| # taz.de -- Zweifel an Integrations-Effekt: Frauen kritisieren Muslim-Staatsver… | |
| > Frauenverbände befürchten, der Vertrag könnte die Integration der | |
| > muslimischen Bevölkerung eher behindern als verbessern. | |
| Bild: Integrations-Hemmnis? Frauenverbände üben Kritik am Staatsvertrag. | |
| HAMBURG taz | Die niedersächsischen Frauenverbände haben den Entwurf eines | |
| Vertrages mit den muslimischen Verbänden kritisiert. Die | |
| [1][Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros (LAG)] befürchtet, | |
| dass durch den Vertrag die Bedeutung der Religion bekräftigt und damit die | |
| Integration von Muslimen eher erschwert als erleichtert würde. Wie auch der | |
| [2][Landesfrauenrat] bezweifelt die LAG, in der die | |
| Gleichstellungsbeauftragten der Kommunen organisiert sind, zudem, dass sich | |
| die rot-grüne Regierung mit den Landesverbänden der | |
| [3][Türkisch-Islamischen Union (Ditib)] und dem Landesverband der Muslime | |
| (Schura) die richtigen Ansprechpartner gewählt hat. | |
| SPD und Grüne in Hannover haben in ihrem Koalitionsvertrag einen Vertrag | |
| mit den Vertretern der Muslime nach Hamburger Vorbild vereinbart. Im | |
| September 2013 unterzeichnete die Landesregierung mit der Ditib und der | |
| [4][Schura] eine dahin gehende Absichtserklärung. Damit könnte | |
| Niedersachsen das erste Flächenland mit einem solchen Vertrag werden. | |
| Vereinbarungen mit den Kirchen gibt es schon seit Jahrzehnten. | |
| Ziel des Vertrages ist es, die Muslime – wie auch die Aleviten – am | |
| kulturellen und sozialen Leben teilhaben zu lassen und sie zur Übernahme | |
| gesellschaftlicher Verantwortung ermutigen. Er soll ihr | |
| Zugehörigkeitsgefühl und das Vertrauen zwischen der muslimischen und der | |
| Gesamtbevölkerung stärken. | |
| Nach dem vorliegenden Vertragsentwurf würde sich das Land verpflichten, | |
| muslimische Feiertage ins Gesetz aufzunehmen. Muslimische Seelsorger sollen | |
| Zugang zu Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Gefängnissen bekommen. | |
| Ditib, Schura und die Alevitische Gemeinde sollen über fünf Jahre je | |
| 100.000 Euro jährlich zum Aufbau von Geschäftsstellen erhalten. Weitere | |
| Rechte wie das Tragen des Kopftuches und Gebetsräume in Schulen ergeben | |
| sich aus Sicht der Landesregierung aus der Rechtssprechung. | |
| Im Gegenzug werden die Glaubensgemeinschaften auf die Rechtsordnung und | |
| Werte wie Humanität oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau | |
| verpflichtet. | |
| Für die Frauenverbände beginnt der Diskussionsbedarf schon bei den in | |
| Aussicht genommenen Vertragspartnern. Ditib und Schura seien keine | |
| anerkannten Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes. Sie | |
| repräsentierten mitnichten die Vielfalt der Muslime. „Die Ditib ist ein | |
| Religionsverein, der von der Türkei gesteuert wird“, kritisiert Silke | |
| Tödter vom Vorstand der LAG der Frauenbüros. Und auch die Schura sei kein | |
| Dachverband, der alle Muslime repräsentiere. | |
| Zudem stelle sich die Frage, ob es diese beiden Organisationen mit der | |
| Gleichberechtigung der Geschlechter wirklich ernst meinten. „Papier ist | |
| geduldig“, sagt Tödter, der ein Bekenntnis in der Präambel des Vertrages | |
| nicht ausreicht. | |
| Die Gleichstellungsbeauftragten befürchten, dass Gebetsräume an Schulen von | |
| streng gläubigen Muslimen okkupiert und ein religiöser Gruppendruck auf die | |
| Schüler ausgeübt werden könnte. „Wer schützt sie vor dem Druck der eigenen | |
| Community, ihre grundgesetzlich verankerten Freiheitsrechte zu leben?“, | |
| fragt die LAG in einem Brief an die Staatskanzlei. | |
| „Die Schule soll ein neutraler Ort sein“, findet Tödter. Aber wenn | |
| Lehrerinnen das Kopftuch trügen, also eine religiöse, | |
| geschlechtsspezifische Kleidung, widerspreche das nicht der | |
| Gleichberechtigung der Geschlechter? Ganz besonders im Bildungswesen müsse | |
| auf die Gleichstellung der Geschlechter gepocht werden, findet auch | |
| Cornelia Klaus, die Vorsitzende des Landesfrauenrats, der das Thema noch | |
| nicht abschließend diskutiert hat. | |
| Mit Blick auf die Rundfunkräte findet es die LAG sinnvoller, | |
| Migrantenorganisationen einzubinden, statt den Religionsvereinen Sitz und | |
| Stimme zu geben. „Es ist fatal, wenn man bei Migranten immer zuerst an | |
| Religion denkt“, findet Tödter. | |
| „Es braucht eine breitere Diskussion über dieses Thema“, findet Tödter. | |
| Nötig seien Dialogforen und am Ende ein Staatsvertrag mit allen religiösen | |
| Gemeinschaften nach gleichen Standards und unter kritischer Würdigung der | |
| bestehenden Verträge. | |
| 10 Feb 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.frauenbuerosinniedersachsen.de/ | |
| [2] http://www.landesfrauenrat-nds.de | |
| [3] http://www.ditib.de/ | |
| [4] http://www.schura-niedersachsen.de/aktuelles/vertragsentwurf-mit-dem-land/ | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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