# taz.de -- Zoff ums Kopftuch: Kein Ende im Kopftuchstreit | |
> Lehrerinnen sollen überall in der Schule Kopftuch tragen dürfen, meinen | |
> Muslime in Niedersachsen – und fordern ein Machtwort des Regierungschefs. | |
Bild: Kopftuch: Je nach Sichtweise religiöse Bekleidungsvorschrift oder Zeiche… | |
HANNOVER taz | Vor der Unterzeichnung eines Staatsvertrags mit dem Land | |
machen sich Niedersachsens Muslime für ein Ende des Kopftuchverbots für | |
Lehrerinnen stark. „Das Verbot kommt einem Berufsverbot gleich“, sagte | |
Emine Oguz vom türkisch-muslimischen Verband Ditib der taz. Avni Altiner, | |
Vorsitzender des Gemeindeverbandes Schura, sprach in der Hannoverschen | |
Allgemeinen von „Diskriminierung“. Das Verbot schaffe eine | |
„Zweiklassengesellschaft“. | |
Denn besonders gläubigen Frauen sei das Tragen des Kopftuchs wichtig, sagte | |
Oguz: „Es geht um eine religiöse Bekleidungsvorschrift.“ Aktuell sei | |
Lehrerinnen aber nur gestattet, das Tuch während des muslimischen | |
Religionsunterrichts zu tragen – auf dem Gang zum Klassenzimmer, auf dem | |
Schulhof oder im Lehrerzimmer ist das Kopftuch nicht erwünscht. | |
Pädagoginnen, die sich für die Bekleidungsvorschrift entscheiden, können | |
damit nicht zu ihren SchülerInnen gelangen. Auch der Unterricht in einem | |
anderen Fach ist unmöglich. | |
Der Grund für das Kopftuchverbot ist im niedersächsischen Schulgesetz zu | |
finden: Seit 2004 gilt ein striktes „Neutralitätsgebot“. LehrerInnen sollen | |
sich bei der Abgabe religiöser „Bekundungen“ möglichst zurückhalten. Der | |
damals amtierende CDU-Ministerpräsident Christian Wulff setzte allerdings | |
durch, dass christlich-jüdische Symbole nicht unter dieses | |
Neutralitätsgebot fallen – erst als Bundespräsident bekannte sich Wulff mit | |
seinem berühmten Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ zu den Rechten der | |
Muslime. | |
Zwar wird das Kopftuch im Gesetzestext nicht erwähnt. In der Begründung | |
aber wird argumentiert, das Kleidungsstück könne als „fundamentalistische, | |
kämpferische Stellungnahme für ein theokratisches Staatswesen“ wahrgenommen | |
werden. | |
Am Zug sehen die Islamverbände jetzt SPD-Ministerpräsident Stephan Weil: | |
Rot-Grün hatte im Wahlkampf mit dem Ende des Kopftuchstreits geworben und | |
eine liberalere Lösung versprochen. „Es gibt verschiedenste | |
Interpretationen des Kopftuchs“, sagte der grüne Landtagsabgeordnete Belit | |
Nejat Onay, der selbst Muslim ist. Die Spanne reiche von Unterdrückung über | |
Identitätsstiftung bis hin zum Signal der sexuellen Nicht-Verfügbarkeit. In | |
Teilen der SPD dagegen herrschen Zweifel: Selbst Fraktionschefin Hanne | |
Modder hat angekündigt, eine Lockerung des Kopftuchverbots werde von den | |
Sozialdemokraten „sehr genau“ beobachtet. | |
Die Islamverbände geben sich deshalb kompromissbereit: Schließlich gelten | |
andere Teile des Staatsvertrages wie die Einführung eines nicht | |
gesetzlichen, aber symbolisch wichtigen muslimischen Feiertages als | |
unstrittig. „Wir sind auch mit der Einführung eines Pilotversuches an | |
wenigen Schulen einverstanden“, sagte Ditib-Vertreterin Oguz. „Dann kann | |
evaluiert werden, ob kopftuchtragende Lehrerinnen wirklich den Schulfrieden | |
stören.“ | |
11 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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