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# taz.de -- Niedersachsen will Integration stärken: Staatsvertrag für Muslime?
> Sollen die muslimischen Verbände ähnliche Rechte erhalten wie die
> christlichen Kirchen - oder sind nicht vielmehr die Sonderrechte der
> Kirchen obsolet?
Bild: Informationsbesuch: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) …
## Ja
Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages werden die islamischen
Religionsgemeinschaften den etablierten gleichgestellt. Die jahrzehntelange
Zwei-Klassen-Behandlung wird beendet.
Es wurde immer bemängelt, dass es seitens der Muslime keinen festen
Ansprechpartner für das Land Niedersachsen gebe. Mit der Unterzeichnung
wäre auch dieses Problem gelöst. Ditib und Schura sind seit Jahren
verlässliche Ansprechpartner. Sie haben viele Projekte bundesweit zuerst in
Niedersachsen mitgetragen und vorangetrieben – wie zum Beispiel den
islamischen Religionsunterricht.
Mit der Gleichstellung durch den Vertrag fühlen sich die islamischen
Religionsgemeinschaften anerkannt und in der Gesellschaft akzeptiert.
Die verhandelten Inhalte schaffen klare Linien, die sowohl das Alltagsleben
der Muslime in Niedersachsen regeln als auch das Zusammenleben mit den
Nichtmuslimen. Vor dem Vertrag gab es Unklarheiten wie etwa die
Feiertagsregelung für Schüler. Mit der Unterzeichnung wird es transparente
Strukturen geben, die für alle gleichermaßen gelten.
Der Vertrag bringt auch Pflichten mit, die die Muslime dazu bringen werden,
ihre inneren Strukturen besser zu ordnen und zu organisieren. So wird auch
die Arbeit der islamischen Religionsgemeinschaften professioneller werden.
Dadurch werden sie für das Land als verlässliche Partner nützlich.
Viele Leistungen der islamischen Religionsgemeinschaften – wie die
Flüchtlingshilfe in den Moscheen – kannten die zuständigen Stellen bislang
nicht. Nun wird die ehrenamtliche Arbeit der Muslime transparenter
beziehungsweise von ihr wird überhaupt erst Notiz genommen. In vielen
Bereichen können Kooperationen mit dem Land oder anderen, etablierten
Religionsgemeinschaften aufgebaut oder ausgeweitet werden.
Schon die Verhandlungen über den Vertrag haben dazu geführt, dass mehr und
intensiver miteinander gesprochen wird. Dadurch ist ein besserer Dialog
miteinander entstanden, Vorurteile wurden abgebaut und viele Wissenslücken
geschlossen.
Neben den Regelungen im Vertrag gibt es viele Absichtserklärungen beider
Vertragspartner, die zeigen, dass auch die Muslime Teil dieser Gesellschaft
sind. Diese Symbolik führt zu einer besseren Akzeptanz der Muslime in der
Mehrheitsgesellschaft, zu einer besseren Willkommenskultur und einem
Miteinander auf Augenhöhe. Das Zugehörigkeitsgefühl der Muslime wird
gestärkt
Der Vertrag ist auch ein Signal der Beständigkeit. Wir möchten mit ihm ein
Zeichen setzen, dass die Muslime, die vor mindestens 50 Jahren hierher
gekommen sind, auch hier bleiben werden und die Kultur dadurch bereichern.
ERMINE OGUZ
## Nein
Der Staat sollte mit den muslimischen Verbänden keine Vereinbarungen über
die Religionsausübung schließen. Das klingt nach Islamfeindlichkeit. Es
gibt jedoch gute Gründe, sich generell gegen Religionsverträge
auszusprechen.
Die Menschen haben in Deutschland das Recht, ihre Religion frei zu wählen
und auszuüben, die Religionsgemeinschaften können sich frei organisieren.
Das alles gilt aber laut Verfassung nur „innerhalb der Schranken des für
alle geltenden Gesetzes“. Von (Staats-)Verträgen ist keine Rede. Aus guten
Gründen.
Verträge mit Religionsgemeinschaften enthalten in aller Regel keine
Befristung und keine Kündigungsmöglichkeit. Das bedeutet: die
Vertragsparteien sind bis in alle Ewigkeit gebunden, das Land auch über die
Legislaturperiode hinaus. Dieses Verfahren widerspricht den Grundsätzen der
parlamentarischen Demokratie, die vom öffentlichen Diskurs und von der
Änderbarkeit getroffener Entscheidungen ausgeht.
Es besteht auch inhaltlich kein Bedarf nach grundsätzlichen Verträgen
zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften. Die bestehende
Rechtslage festzuschreiben, ist unnötig. Soweit Rechtsänderungen in
Aussicht genommen werden, muss ohnehin der Gesetzgeber tätig werden.
Unverbindliche Unterstützungszusagen der Vertragspartner haben keine
Rechtswirkung und bedürfen daher ebenso wenig der Vertragsform wie Aussagen
über die gegenseitige Anerkennung, Wertschätzung und Kooperation.
Der Hinweis auf die zahlreichen, vor allem mit den christlichen Kirchen
geschlossenen Staatsverträge ist berechtigt, weil sich die Frage nach der
Gleichbehandlung stellt. Aber: Auch die bestehenden Verträge hätten nicht
geschlossen werden dürfen, sie sollten aufgehoben werden. Die in ihnen
enthaltenen Privilegierungen benachteiligen die wachsende Zahl der nicht
religionsgebundenen Bürger.
Die Ausweitung der Vertragsprivilegien auf die Muslime verbessert nichts.
Die erstrebten Ziele können auf andere Weise realisiert werden, auch die
symbolische Anerkennung, dass muslimische Bürger gleichberechtigte
Mitglieder der Gesellschaft sind.
Wer gleichwohl den Abschluss von Verträgen fordert, sollte bedenken: wen
die muslimischen Vertragspartner vertreten, ist ungewiss. Nur einen kleinen
Teil der Muslime kann man verlässlich den Verbänden zurechnen, denen eine
Mitgliedschaft einzelner Personen ohnehin fremd ist. Dass sie tatsächlich
„die Muslime“ in Deutschland vertreten, muss bezweifelt werden. Der größte
Verband, Ditib, ist der Arm der türkischen Religionsbehörde, also
sicherlich keine Religionsgemeinschaft im Sinne des deutschen
Verfassungsrechts.
JOHANN-ALBRECHT HAUPT
14 Dec 2015
## AUTOREN
Emine Oguz
Johann-Albrecht Haupt
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Schwerpunkt Rassismus
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