“ Regelungen etwa zur höchstrichterlich entschiedenen
Absage an ein Kopftuchverbot an Schulen seien überflüssig, findet ihr
Fraktionsvorsitzender Stefan Birkner. Bei seiner heutigen Plenarsitzung
soll sich der Landtag in einer Aktuellen Stunde mit den Verträgen befassen.
Die FDP will so klären, ob Rot-Grün zu den geforderten Änderungen bereit
ist.
Bei den Muslimen selbst macht sich deshalb Enttäuschung und Unverständnis
breit. Der Islam sei keine institutionalisierte Religion wie das
Christentum, so der Schura-Vorsitzende Avni Altiner zur taz: „Wir haben
keine Kirche, keinen Papst.“ Die Forderung der CDU nach negativer
Religionsfreiheit gehe deshalb ins Leere, argumentiert er. „Wenn ein
ehemaliger Muslim nicht mehr an Gott glaubt, geht das niemanden etwas an –
auch andere Muslime nicht. Es gibt – anders als bei Kirchen – keine
Mitgliedschaft und mithin auch keinen förmlichen Austritt.“
Unangemessen sei auch die Aufforderung, sich stärker von potenziellen
Terroristen zu distanzieren: „Können Sie sich vorstellen, dass eine solche
Forderung an christliche Kirchen gerichtet würde?“, fragt Altiner
rhetorisch. Bedient werde dadurch lediglich eine zunehmend islamophobe
Stimmung, sagt der Schura-Vorsitzende mit Blick auf die Erfolge der
„rechtspopulistischen AfD“. Offensichtlich suche die Opposition nach
Themen, mit denen sie bei den in den kommenden zwei Jahren anstehenden
Kommunal-, Bundestags- und Landtagswahlen punkten könne. Auch
Ditib-Vertreterin Emine Oğuz warnt seit Monaten, die Verträge könnten bei
den Abstimmungen von Rechtsextremen instrumentalisiert werden.
Kritik am Crash-Kurs der Opposition kommt auch von Rot-Grün. Gerade die
Christdemokraten setzten „die Hürden bewusst so hoch, dass die muslimischen
Verbände große Probleme haben werden, zuzustimmen“, sagt
SPD-Fraktionschefin Zanne Modder. „Insofern wäre es jetzt an der Zeit, dass
die CDU ehrlich erklärt, ob sie die Verträge überhaupt noch will.“
Nach den Anschlägen von Paris und Brüssel habe die Gleichsetzung von Islam
und Gewalt für ein „Worst Case“-Szenario gesorgt, klagt auch der grüne
Abgeordnete Belit Nejat Onay: Schon heute interessiert sich die Opposition
vor allem für radikal-islamistische Strukturen und kündigt die
schnellstmögliche Einsetzung eines Untersuchungsausschusses an.
12 Apr 2016
## AUTOREN
Andreas Wyputta
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